Yukon & Northwest Territories – Von Schlüpferkanonen und Zehenschnäpsen
Nach all den bärigen Erlebnissen und der endlosen Wildnis wird es jetzt Zeit für ein bisschen Großstadtfeeling, also geht es ab nach Chicken, unserem letzten Ort in Alaska mit ganzen 34 Einwohnern.
Zumindest im Sommer ist es hier so voll, im Winter sind es nur noch 3 Einwohner. Die meisten der 34 lernen wir auch direkt an diesem Abend kennen, natürlich im dorfeigenen Saloon. Eine Schlüpferkanone, einige Schwertkämpfe mit Schaumstoffschwertern, mehrere Einladungen zum Goldschürfen und viel frisch gezapftes Bier später war der Saloon dann schlagartig zu und wir kriechen in unser Zelt auf dem Parkplatz.
Ohne Gold in der Tasche erreichen wir Kanada
Um die schöne Erinnerung an diese Nacht reicher, aber ohne Gold in der Tasche, geht es dann über den Top of the World Highway weiter nach Kanada. Der Grenzübergang hier ist der nördlichste zwischen den USA und Kanada, großteils Schotter und wunderschön. Dann noch eine kurze Fahrt auf der uralten Fähre über den Yukon und schon sind wir in Dawson City.
Der Mechaniker in Dawson City hat wohl schon länger zu, zum Glück benötigen die Motorräder aktuell (!) keine Aufmerksamkeit Die Stadt wirkt, als wären wir gerade zum Klondike Gold Rush zurückgereist. Teils prachtvolle, teils heruntergekommene alte Holzhäuser, staubige Straßen und überall riesige Schotterhaufen von den Goldbaggern. Der Eindruck wird durch die Tatsache, dass alle Geldautomaten, das Internet und das Mobilfunknetz ausgefallen sind, nur noch verstärkt. Einige Hundert Kilometer südlich der Stadt hat ein Waldbrand die Leitungen und die einzige Zufahrtsstraße zerstört und so ist Dawson City aus Richtung Kanada abgeschnitten von der modernen Welt. Unsere ganz eigene kleine Gold-Rush-Erfahrung hier.
Der Dempster Highway führt direkt auf die schroffen Gipfeln des Tombstone Nationalparks zu Neben der goldigen Geschichte ist Dawson City unter Reisenden noch für zwei weitere Dinge bekannt: den Dempster Highway und den Sourtoe Cocktail. Ersterer ist eine wunderschöne, knapp 900 Kilometer lange Schotterstrecke nach Tuktoyaktuk, genannt Tuk, am kanadischen Polarmeer. Tuk ist der nördlichste Punkt, den man in Kanada im Sommer mit einem Fahrzeug erreichen kann.
Der Tombstone Nationalpark ist wegen seiner Schönheit ein Wanderparadies im Yukon. Er umfasst von Bergen über tiefsten Wald bis hin zur arktischen Tundra eine große Bandbreite an Lebensräumen Der Dempster startet mit dem atemberaubend schönen Tombstone Nationalpark, führt per Fähre über den knapp einen Kilometer breiten Mackenzie-Fluss, vorbei an unzähligen Seen bis in die mit Treibholz vollgeschwemmten Buchten von Tuk. Enttäuschenderweise hat das Polarmeer hier wegen der geschützten Lage von Tuk nicht einmal Minusgrade, quasi das Nichtschwimmerbecken der Polarmeer-Badeorte.
Zurück in Dawson City geht es dann an Grund Nummer zwei: den Sourtoe Cocktail, also Zehenschnaps. Jawohl, ein echter toter menschlicher großer Zeh im Schnapsglas. Die Prozession hat klare Regeln. Der Captain, natürlich ein bärtiger Geselle mit Kapitänsmütze, erklärt sie einem mit einem fröhlichen Grinsen: „Drink it fast, or drink it slow, but your lips must touch the toe.“ Und nach jeder erfolgreichen Knutscherei mit dem mumifizierten Zeh jubelt der ganze Pub fröhlich mit.
Offroad-Herausforderung Canol Heritage Trail
Die Wasserdurchfahrt am Ende des durch die Brände zerstörten Waldes der North Canol Road Unser nächstes Ziel ist der Canol Heritage Trail. Eine vor allem als vierwöchige Wanderung durch die Wildnis bekannte Strecke, die an ihrem südlichen Ende auch noch als anspruchsvolle Offroad-Strecke befahrbar ist, und dann immer verfallener ist, bis man nicht mehr weiterkommt oder aufgrund von Spritmangel umdrehen muss.
Alleine unterwegs auf der Fähre des McKenzie Flusses, die einzige Unterbrechung des Dempster Highways Und so stehen wir vollgetankt auf der kleinen Kabelfähre über den reißenden Fluss, gespannt, was uns erwartet und wie weit wir es in dieser Wildnis schaffen werden. Direkt nach der Fähre startet der Matsch. Die Strecke ist eng, rutschig und teilweise stark ausgewaschen. Rechts und links der Strecke steht meterhoch das dichte Gestrüpp, bevor nach ein paar Metern der endlos erscheinende Wald losgeht. Wegen des dichten Gestrüpps nutzen auch die Tiere hier gerne die Schotterstraße, was man vor allem an der unglaublichen Menge an Elchkot sieht. Wir schlängeln uns weiter die tolle Strecke lang, als plötzlich nur 20 Meter vor uns ein riesiges braunes Fellknäuel die Strecke entlangrennt. Wir gehen sofort vom Gas, denn was da vor uns flieht, ist eindeutig ein Grizzly. Zwar haben wir mittlerweile haufenweise Bären gesehen und sind deutlich entspannter geworden, aber wenn der Bär schon Angst hat und flieht, ist ein bisschen Abstand sicherlich nicht unangebracht. In der nächsten möglichen Lücke im Gebüsch verschwindet der Bär sofort. Wir sind unsicher und warten kurz ein paar Sekunden, bevor wir mit hoher Drehzahl und zügig an der Stelle vorbeifahren, an der der Bär gerade verschwunden ist. Sofort folgt auch der Blick in den Rückspiegel. Aber der Bär bleibt außer Sicht und wir können diese tolle Strecke weiter genießen. Wir fahren immer tiefer in den Wald hinein und die Strecke wird zunehmend anspruchsvoller, herrlich. Die Situation, dass Tiere vor uns die Strecke entlangrennen, wiederholt sich noch mehrfach, meist mit Streifenhörnchen und Wachteln, aber auch mit Schwarzbären.
Ein Waldbrand und Überschwemmungen beenden den Versuch
Durch die Überreste der Waldbrände entlang der North Canol Road, mitten hinein in die Wildniss Als nach noch ein paar Kilometern mehr der altbekannte Geruch eines nahenden Grillabends langsam in unsere Nasen steigt, haben wir schon eine dunkle Vorahnung. Und keine zwei Kilometer später fahren wir auch schon durch den kürzlich abgebrannten Wald. Der davor dichte und undurchdringbar wirkende Wald reduziert auf ein paar verkohlte Zahnstocher. Ein trauriger Anblick. Da nirgends frischer Rauch, Flammen oder Glut zu sehen sind, fahren wir erst mal weiter durch den komplett zerstörten Wald. Als nach noch ein paar Kilometern plötzlich mehr und mehr Wasserdurchfahrten auftauchen, beschleicht uns auch hier ein ungutes Gefühl. Und so sollte es dann nach knapp 120 Kilometern entlang der Canol North Road auch kommen: Die Strecke ist aufgrund von Waldbrand und Überschwemmung gesperrt. Wir haben es nicht ansatzweise so weit geschafft, wie wir wollten, aber den Feuerwehrleuten in die Quere kommen und ihnen möglicherweise sogar noch mehr Arbeit machen, ist auch keine Option. Stattdessen freuen wir uns über 120 Kilometer durch die Wildnis, mit Fahrspaß ohne Ende, und schlagen unser Zelt an einem einsamen See ein paar Kilometer vor der Straßensperrung auf. Die Fahrt zurück wird dann dank eines Platzregens, der die komplette Strecke in eine lehmig matschige Rutschpartie verwandelte, und noch mehr Bärenbegegnungen auch nicht weniger spaßig als der Weg rein. Zurück an der Fähre, mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht, ist klar, dass sich dieser Ausflug eindeutig gelohnt hat.
Über die Canol South Road und weiter nach Atlin
Die South Canol Road, deutlich einfacher zu fahren als der Nordteil, aber landschaftlich mindestens genauso beeindruckend Im Gegensatz zur Canol North Road ist die Canol South Road seinerzeit fertiggestellt worden und wird auch heute noch in Schuss gehalten und soll wunderschön sein. Das muss man uns nicht zweimal sagen. Entsprechend fahren wir direkt weiter auf die Südstrecke. Die Schotterstraße ist in gutem Zustand und sehr einfach zu fahren, was einem erlaubt, den Blick immer wieder über die wirklich traumhafte Natur schweifen zu lassen.
Atlin in der Nähe von Whitehorse, eine ehemalige Minengegend mit vielen einsamen Schotterstrecken Weiter führt uns diese Route auf den berühmten Alcan Highway, aber da uns dieser doch etwas zu gerade, asphaltiert und langweilig ist, fahren wir weiter nach Atlin. Die Gegend wurde uns von ein paar kanadischen Enduro- und Snowbikefahrern empfohlen. Und die Jungs hatten absolut recht. Herrliche Offroad-Strecken, super Campspots direkt am See und diese unendlich wirkende kanadische Einsamkeit. Was will man mehr?
Find's immer wieder beeindruckend, wie viel Abenteuer man auf zwei Rädern erleben kann. Pech mit der Technik gehört wohl dazu, aber das macht die Geschichten nur interessanter. Erholung ist wichtig, besonders nach so einem Sturz. Weiterhin eine gute Reise. Ich freue mich auf die nächsten Stories.
Als leidenschaftlicher Rollerfahrer, der auch mal von Langstreckenfahrten träumt, finde ich den Mut und die Abenteuerlust von Tim und Jessy beeindruckend. Die Entscheidung, alles hinter sich zu lassen und auf so eine epische Reise zu gehen, ist wirklich inspirierend. Es zeigt, dass das Motorradfahren mehr als nur ein Hobby ist; es ist eine Lebenseinstellung, die Freiheit und Selbstentdeckung ermöglicht. Die Vorstellung, fast den ganzen amerikanischen Kontinent zu durchqueren, weckt in mir den Wunsch, auch irgendwann meine eigenen Grenzen zu überschreiten. Besonders das Erlebnis mit dem Grizzly bei Alaska, zeigt, wie unmittelbar und intensiv die Begegnungen in der Wildnis sein können. Diese Story macht mir Mut, vielleicht doch mal eine längere Tour zu planen.
Die pure Freude und Abenteuerlust, die aus jeder Zeile springt, fängt so authentisch das ein, was das Motorradfahren ausmacht – Freiheit und das Unbekannte. Einfach herrlich, diese Hingabe!
crazy was die beiden erlebt haben, aber mit sandalen am gletscher is ja fast schon fahrlässig ;) ich wünsche euch eine gute weiterfahrt und und mir mehr tolle eindrücke von eurem abentuer