Die EU möchte die Regelungen, wer Auto und Motorrad fahren darf und wer nicht, weiter vereinheitlichen. Das kann auch Vorteile mit sich bringen. So profitierte auch die B196-Klausel von einer europaweiten Gültigkeit. Es geht also um die Frage, ob Auto- und Motorradfahrer, die in dem einen EU-Land den Führerschein verlieren würden, ihn in einem anderen Land weiter benutzen können. Die Frage, ob ältere Menschen EU-weit regelmäßige Fahrtests absolvieren sollen, stellt sich deshalb, weil dies in EU-Ländern wie Italien oder Spanien bereits der Fall ist. In der Unfallstatistik liegt Italien weit hinter Deutschland zurück, Spanien ist auf Augenhöhe. Der Führerschein auf Lebenszeit, wie es ihn in Deutschland gibt, könnte trotzdem schon bald der Vergangenheit angehören. Der Vorschlag der EU lautet: Fahrtauglichkeitstests mindestens alle fünf Jahre für alle ab 70.
Ärzte unterliegen der Schweigepflicht. Sie dürfen die Polizei nur dann informieren, wenn Gefahr im Verzug ist. Ein rechtlich verbindliches Fahrverbot dürfen sie nur aussprechen, wenn eine Krankheit, wie beispielsweise Epilepsie, ein Risiko darstellt. Viele unserer Nachbarn haben bereits verpflichtende Tests, die mit unterschiedlich hoher Seriosität durchgeführt werden. Ob dies zielführend ist, muss jeder für sich entscheiden, jedoch ist eines klar: Jemand, der fahruntüchtig ist, hat auf der Straße nichts zu suchen. Dabei ist es egal, ob er betrunken, zu alt oder anderweitig eingeschränkt ist und auch ob er nicht oder nicht mehr in der Lage ist, ein Fahrzeug zu führen. Das wird in anderen Fällen nicht der freiwilligen Selbstkontrolle überlassen und sollte es auch hier nicht. Ob regelmäßige Prüfungen oder Tests mit einem Pauschalverdacht der Nichteignung für alle ab einem gewissen Alter dabei zielführend sind, darüber gehen die Meinungen von Experten in Deutschland und seinen Nachbarstaaten auseinander.
Es gibt auch 80-Jährige, die super fahren können, und 65-Jährige, die bereits Schwierigkeiten haben.“
Siegfrid Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer
In der Schweiz müssen Autofahrer über 75 im Abstand von zwei Jahren oder häufiger, wenn angeordnet, zur „Verkehrsmedizinischen Kontrolluntersuchung“.
Wer in Spanien Auto fahren will, muss ab einem Alter von 65 Jahren den Führerschein alle fünf Jahre erneuern lassen. Jüngere Fahrer müssen dies lediglich alle zehn Jahre vornehmen.
Autoführerscheine in Italien sind generell nur maximal zehn Jahre gültig. Ab einem Alter von 50 Jahren muss man sie alle fünf Jahre erneuern lassen, ab 70 alle drei Jahre, ab 80 alle zwei. Ein medizinischer Check gehört immer dazu, ab einem Alter von 80 mit dazugehörigem schriftlichem Attest.
Seit 2013 gibt es in Deutschland den neuen EU-Führerschein. Das Dokument im Scheckkartenformat gilt jeweils für 15 Jahre. Bei einer Verlängerung sind bislang keine Gesundheitschecks vorgesehen, außer für Fahrzeuglenker mit Extra-Verantwortung wie Busfahrer.
Spätestens, wenn das Wort Diskriminierung bemüht wird, hört man als Motorradfahrer besonders aufmerksam zu. Der durchschnittliche Motorradfahrer fährt genussorientiert, ist ein gesetzestreuer Tourenfahrer und genießt die Bergluft beim entspannten Dahingleiten, wird aber trotzdem zügig mit einem Motorradfahrverbot belegt und in Sippenhaftung genommen, während der Raser, der mitverantwortlich an der Streckensperrung ist, mit dem Pkw diese Route theoretisch weiter befahren darf. Für uns wäre die Möglichkeit, eine Prüfung abzulegen, die uns erlauben würde, auf allen Straßen mit den gleichen Tempolimits fahren zu dürfen, mittlerweile schon ein Fortschritt. Wenn wir die Diskriminierungskarte spielen, dann ab sofort bitte für alle Beteiligten im Straßenverkehr. Aber dafür bedarf es vielleicht eines Ministers, der selbst Motorradfahrer ist.
Die über 65-Jährigen sind gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung seltener an Verkehrsunfällen beteiligt als jüngere Verkehrsteilnehmer. Die Pläne der EU-Kommission für eine obligatorische Überprüfung der Fahrtauglichkeit alle fünf Jahre ab dem siebzigsten Lebensjahr sind deshalb völlig unverhältnismäßig und gehen an der Lebenswirklichkeit vorbei. […] Diesen massiven Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte ohne Not lehnen wir als CDU/CSU in aller Deutlichkeit ab.
CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
„Der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine neue EU-Führerscheinrichtlinie ist derzeit Gegenstand der Verhandlungen im Rat. Deutschland ist der Ansicht, dass Gesundheitsuntersuchungen bei Pkw- und Motorradfahrern nur anlassbezogen, also bei Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten für körperliche oder geistige Fahreignungsmängel, dann aber durch ausreichend qualifiziertes Personal erfolgen sollten. Dies gilt auch für Senioren. Dies hat Deutschland im Vorfeld des Richtlinienvorschlags wiederholt gegenüber der Europäischen Kommission so vorgetragen und wird diese Position auch bei den nun anstehenden Verhandlungen im Rat so vertreten.
Der Nutzen regelmäßiger Gesundheitsuntersuchungen ohne konkreten Anlass konnte für die oben genannte Fahrergruppe bislang wissenschaftlich nicht bewiesen werden. Auch die von der Europäischen Kommission initiierte Evaluation der 3. EU-Führerscheinrichtlinie kommt zu diesem Ergebnis. Die Zahlen der Unfallstatistik lassen jedenfalls für Deutschland derzeit auch nicht den Schluss zu, dass von älteren Kraftfahrern oder Kraftfahrerinnen ein erhöhtes Unfallrisiko ausgeht. Unter Berücksichtigung des jeweiligen Bevölkerungsanteils sind ältere Verkehrsteilnehmer und Verkehrsteilnehmerinnen (65 Jahre und älter) deutlich seltener Unfallverursacher als jüngere Verkehrsteilnehmer und Verkehrsteilnehmerinnen (18–24 Jahre). Bezieht man die Fahrleistung mit ein, dann ergeben sich 2020 für die Gruppe der 65+ Pkw-Fahrenden 556 Beteiligte je 1 Mrd. Fahrzeugkilometer und für die 18- bis 25-jährigen Pkw-Fahrenden 1.147 Beteiligte je 1 Mrd. Fahrzeugkilometer. Auch das fahrleistungsbezogene Risiko, als Pkw-Fahrer an einem Unfall mit Personenschaden beteiligt zu sein, ist bei den Senioren damit deutlich niedriger als bei der Gruppe der jüngeren Verkehrsteilnehmenden.“
Das BMDV teilt weiterhin mit: „Die Ratspräsidentschaft hat in der Zwischenzeit einen ersten Kompromissvorschlag vorgelegt, nach dem die Mitgliedstaaten selbst darüber entscheiden können, ob sie ab dem 75. Lebensjahr regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen oder Auffrischungskurse vorsehen. Nach dem Vorschlag in der Fassung des aktuellen Kompromisses müssen jedoch Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1, A2, A, B und BE alle 15 Jahre und über 75-Jährige alle 5 Jahre bei Erneuerung ihres Führerscheindokuments eine Selbsteinschätzung der körperlichen und geistigen Tauglichkeit abgeben.“