Die Insolvenz von KTM hat die Markteinführung der neuesten Generation von Fahrassistenzsystemen bei Motorrädern verzögert. Das neue Advanced Rider Assistance Systems, kurz ARAS, genannte System debütiert in der 1390 Super Adventure-Familie, sobald die Produktion wohl im Frühjahr wieder starten kann. Fevzi Yildirim, Europa-Chef der Motorradsparte bei Bosch, erläutert, was die Neuentwicklungen auszeichnen und wie Bosch als Pionier der Zweirad-Sicherheitssysteme bei deren Entwicklung vorgeht.
Die Zentrale für die Zweirad-Sicherheitssysteme befindet sich in Japan, wo man für „Safety and Assistance“ verantwortlich zeichnet. Weitere Entwicklungen finden in China, Indien, Asien, Europa und Amerika statt, wobei Europa den Schwerpunkt Infotainment und Konnektivität bearbeitet. Das ist die Aufgabe von Fevzi Yildirims Team, das er von Abstatt aus steuert. „Jede der fünf genannten Regionen verantwortet also eine Produktdomäne und auch ihre eigenen Kunden“, erklärt Yildirim und blickt dabei auch zurück.
„Gemeinsam haben wir bei Bosch einige wichtige Dinge bewegt: Die weltweit erste motorradspezifische ABS-Generation kam 2010 auf den Markt, 2011 folgte das Offroad-ABS und 2013 die Motorrad-Stabilitätskontrolle MSC“, nennt er als Beispiele. Nach wie vor ist er der Ansicht, dass beim konsequenten Vorhandensein aktueller Sicherheitstechnik ein Drittel der bei Unfällen ums Leben kommenden Motorradfahrer nicht sterben müssten. Derzeit, so Yildirim, „schwappt die Motorrad Safety Control auf die Massenmärkte über, auch in Indien und China.“ Und mit zunehmender ABS- und MSC-Penetration werden radarbasierte Assistenzsysteme ihren Weg in die Mittelklasse finden. Bislang gibt es diese nur in gehobeneren Modellen.
Die Fahrsicherheit auf dem Motorrad weiter zu erhöhen, ohne den Fahrspaß zu beeinträchtigen, dazu soll ARAS beitragen. Mit dieser neuesten Generation von Motorrad-Assistenzsystemen bietet Bosch sechs Funktionen an, deren Wirkungsweise aufeinander abgestimmt sind. Vier Fahrassistenzfunktionen – die adaptive Geschwindigkeitsregelung inklusive Stop & Go, der Notbremsassistent, der Group Ride Assist und der Riding Distance Assist – werden mithilfe des Frontradars gesteuert, zwei weitere (hintere Abstandswarnung und Auffahrwarnung) vom Heckradar. In der neuen KTM 1390 Super Adventure S EVO werden sämtliche Assistenzsysteme gebündelt verfügbar sein. Sie soll im Frühjahr 2025 auf den Markt kommen, sofern das laufende Insolvenzverfahren dieses möglich macht. Die gemeinsame Bosch-KTM-Entwicklung ist jedenfalls abgeschlossen.
Während die Elektrifizierung auf dem Zweiradmarkt insbesondere im asiatischen Raum und kleineren Leistungsklassen auf dem Vormarsch ist, sieht Yildirim den Bedarf im Segment für Freizeit- und Langstreckenfahrten derzeit noch nicht in größerem Ausmaß gegeben. „Es gibt drei Faktoren, die eine entscheidende Rolle spielen: Kosten, Reichweite und Gewicht. Was bei kleinen Motorrädern wegen ihrer eher geringen Anforderungen an die Reichweite im Bereich von 100 Kilometern gut ausreicht, stellt bei großen Motorrädern noch eine zu hohe Hürde dar“, so der Experte. Denn ein zu hohes Fahrzeuggewicht durch große Batterien sei ein unüberwindbarer Hemmschuh für das Erreichen größerer Stückzahlen. Bosch selbst hat einen integrierten 6-kW-Elektroantrieb auf den Markt gebracht, der für große Roller oder klassische Motorräder im urbanen Umfeld prädestiniert ist. „Wir arbeiten an Neuentwicklungen für ein effizientes Motormanagement für Verbrennungsmotoren, zugleich aber natürlich auch an Lösungen für Elektroantriebe.“
Sehr schnell werden sich nach Yildirims Meinung die farbigen TFT-Displays auch bei Einsteigermotorrädern etablieren. Die Sprachsteuerung der Anzeigen sieht er für 2026 kommen, wobei auch Google und Apple ihr OK geben müssen, denn beide sind wesentliche Faktoren im Sprachsteuerungs-Spiel. Aber auch die Touch-Technologie ist bei den TFT-Displays verbreitet im Kommen.