AlpenExtrem, dieser Begriff steht für eine ganz außergewöhnliche Alpenüberquerung mit Abenteuer und reichlich Fahrspaß. Hinzu kommt die wunderschöne Szenerie der grandiosen Bergwelt, gepaart mit sensationellen Aussichten. Aber fahren wir mal los: Von Bregenz am Bodensee führen kleine sowie kleinste Sträßchen direkt in den Bregenzer Wald. Mitunter schrauben sie sich wie ein Korkenzieher in die Höhe, bieten so wunderbare
Links-Rechts-Kombinationen (und auch umgekehrt!) für einfach nur genialen Motorradspaß. Außerdem scheint ganz im Westen Österreichs die Zeit stehen geblieben zu sein: Stress und Hektik der Moderne kennt man hier offensichtlich überhaupt nicht und von saftigen Weiden grüßen uns freundlich die Kühe mit ihren Glocken.
Zwischen Balderschwang und Fischen wartet dann mit dem Riedbergpass der höchste befahrbare deutsche Gebirgspass auf uns.
Der Scheitel liegt in der Hörnergruppe zwischen Riedberger Horn (1.787 m), Wannenkopf (1.712 m), Besler (1.679 m), Piesenkopf (1.629 m) und dem Hochschelpen (1.552 m). Ganz interessant dürfte hier die Tatsache sein, dass das Schild „Passhöhe 1.420 m“ eine falsche Höhe angibt, denn in Wirklichkeit liegt der Riedbergpass 1.407 Meter höher als der aktuelle Spiegel der Weltmeere. Sei es drum, denn uns kann das egal sein, da wir alle Kurven lieben und davon finden sich hier im westlichen Allgäu nun mehr als genug. Allerdings kann der Spaß auch ziemlich teuer werden, und zwar dann, wenn die Polizeiinspektion Kempten mal wieder ausrückt, um die teilweise etwas nervige Geschwindigkeitsbegrenzung zu überwachen. Wir scheuen also jegliche Investition hinsichtlich unseres Schräglagenvergnügens, richten uns also akribisch nach den Schildern und haben so ein wenig länger was vom Kurvenvergnügen am Riedbergpass. Apropos: Ein weiteres und überaus beliebtes Betätigungsfeld stellt für die Ordnungshüter die Oberjochstraße in Sachen Überholverbot dar.
Aber wir haben Glück: Freie Fahrt! So lassen sich die Kurven und Kehren hinauf nach Oberjoch einfach richtig genießen. Anschließend passieren wir die Landesgrenze zu Österreich und düsen hinunter ins Tannheimer Tal. Hier verliert sich der Alpenpasscharakter für ein kurzes Stück und wir holen tief Luft, bevor es über den Gaichtpass geht. Der führt uns durch die Tannheimer Berge hinüber ins Lechtal. Zunächst einmal verläuft er aber recht flach und gewinnt eher unspektakulär an Höhe. Bevor wir aber über die riesig anmutende Bogenbrücke vor traumhaftem Bergpanorama die spektakuläre Abfahrt einläuten, biegen wir links ab. Ein gemütlicher Gasthof lädt zum Verweilen ein. Da darf ein Apfelstrudel mit Vanilleeis natürlich nicht fehlen, bevor wir flott weiter bergab surfen. Die Ostrampe zeigt sich dabei von ihrer knackigen Seite, denn die Trasse wurde hier in mühseliger Kleinarbeit dem Fels abgerungen und bietet eben diese Kurven, die Alpenfahrer so lieben. Man könnte die Oberjochstraße und den Gaichtpass übrigens auch als einen Pass betrachten, da beide Alpenstraßen nur jeweils über eine erwähnenswerte Rampe in Sachen Alpenpass verfügen.
Im Lechtal darf der inzwischen schon ganz ordentlich durch geschaukelte Gleichgewichtssinn mal wieder zur Ruhe kommen. Auf der breiten Straße dort sausen wir dahin, und zwar bis Elmen, wo die Auffahrt zum fantastischen Hahntennjoch beginnt.
Über diesen 1.894 Meter hohen Pass führt eine 29,7 Kilometer lange und teils recht schmale Passstraße mit extrem hohem Erlebniswert für Motorradfahrer. Immerhin stößt man hier weit bis in hochalpine Regionen vor und erlebt dabei mächtige Geröllrunsen und schwindelerregende Abhänge. In Pfafflar stehen übrigens auch die ältesten Häuser Tirols aus dem 13. Jahrhundert.
Die luftige Passhöhe des Hahntennjochs ist sommertags stets gut besucht. Wenn man dann nach Imst hinunterfährt, dann stellt man sicher fest, dass man diesen Pass am besten immer von Westen her anfährt, denn die Ostrampe bietet deutlich weniger Abenteuer und Fahrspaß.
Aber egal, denn im Inntal wartet noch eine Traumstrecke, und zwar hinauf zur Pillerhöhe. Diese serpentinenreiche und teilweise nur einspurige Strecke führt bis zu 700 Meter hoch über das Inntal und eröffnet dabei weite Aussichten, die vom Engadin bis hinüber zu den Ötztaler Alpen reichen. Also, allen Zweiradfans, die Richtung Reschenpass oder St. Moritz unterwegs sind, sei daher angeraten, diesen außergewöhnlich schönen Höhenflug tunlichst mitzunehmen. Immerhin hat man am Kaunerberg das Gefühl, man würde aus einem Flugzeug hinunter ins Inntal schauen. Dazu passend setzen wir dann zum Landeanflug an und schrauben uns in die gähnende Tiefe. Pfunds und damit unser Hotel kommt näher. Aber wir lassen uns noch immer Zeit, meiden die Inntalbundesstraße und fahren auf kleinen Straßen weiter.
Der nächste Morgen beginnt also etwas früher als üblich. Auch für Walter, denn wir haben seine normale Frühstückszeit um eine Stunde vorgestellt. Also, um 6.30 Uhr - draußen wird es hier Ende September gerade hell – steht frisch gebrühter Kaffee auf dem Tisch. Aber fahren wir mal los. Im Inntal dämmert es noch und entsprechend gestalten sich die Temperaturen – es ist saukalt! Da kommen die Tunnel der Finstermünzstraße gerade recht, denn Untertage ist es etwas wärmer. Außerdem werden wir die Kälte bald besiegen, denn wir steuern ja der Sonne entgegen. Am Reschenpass haben wir es geschafft, die Piste wird von morgendlichen Sonnenstrahlen erleuchtet. Auf Südtirol ist abermals Verlass. Wir kehren indes der „normalen“ Reschenpassstraße getreu dem M&R Motto „Insiderstrecken“ den Rücken und kurven auf kleinen Sträßchen, die kaum Autoverkehr kennen, nach Mals.
Teil eins der Alternativstrecke führt meist einspurig vom Ort Reschen – hier rechts halten und den Hinweis Schöneben beachten – am Südwestufer des Reschensees entlang. Teil zwei der Insiderstrecke führt anschließend hinter Sankt Valentin auf der Haide – hier links ab, Hinweis Ulten beachten – von der normalen Reschenstraße nach Mals. Wir genießen das gemütliche Touren auf dieser einspurigen Piste, müssen uns halt nicht mit Lkws, Wohnwagen und sonstigen Verkehrshindernissen herumschlagen. Wie das den Motorradspaß einbremsen kann, erleben wir danach kurz, und zwar auf dem Weg von Mals nach Prad.
Wie auch immer, die Reifen sind jedenfalls ordentlich warm gefahren, als wir dann das einmalige Stilfser Joch angehen. Der dritthöchste Pass der Alpen (würde man am Bonette in Frankreich nicht mogeln, dann wäre es der zweithöchste Alpenübergang, und zwar hinter dem Col de l’Iseran) gehört definitiv zu den schönsten Bergstrecken überhaupt. Allerdings gibt es auch zweiradbegeisterte Zeitgenossen, die diese illustre Kurventanzstrecke bergan, bei der man sich seiner Majestät, dem fast viertausend Meter hohen Ortler unaufhaltsam nähert, nicht ganz so gerne mögen. Einmal heißt es, die Kehren wären zu spitz, und dann führt man den Straßenzustand an. Also, für uns kann es gar nicht genug „Kurve“ geben, und die paar Macken im Teer betrachten wir eher als Sahnehäubchen für echte Motorradabenteurer. Man muss eben berücksichtigen, dass die Straßenoberfläche recht intensiv unter den brachialen Kräften der stets vorhandenen Erosion durch Sonne, Regen, Schnee, Wind und Frost leidet. Bevor man an diesen Verhältnissen herumnörgelt, sollte man aber wenigstens bedenken, dass sich das Stilfser Joch eben in einer derart exponierten Lage befindet, wo dann andere Bedingungen herrschen, als im weiten Flachland.
Wer zudem mehr Power im Hirn als am Gas walten lässt, wird zugeben, dass diese Piste zu den weltweit großartigsten Straßenbauwerken gehört. Immerhin windet sich die wagemutig gebaute Passstraße (frei zwischen Juni und Oktober) mittels 48 Kehren ab dem Trafoier Tal und mit bis zu 15 % Steigung bergan zum Stilfser Joch (2.757 Meter). Sie verbindet das Vinschgau mit dem italienischsprachigen Veltlin und eröffnet dabei immer wieder faszinierende Blicke. Die genießt man am besten bei einer Pause und die findet am Grillwurststand von Bruno – aus Fahrtrichtung Trafoi der erste Stand rechts – statt. Hier gibt es deftige Bratwürstchen mit Kraut im Vinschgerl, die Insider auch als „Murmelburger“ kennen.
Irgendwann müssen wir dann mal weiter und mit vollem Bauch nehmen wir die Veltliner Passrampe unter die Räder. Die ist hervorragend ausgebaut und bietet neben einigen Naturtunneln auch wieder unzählige Kurven und Kehren. Was da allerdings ein Wohnwagengespann zu suchen hat, das uns aus Richtung Bormio entgegenkommt, erschließt sich dem normal denkenden Mitteleuropäer sicher nicht.
Kehre um Kehre schrauben wir uns weiter hinunter. In Bormio (1.217 Meter) bekommen wir dann kurz wieder Boden unter die Reifen, heben aber sofort hinter dem bekannten Wintersportmekka wieder ab, und zwar hinauf zum Gavia-Pass (frei zwischen Juni und Oktober). Früher war dessen Scheitelstrecke übrigens noch geschottert. Nur der Tour de France (1986) zuliebe hat man seinerzeit eine ganz akkurate Teerdecke aufgebracht. Rad fahren – hier oben? Allein die Vorstellung, dass man bis auf satte 2.618 Meter Seehöhe kurbeln müsste, macht sicher atemlos und treibt mehr als reichlich Schweiß auf die Stirn. Das kann die folgende Abfahrt dann aber auch, denn man darf sie als kniffelig bezeichnen. Anders als die zunächst ausgezeichnet ausgebaute Nordrampe besteht sie überwiegend aus einem nur knapp einspurigen Asphaltband, das manchmal noch nicht mal genug Platz für zwei sich begegnende Goldwings bietet. Die Ausweichen sind zudem ziemlich rar gesät und darüber hinaus ist das Sträßchen oft nur unzureichend oder gar nicht gegen Absturz gesichert. Alles in allem erleben wir ein hochalpines Abenteuer mit reichlich Nervenkitzel, das sich nur gut geübte Motorradfahrer (das Gleiche gilt natürlich umso mehr für die Vierradfraktion) gönnen sollten.
Also, nach wieder einmal ungezählten Schleifen bergab, taucht man dann irgendwann weit unten in Ponte di Legno auf. Nun kann sich der innere Brummkreisel für ein etwas längeres Stück beruhigen. Wir fahren flott durch das Val Camonica, das auch für seine prähistorischen Felszeichnungen bekannt ist, über Edolo nach Malonno. Von dort führt ein sehr schmales, aber gut asphaltiertes Sträßchen zum sensationellen Passo del Vivione (1.828 m), mitten in den reizvollen Bergamasker Alpen gelegen.
Der Fahrspaß kommt dabei garantiert auch nicht zu kurz, denn man trifft hier kaum auf Verkehr, nimmt dafür aber neun satte Kehren unter die Reifen. Martina wird später ihre Begeisterung für den Vivione kaum verbergen können.
Bei der Befahrung von Nordosten bieten sich zunächst allerdings keine spektakulären Ausblicke, da sich die fantastische Kurvenpiste hier durch dicht bewaldetes Gebiet windet. Die Passhöhe selbst mutet dann auch eher sanft an - jedenfalls bis man um die nächste Ecke fährt. Da bleibt der Mund ganz sicher zum Staunen offen. Nun führt das Sträßchen nämlich durch eine mächtige Steilwand und rechts gähnt ein nahezu unergründlicher Abgrund. Speziell Pässejäger, die mit Reiseenduros unterwegs und dazu absolut schwindelfrei sind, werden den Passo del Vivione schon deshalb lieben. Für Zweiradtreiber auf Sportlern – wenigstens wenn sie auf schmerzende Handgelenke verzichten wollen – ist das Ganze allerdings eher nichts, auch wenn ihnen dann der gigantische Blick auf die Gipfel der imposanten und bis zu 3.554 Meter hohen Adamello-Gruppe entgeht.
Ohne uns aber weiter Gedanken darüber zu machen, schrauben wir uns dann flott bergab. 15 Kehren warten nun und jede löst Hochgefühle bei mir aus. Das ist wie Achterbahnfahren, nur dass ich die Linie bestimme. Irgendwann schaue ich dann mal wieder in den Spiegel und stelle fest, dass sich die Gruppe ein wenig auflöst: „Wo ist unser letzter Mann?“ Aber dann taucht er doch schon auf, wischt ein paar Schweißperlen von der Stirn und meint: „Den Vivione, den vergesse ich nicht!“
Wieder unten angekommen führt uns eine einwandfreie und kurvig ausgebaute Nebenstrecke – in Italien bestehen die Geraden meist aus Kurven – zum eigentlich letzten Pass auf unserer sensationellen AlpenExtremTour.
Zwischen Dezzo di Scalve und Clusone liegt der Passo della Presolana und zwar am Südrand der Bergamasker Alpen. Er führt vom Valle di Scalve hinüber in das Valle Sponda. Die Auffahrt bietet einige flotte Kurven, hinzu kommt ein recht schönes Landschaftsbild. Auf der Passhöhe selbst liegt der Ort Presolana und der markiert im Prinzip das Ende unserer Reise. Die Abfahrt vom Pass in Richtung Bergamo führt dann durch viele Ortschaften und der Verkehr nimmt massiv zu.
Ursprünglich wollten wir uns ja hier ein Quartier suchen und die Rücktour am nächsten Tag starten. Aber wie am Tag zuvor schon entschieden: Wir wollen zurück nach Pfunds. Da wir ja früh starteten, sollte das kein Problem sein. Also fahren wir durch das Val Camonica zurück nach Edolo, schwenken dort zum Passo dell’Aprica und steuern dann den Bernina an. Auf dieser Strecke geht uns dann langsam das Licht aus und der Tag verabschiedet sich mit einem wundervollen Sonnenuntergang. Wir erleben die Passhöhe in 2.330 Metern also im Dunkeln. Das Ganze ist etwas unheimlich, denn niemand sonst fährt um diese Zeit über den Bernina. Aber auch im Inntal ist nicht viel los und so kommen wir optimal voran. In Pfunds werden wir dann schon erwartet. Und so endet eine der schönsten Alpentouren, die wir je gemacht haben und so extrem war sie dann doch nicht.
Bei dieser Traumtour, die für Sportlerfahrer zum Alptraum werden könnte, geht es um schmale, geteerte Straßen, kniffelige Spitzkehren und alles andere, was abenteuerlustige Alpenfahrer wünschen.
Wer diese Alpenüberquerung vom Allgäu bis nach Bergamo angeht, sollte in Sachen Schräglagen ein sehr sicheres Gefühl fürs Motorrad mitbringen, denn Kurven, Kehren und Serpentinen gibt es nun wirklich mehr als genug auf den Traumpässen, die folgen.
Martinszell liegt ungefähr auf halbem Weg zwischen Kempten und Sonthofen und lässt sich über die B19 gut erreichen.
Da viele der beschriebenen Passstraßen von November bis Ende Mai geschlossen sind, bleibt der Zeitraum Juni bis Oktober übrig. Wer kann, sollte diese Pässeabenteuer zudem unter der Woche angehen, denn dann muss man mit weniger Verkehr als an Wochenenden rechnen.
Die folgenden M&R Motorradhotels befinden sich im oder in der näheren Umgebung des Routenverlaufs dieser Motorradtour:
Im Routenverlauf dieses Tourenvorschlags werden nachfolgende Alpenpässe
und Bergstraßen befahren: