M&R-PlusKalifornien, Nevada – Wüstensand

Zwischen Sand und Schnee, zwischen Bergen und tiefen Salzebenen, zwischen Einsamkeit und Glitzerwelt – in Amerika liegen die Gegensätze oft so dicht beieinander wie sonst nirgendwo,
Kalifornien, Nevada – Wüstensand
Kalifornien, Nevada – Wüstensand Schade, den Flugzeugfriedhof mitten in der Mojave-Wüste kann man nur von Weitem bestaunen. Wir wären zu gerne zwischen den Flugzeugen umhergedüst
14 Bilder
17.12.2024
| Lesezeit ca. 7 Min.
Tim & Jessy Tretter
Tim & Jessy Tretter

Vom Schotter in den Sand

Nach all dem groben Schotter und den roten Felsen der letzten Monate geht es rein in ein Dreierlei aus Sandkästen. Es gilt, Wüsten-, Dünen- und mexikanischen Tiefsand zu erfahren. Gleich drei Kaliforniens – ein US-Staat und die zwei mexikanischen „Niederkalifornischen“ Staaten (Baja California Norte und Sur) – ziehen uns in ihren Bann und belohnen uns mit allerlei Abenteuern entlang der einsamen Pazifikküste. Doch bevor wir nach Kalifornien kommen, warten noch einige der bekanntesten und schönsten Sehenswürdigkeiten der US-amerikanischen Wüste auf uns.
Grand Canyon
Das lässt tief blicken, der Blick von einem der Aussichtspunkte auf der Südseite des Grand Canyon

In den Canyons

Der Grand Canyon, wer kennt ihn nicht? Mehrere Millionen Besucher kommen jährlich, dementsprechend sind wir natürlich nicht alleine. Wir besuchen die Südseite, fahren mit dem Shuttlebus entlang des Canyon-Randes, laufen auch ein Stück, aber vor allem halten wir uns an den zahllosen Aussichtspunkten auf und schauen in die Tiefe.
Der Canyon ist schön, tief und leuchtet in tollen Farben, aber irgendetwas fehlt uns. Vielleicht liegt es an den zu hohen Erwartungen, die die wohl bekannteste Schlucht der Welt weckt, vielleicht auch an der überwältigenden Natur, die wir in den letzten Monaten von Alaska bis hierhin gesehen haben, oder vielleicht sind es die vielen Touristen, die von der Natur ablenken, aber aus irgendeinem Grund sind wir beide nicht so beeindruckt, wie wir erwartet haben. Der Canyon ist auf jeden Fall schön, aber der Wow-Effekt fehlt uns.
Antelope Canyon
Die Kombination aus filigranen Wellen im Stein, dem Licht und dem feinen Sandstaub in der Luft erzeugen ein atmosphärisch einmaliges Erlebnis im Antelope Canyon

Antelope Canyon

Also lassen wir die Nordseite aus, auch weil sie vermutlich wegen Schnee in den nächsten Tagen geschlossen wird. Wir fahren weiter und schauen, wie das nächste große Touristenhighlight in Arizona auf uns wirkt: der Antelope Canyon. Auch diesen kennt wohl jeder, wenn auch nicht unbedingt vom Namen her, aber die meisten haben vermutlich schon Bilder gesehen und wenn es nur das Windows-7-Hintergrundbild war. Leider darf man nicht mehr auf eigene Faust durch den Canyon wandern und wir werden mit einer der Gruppen, die hier im Fünf-Minuten-Takt aufschlagen, durch den berühmten Slot Canyon geschoben. Trotz des Massentourismus ist der Canyon selbst mit dem hohen, engen, wellenartigen Sandstein und dem dadurch entstehenden Lichtspiel so wunderschön und beeindruckend, dass wir immer wieder herkommen würden. Ganz im Gegensatz zum Grand Canyon ist der Antelope Canyon aus unserer Sicht ein absolutes Muss, wenn man in der Gegend ist.
Las Vegas
Der Las Vegas Strip ist für uns ein gehöriger Kulturschock nach so vielen Wochen in den abgelegenen und einsamen Ecken der USA

Von der Wüste in die Glitzerwelt

Nach dem Wüstenstaat Arizona brauchen wir dann ein wenig Abwechslung vom ganzen Sand. Weiter geht es nach Nevada. Tatsächlich erwartet uns dort aber noch mehr Sand. Und: Viva Las Vegas!
Verheiratet sind wir schon, die Hotels in Vegas würden unser Budget sprengen und die Blackjack-Zähltechnik haben wir bisher nicht gelernt, also ist Glücksspiel auch nichts für uns. Dann könnten wir Vegas auch einfach auslassen. Nein, natürlich nicht, Tim war noch nie dort und wenn man schon mal so nah dran ist, können wir uns das nicht entgehen lassen. Also wählen wir die günstigste Übernachtung und campen. Bereits 30 Minuten außerhalb der Stadt kann man super wildcampen. Natürlich im Sand. So fahren wir erst mal mit all unserem Gepäck mitten ins Leuchtreklamen-Disneyland. Im Parkhaus der Casinos kann man umsonst parken und so sind die Motorräder und all unser Hab und Gut sogar bewacht, während wir uns ins Getümmel stürzen. Die Stadt ist auf jeden Fall sehenswert, aber für uns reicht dann ein Tag und nachdem wir alles mal im Dunkeln gesehen haben, fahren wir raus zu unserem Schlafplätzchen.
Badwater Basin
Das Badwater Basin ist einer der Eckpunkte unserer Reise, der tiefste Punkt auf dem amerikanischen Kontinent

Ganz unten

Neben Las Vegas gibt es in Nevada wirklich nicht viel mehr außer Wüste, also fahren wir weiter nach Kalifornien und dort direkt ins Death Valley. Im Sommer gibt es hier regelmäßig neue Hitzerekorde. Zum Glück ist Herbst, fast schon Winter und die Temperaturen sind auf dem Motorrad absolut aushaltbar, auch im Zelt. Wir fahren durch das Tal und halten gelegentlich mal an, um uns umzuschauen. Es gibt echt schöne Gesteinsformationen hier und auch mehr Pflanzen als erwartet, wir haben es uns noch toter vorgestellt. Natürlich stoppen wir auch am tiefsten Punkt Nordamerikas und der gesamten Reise: Badwater, 85,5 Meter unter null.
Salzebene
Auf der Salzebene vom Badwater Basin bilden sich auch die typischen Polygone
Dort unten befinden wir uns zwar auch in einer Salzebene, aber die reicht nicht annähernd an die Weite und Schönheit der Bonneville-Salzebene heran. Außerdem wollten wir uns noch den Meteoritenkrater anschauen, aber leider sind nach mehreren Überschwemmungen große Teile des Nationalparks gesperrt, also fahren wir über eine kleine Offroadroute raus aus dem Nationalpark.
Mondlandschaft
Wir campen zwischen den skurrilen Felsformationen der Pinnacles und unter einem tollen Sternenhimmel

Über uns nur die Pinnacles und der weite Himmel

Wir suchen einen Schlafplatz für die Nacht und landen zufällig bei den Pinnacles, richtig schöne Gesteinsformationen, zwischen denen man nicht nur herumfahren, sondern auch campen kann. Wir haben einen riesen Spaß, natürlich wieder im Sand durch die verrückte Mondlandschaft zu fahren und uns das schönste Plätzchen auszusuchen.
Fresno
Schade, den Flugzeugfriedhof mitten in der Mojave-Wüste kann man nur von Weitem bestaunen. Wir wären zu gerne zwischen den Flugzeugen umhergedüst

Flugzeuge in der Hofeinfahrt

Weiter geht es nach Fresno. Weil Jessy als alte Hobbypilotin unbedingt mal eine Fly-in-Community sehen will. Das ist ein Stadtteil, in dem man sein Flugzeug direkt am Haus parken kann, manchmal mit Hangar neben der Garage, manchmal stehen die Flugzeuge einfach in der Hofeinfahrt. Von dort kann man dann direkt über öffentliche Straßen zur Landebahn rollen. Leider rollt gerade kein Flugzeug vor oder hinter uns, aber es ist schon echt cool, die Häuser anzuschauen und zu träumen. Und wie es der Zufall will, ist heute Halloween und in Fresno gibt es einen Häuser-Deko-Wettbewerb, wir fahren also einige der teilnehmenden Häuser ab und küren unsere persönliche Nummer eins. Natürlich schauen wir uns auch abends noch das wilde Gewusel der vielen Kinder und Erwachsenen in ihren Kostümen an.
Sequoia Nationalpark
Der Tunnel, der vor Jahrzehnten durch einen Sequoia-Baum geschnitten wurde, ist für kleinere Fahrzeuge natürlich ein Muss

Der größte Baum der Welt

Wir fahren weiter auf kurvigen Bergstrecken in den Sequoia-Nationalpark, natürlich bekannt für uns durch die Sequoia-Bäume (deutsch: Riesenmammutbäume). Also fahren wir durch den Park und bestaunen Bäume, umgestürzte, stehende, Wurzeln, zu Tunneln ausgehöhlte oder auch nur Baumscheiben, bis wir zum wohl bekanntesten Sequoia-Baum überhaupt kommen: dem General Sherman. Wow, der ist schon ziemlich beeindruckend. Der General Sherman ist der größte Baum der Welt, zumindest nach Volumen gerechnet, fast 1.500 m³. Er ist über 80 Meter hoch und sein Alter wird auf über 2.000 Jahre geschätzt.
Schnee
Schnee war eigentlich nicht geplant. Leider müssen wir den Yosemite-Nationalpark bei den Wetterbedingungen auslassen

Von der Wüste in den Schnee

Während wir vor lauter Bäumen das Wetter außer Acht lassen, fängt es an zu schneien. Es wird also allerhöchste Zeit, sich von den Riesenbäumen zu verabschieden und schnell aus dem Park und runter vom Berg zu düsen. Unten regnet es natürlich. Ein paar Tage später und mit besserem Wetter fahren wir dann doch noch einmal hoch in die Berge, zum Yosemite-Nationalpark. Wir werden aber schon direkt am Eingang von der Rangerin freundlich, aber doch mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass es keine gute Idee wäre, bei dem Wetter Motorrad zu fahren, und dass die Straßen komplett vereist seien. Aber so leicht lassen wir uns doch nicht abwimmeln, wir fahren natürlich rein – extrem langsam und vorsichtig, vor allem in Kurven, denn es ist wirklich rutschig. Die Eisschicht bedeckt die komplette Straße und wir versuchen beide, mit den Beinen am Boden die Motorräder einigermaßen senkrecht zu halten, mit dem Ziel, so kontrolliert wie möglich die Straße entlangzuschlittern. Es hat keinen Sinn. Wir geben auf. Nach nur einem Kilometer. Die Rangerin von eben grinst. Und wir bauen als Zeichen der Vorbeugung einen kleinen Schneemann aufs Motorrad und hoffen, dass das der letzte Schnee war, der unsere Reisepläne ändert.
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Kommentare (4)
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Wolfgang82
05.01.2025 13:14


Find's immer wieder beeindruckend, wie viel Abenteuer man auf zwei Rädern erleben kann. Pech mit der Technik gehört wohl dazu, aber das macht die Geschichten nur interessanter. Erholung ist wichtig, besonders nach so einem Sturz. Weiterhin eine gute Reise. Ich freue mich auf die nächsten Stories. 
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Metropolis66
31.10.2024 22:20


Als leidenschaftlicher Rollerfahrer, der auch mal von Langstreckenfahrten träumt, finde ich den Mut und die Abenteuerlust von Tim und Jessy beeindruckend. Die Entscheidung, alles hinter sich zu lassen und auf so eine epische Reise zu gehen, ist wirklich inspirierend. Es zeigt, dass das Motorradfahren mehr als nur ein Hobby ist; es ist eine Lebenseinstellung, die Freiheit und Selbstentdeckung ermöglicht. Die Vorstellung, fast den ganzen amerikanischen Kontinent zu durchqueren, weckt in mir den Wunsch, auch irgendwann meine eigenen Grenzen zu überschreiten. Besonders das Erlebnis mit dem Grizzly bei Alaska, zeigt, wie unmittelbar und intensiv die Begegnungen in der Wildnis sein können. Diese Story macht mir Mut, vielleicht doch mal eine längere Tour zu planen.
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Roadglide71
29.10.2024 10:40


Die pure Freude und Abenteuerlust, die aus jeder Zeile springt, fängt so authentisch das ein, was das Motorradfahren ausmacht – Freiheit und das Unbekannte. Einfach herrlich, diese Hingabe!
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HondaShadow
26.10.2024 13:30


crazy was die beiden erlebt haben, aber mit sandalen am gletscher is ja fast schon fahrlässig ;)  ich wünsche euch eine gute weiterfahrt und und mir mehr tolle eindrücke von eurem abentuer