Verkehrsminister Scheuer kämpft für Motorradfahrer

Nach deutschlandweiten Demonstrationen gegen Fahrverbote und Streckensperrungen ergreift Verkehrsminister Scheuer Partei für die Motorradfahrer.
 M&R, BVDM

Das Thema Motorradlärm erlebte am 4. Juli 2020 seinen vorläufigen Höhepunkt. Rund 100.000 Motorradfahrer demonstrierten gegen drohende Streckensperrungen und brachten den Verkehr in zahlreichen deutschen Städten zum erliegen.

Verkehrsminister Scheuer unterstützt Motorradfahrer

Im Kampf gegen Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen bezieht Verkehrsminister Andreas Scheuer ganz klar Position an der Seite der Motorradfahrer. Er will "keine weiteren Verbote und Verschärfungen für Motorradfahrer". Die geltenden Regeln und Gesetze sind seiner Ansicht nach „ausreichend“ streng. Den „dringenden Handlungsbedarf“ des Bundesratsbeschlusses sieht er nicht. Er habe "eine andere fachliche Sichtweise", sagte er gegenüber der Passauer Neuen Presse.

„Ich werde die Beschlüsse nicht umsetzen“

Nach den deutschlandweiten Demonstrationen am 4. Juli äußerte sich Scheuer erneut: "Die Biker zeigen bei den Protesten ihre Haltung gegen Verschärfungen und Verbote. Das ist auch meine Haltung. Ich werde die Beschlüsse des Bundesrates, also der Bundesländer, nicht umsetzen."

BVDM sieht Hersteller in der Pflicht

Der Bundesverband der Motorradfahrer sieht die Hersteller in der Pflicht, leisere Motorräder zu produzieren. Wären zumindest neue Maschinen im normalen Fahrbetrieb sozialverträglich leise, würde das die gesamte Situation entschärfen. Auch bezahlbare Nachrüstlösungen, die vor allem die meistvekauften Motorräder auf dem Markt leiser machen, fordert der BVDM und veröffentlichte diesen Appell Anfang Juni in einem offenen Brief an den Industrieverband Motorrad (IVM e.V.).


Worum geht es überhaupt?

Rückblick: Vor einigen Wochen formulierte der Bundesrat Maßnahmen gegen Motorradlärm. Zwar nennt sich das Ganze "Beschluss", die Länder haben aber keine Entscheidungsgewalt über das, was da am 15. Mai 2020 veröffentlicht wurde. Beschlossen ist ledglich, eine Bitte an die Bundesregierung zu richten. Deren Inhalte wurde mehrheitlich abgestimmt und schriftlich festgehalten.

Weniger Lärm durch Motorräder

In seiner Sitzung vom 15. Mai 2020 spricht sich der Bundesrat für strengere Geräuschgrenzwerte bei der Genehmigung und Zulassung neuer Motorräder aus. Ein Limit von maximal 80 dB(A) in allen Fahrzuständen hält man für angemessen. Rechtskräftig umsetzen müsste das – wie gesagt – die Bundesregierung.

Zweitens wünscht sich der Bundesrat eine Verschärfung der Strafen bei Manipulationen an Auspuff, Luftfilter und sonstigen Eingriffen, die die Lautstärke erhöhen. Die Idee der Länder: Die Bundesregierung soll es der Polizei erleichtern, Motorräder bei gravierender Überschreitung der Lärmemissionen an Ort und Stelle stillzulegen oder zu beschlagnahmen.

Drittens möchte der Bundesrat Initiativen wie "Silent Rider" unterstützen. Ähnlich der Kampagne zur Rettungsgasse will man Motorradfahrer für das Lärm-Problem sensibilisieren und zumindest unnötigen Belästigung der Anwohner durch eine angemessene Fahrweise vermeiden.

In die gleiche Kerbe schlägt der Ansatz, Eingriffe des Fahrers in den Klang des Motorrads zu verbieten. Speziell Klappenauspuffanlagen, die auf Knopfdruck lauter werden, sind dem Bundesrat offenbar ein Dorn im Auge. Wenn schon die Möglichkeit des "Sound-Design" besteht, so soll es dafür genutzt werden, die Geräuschkulisse zu reduzieren.
Motorräder mit Elektroantrieb werden natürlich als Königsweg gesehen, um flüsterleise die Landschaft zu genießen. Wenn möglich soll die Bundesregierung hier Kaufanreize schaffen.

Streckensperrungen an Sonn- und Feiertagen?

Besonders hart würde es uns Motorradfahrer treffen, wenn Streckensperrungen an Sonn- und Feiertagen aus Gründen des Lärmschutzes die Zustimmung der Bundesregierung finden. Der Bundesrat spricht bei ausgesuchten Strecken von "Konfliktfällen". Auch hier sollen Elektromotorräder vom Verbot ausgenommen werden. Quads oder Autos, die teilsweise bereits ab Werk mit einer Klappensteuerung in der Auspuffanlage ausgeliefert werden, haben die Bundesratsmitglieder wohlwollend vergessen.

Energischer liest sich der Beschluss beim Thema "Raser" und "Belästiger". In diesem Punkt wird die Bundesregierung "aufgefordert", sich etwas einfallen lassen, um auf den verantwortlichen Fahrer identifizieren zu können. Mit Helm auf dem Kopf und ohne Kennzeichen an der Front entgehen nach Ansicht des Bundesrats zu viele Verkehrssünder ihrer Strafe. Die Einführung eines Fahrtenbuchs nach einem erfolglosen Ermittlungsversuch des Fahrers könnte verpflichtend eingeführt werden.

Sündenböcke der Nation

All das klingt nach einem Feldzug gegen die rund 4 Millionen Motorradfahrer in Deutschland. In seiner Begründung für den Beschluss rechtfertigt sich der Bundesrat. Aufs Wesentliche gekürzt steht dort:
"Motorradfahren  ist  für  viele  Menschen  in  der Bundesrepublik  Freizeitvergnügen  und  Hobby.  Zahlreiche  Ausflugziele  sind ... landschaftlich schön gelegen. ... Für viele  Anwohner  bedeutet  das  ...  eine  Lärmbelästigung,  wenn  Motorradfahrer  die  Geschwindigkeitsbegrenzung überschreiten  oder  auf  extralaut  getunten  Motorrädern  unterwegs  sind. Die berechtigten Interessen der Anwohner und die der Motorrad Fahrenden gilt es, in einen fairen Ausgleich zu bringen."

Bundesrat hofft auf beiderseitiges Verständnis

Hoffnung macht dabei die Ansicht des Bundesrats, dass durch "Förderung von Verständnis und Toleranz ... durch eine bundesweite Kampagne ... eine höhere Sensibilisierung erreicht werden kann."  Diese sogenannten  "weichen  Maßnahmen"  müssten aber von  wirkungsvollen  Kontrollen  und  Sanktionen  flankiert  werden. Bei eklatanten Verstößen sollen die schwarzen Schafe unmittelbar aus dem Verkehr gezogen werden, damit nicht 4 Millionen Motorradfahrer unter Streckensperrungen leiden müssen.

Noch darf man den Vorstoß des Bundestags gegen Motorradlärm als Schuss vor den Bug verstehen. Sollte der Beschluss auf Bundesebene Anklang finden und die Welle an Streckensperrungen auf Grund von Lärm erst ins Rollen kommen, bleibt abzuwarten, wie viele der derzeitigen Kurveneldorados in ein paar Jahren noch übrig bleiben.

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