Die EICMA ist im Gegensatz zu vielen anderen Messen, die vorwiegend am Wochenende stattfinden, nicht auf zwei oder drei Tage Ausstellung begrenzt, viel mehr steht in Mailand die ganze Woche alles im Zeichen von Motorrädern. Los geht es für einige daher schon am Montag, wenn Hersteller bereits im Vorfeld außerhalb des Messegeländes in Mailand beginnen, ihre Neuheiten vorzustellen. In diesem Jahr war auch Royal Enfield unter ihnen, die in einem Komplex namens Flying Factory ihre Pläne zur elektrifizierten Royal-Enfield-Schwestermarke Flying Flea vorstellten.
Weiter geht es am Dienstag mit dem Pressetag, zu dem akkreditierte Journalisten Zutritt erhalten. Dementsprechend ist der Andrang an diesem Tag noch überschaubar, sodass dieser im Zeichen der Berichterstattung steht. Im Rahmen von Pressekonferenzen werden an diesem Tag auch viele neue Modelle präsentiert. Am Mittwoch wird dann das Publikum auf Fachbesucher und Händler erweitert, wobei man sagen muss, dass es sich trotz (offiziell) strenger Regularien, wie der Vorlage eines Handelsregisterauszugs oder eines Arbeitsvertrags dann doch schon eher anfühlt, als wäre es der erste Besuchertag. Auch finden am Mittwoch die restlichen Pressekonferenzen, vorwiegend von Zubehörherstellern, statt. Von Donnerstag bis Sonntag öffnen dann die Schleusen für alle Besucher, was zumeist einen ordentlichen Ansturm an Interessierten mit sich bringt. An diesen Tagen steht der Kunde im Fokus.
Jahr | Anzahl Messehallen |
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2019 | 7 |
2021 | 5 |
2022 | 6 |
2023 | 8 |
2024 | 10 |
Von den größeren Motorradherstellern blieben in diesem Jahr allein die zum Polaris-Konzern gehörende Marke Indian und die deutsche Marke Horex dem größten europäischen Branchentreffen fern. Größer denn je war die Zahl der chinesischen Aussteller.
Alle in Mailand ausgestellten Motorräder und Roller verfügen über Motoren, die auf die ab 1. Januar 2025 gültige Norm Euro 5+ ausgelegt sind; Fahrzeuge mit einer einfachen Euro5-Homologation dürfen ab Jahresbeginn neu nicht mehr zugelassen werden. Bei den meisten Modellen war diese technische Weiterentwicklung ohne Leistungseinbußen möglich, sodass sich in der Regel keine Veränderungen bei den Fahrleistungen ergeben. Die zur Norm-Erfüllung nötigen zusätzlichen Bauteile schlagen auch gewichtsmäßig nicht spürbar zu Buche. Weitere markenübergreifende Trends in Mailand sind das anhaltende Wettrüsten in der Superbike-Kategorie sowie die zunehmende Ausrüstung mit automatisierten Schaltgetrieben (bei BMW, KTM und Yamaha) sowie eine erkennbar größere Modellvielfalt in der Kategorie mit 400 bis 500 Kubikzentimetern Hubraum. Auch bei noch kleineren Fahrzeugen steigt die Zahl der Anbieter und Modelle an. Damit einhergeht eine wachsende Zahl chinesischer Fahrzeuge und Marken: Besonders aktiv sind diese bei den Scootern für den Führerschein AM und A1, in denen elektrisch angetriebene Modelle dominieren. Aber nur dort.
Die indische Marke Royal Enfield stellte ihre Strategie für die Einführung elektrisch angetriebener Zweiräder der Submarke Flying Flea („Fliegender Floh“) vor. Als erstes Modell wird Anfang 2026 die im Modern-Retro-Style gestaltete FF C6 auf den Markt kommen. Mit dem Modell Interceptor Bear stellten die Inder aber auch eine neue 650er mit dem bekannten Zweizylindermoltor vor; sie ist im Scrambler-Stil gehalten.
BMW wird im Laufe des kommenden Jahres das erste Modell einer neuen Modellfamilie mit 450-Kubikzentimeter-Zweizylinder-Motor auf den Markt bringen. Als Appetithappen stellen die Bayern ein Conceptbike vor, das aber bereits zu 95 Prozent der Serienversion entsprechen dürfte. Die Concept F 450 GS ist sofort als Mitglied der GS-Familie erkennbar und von ausgesprochen sportlicher Statur. Weiterhin sind zahlreiche in der Technik verbesserte und in der Ausstattung aufgewertete Modelle ausgestellt, darunter allein vier hochmotorisierte Tausender-Versionen mit Vierzylindermotoren.
Auf dem traditionell ganz in Rot und Weiß gehaltenen Stand von Ducati wird ein vollkommen neuer V2-Motor präsentiert, der ohne die bekannte Desmodromik auskommt. Ducati bezeichnet das 54,4 Kilogramm wiegende und 890 Kubikzentimeter große Aggregat als das leichteste der Firmengeschichte, die Leistung soll je nach Ausführung 115 oder 120 PS betragen. Das neue Aggregat mit einem Zylinderwinkel von 90 Grad weist eine variable Ventilsteuerung auf und soll in mehreren Modellen eingesetzt werden.
MV Agusta, im nahen Varese beheimatet und seit zwei Jahren im Mehrheitsbesitz von KTM, macht mit zwei Neuheiten auf sich aufmerksam. Bei den leistungsorientierten Italienern kommt insbesondere die extrem sportliche F3 Competition mit dem 800 Kubikzentimeter großen Dreizylindermotor groß raus: Von dem 160 PS leistenden Sportbike sollen lediglich 300 nummerierte Exemplare gebaut werden. Der Preis ist noch nicht bekannt. Neu sind sechs „Ottantesime“-Sondermodelle, vier mit dem 800-Kubik-Dreizylindermotor und zwei mit dem Tausender-Vierzylinder.
Auch die Piaggio-Gruppe mit den Marken Aprilia, Moto Guzzi, Piaggio und Vespa nutzt die EICMA für einen großen Auftritt. Die höchsten Stückzahlen der vielen Neuheiten wird zweifellos die Vespa GTS 310 erreichen, nicht nur in Deutschland der beliebteste Roller aus Italien. Der Hauptunterschied zum Vormodell GTS 300 liegt in einem vollkommen neuen Motor mit 50 Kubikzentimetern mehr Hubraum und etwas höherer Leistung. Der neue Motor wird außer in der Vespa 310 auch im Piaggio-Roller Beverly 310 und im dreirädrigen Piaggio MP3 310 verwendet.
Die bedeutsamsten Entwicklungen jenseits des Vespa-Einzylinders finden sich bei Aprilia. Zur sportlichen RS 457 gesellt sich neu die Naked-Version Tuono 457. Deren Fahrwerk ist auf Agilität ausgelegt, was auch durch das geringe Trockengewicht von 159 Kilogramm betont wird, sodass das fahrfertige Bike dicht am A2-Mindestgewicht von 175 Kilogramm liegen dürfte. Um ein Vielfaches an Leistung geht es bei den Aprilia-Modellen Tuono V4 und dem Supersportler RSV4. Sowohl deren Basisversionen als auch die nochmals hochwertigeren „Factory“-Varianten werden vollkommen neu eingekleidet, leistungsgesteigert und mit neuen Technik-Features auf Vordermann gebracht. Die Spitzenleistung der 2025er Tuono V4 steigt von 175 auf 180 PS, bei der RSV4 werden aus 217 PS nun 220 PS, womit sie das nominell stärkste Superbike des gesamten Marktes darstellt.
Bei Moto Guzzi kehrt die Version Sport in die Modellreihe V7 zurück; die neue V7 Sport ist technisch stark aufgerüstet worden. Die V100 Mandello S, ohnehin mit einem semiaktiven Fahrwerkssystem schon füllig ausgestattet, weist künftig zusätzlich das radarbasierte Assistenzsystem PFF auf.
Im Italjet-Projekt 700er Dragster umhüllt ein radikaler Gitterrohrrahmen einen 700 Kubikzentimeter großen Zweizylinder-Reihenmotor, dessen Leistung die Italiener mit 51 KW/68 PS oder – für A2-Piloten – 35 kW/48 PS angeben. 14.900,-- Euro soll das rattenscharfe Gefährt kosten, das ganz in der Tradition der 125er-Roller der Marke gehalten ist.
Der Schwerpunkt der österreichischen Marke KTM liegt auf den Modellen mit dem 1350 Kubikzentimeter großen V2-Motor des Typs LC8. Ihn weisen die neue 1390 Super Duke GT wie auch die Reiseenduro 1390 Super Adventure S auf. Doch es gibt mit der rennstreckenaffinen 990 Duke R zudem ein weiteres Modell mit dem Einliter-Reihenzweizylindermotor. Erstmals zu sehen ist in Mailand auch das neue automatisierte Schaltgetriebe AMT, das schon ab Frühjahr in mehreren KTM-Modellen zu haben sein wird.
KTM-Tochter Husqvarna baut ihr Modellprogramm mit einer zweiten Achthunderter weiter aus; zur scramblerartigen 801 Svartpilen kommt jetzt das Naked Bike 801 Vitpilen dazu. Damit gibt es je zwei weiße und zwei schwarze Pfeile in den Hubraumklassen 400 und 800 Kubikzentimetern.
Honda, nach wie vor volumenstärkster Zweiradhersteller der Welt, präsentierte in Mailand das hochmotorisierte Naked Bike CB1000 Hornet als zweites Mitglied der Hornet-Familie sowie die deutlich modifizierten Groß-Scooter X-ADV und Forza 750. Darüber hinaus ist eine weiterentwickelte Version des Tourers NT1100 mit dezenten optischen Änderungen zu sehen.
Erstmals live zu waren bei Kawasaki in Mailand der Tourer Kawasaki Versys 1100 und der Sporttourer Ninja 1100SX. Das Retro-Modell Z900RS SE wird künftig besser ausgestattet. Zudem wird die in Deutschland bestens verkaufte Z900 technisch neu aufgestellt: Sie erhält zusätzliche Assistenzsysteme, ein Fünfzoll-TFT-Display und diverse optische Änderungen. Eine Motor-Überarbeitung soll bei gleicher Leistung einen um 16 Prozent reduzierten Verbrauch zur Folge haben.
Suzuki lässt mit einem Fahrzeug aufhorchen, das auf den ersten Blick ein „Allerweltsmotorrad“ zu sein scheint, nämlich der DR-Z 4. Die Modellbezeichnung ist eine alte, die beiden Bikes sind taufrisch. Es gibt sie in den Versionen S und SM. Während das S vermutlich für Sport steht, sehen wir die SM-Version in der Ecke der Supermotos angesiedelt. Angetrieben werden beide Varianten vom selben 400-Kubik-Einzylinder-Motor, der bei 8000 Kurbelwellenumdrehungen 28 kW/38 PS generiert. Das Triebwerk weist drei wählbare Mappings auf, das Gewicht der Bikes liegt je nach Ausführung zwischen nur 150 und 155 Kilogramm. Auf recht grobstolligen Straßenreifen rollt die S, auf Low-Profile-Pneus die SM.
Yamaha stellte neben seinem neuen automatisierten Schaltgetriebe Y-AMT eine überarbeitete Version des Sport-Scooter TMAX vor. Überarbeitet wurden für 2025 auch die beiden Tracer 9-Modelle und das zur unteren Mittelklasse zählende Nakedbike MT-07; alle sowie die Tracer 7 sind wahlweise mit dem automatisierten Schaltgetriebe Y-AMT erhältlich. Bei der Tracer 9 GT+ ist Y-AMT serienmäßig installiert. Eine tiefgreifende Modellpflege wurde der Reisenduro Ténéré 700 zuteil; sie erhält neben einer neuen Motorsteuerung neue Assistenzsysteme, eine neue Verkleidung und ein höherwertiges Fahrwerk. Zudem gibt es neu die anspruchsvollere Version Rally. Erstmals zu sehen ist in Mailand die Sportmaschine Yamaha R9.
Triumph zeigte auf der EICMA das Nakedbike Trident 660, die touristisch orientierte Tiger Sport 800 und verschiedene Icon-Editionen; es gibt sie von der Scrambler 1200 X, der Scrambler 900, der Bonneville T 120, der Scrambler 1200 XE und der Bonneville Bobber sowie von der Bonneville Speedmaster.
Harley-Davidson scheint nach der Markteinführung der neuen Grand-Touring-Modelle Street Glide 117 und Road Glide 117 sein Pulver erst einmal verschossen zu haben; Neuheiten sind jedenfalls nicht zu entdecken. Aber allein die Anwesenheit der US-Traditionsmarke ist für die EICMA bemerkenswert.
Die US-Elektromarke Zero weitet ihr Modellangebot nach unten aus. In Mailand sind die offroadaffinen Modelle XE (passend für den Führerschein A1) und XB (passend für den Führerschein AM) neu zu sehen. Zero bezeichnet beide Fahrzeuge als ersten Schritt der jetzt beginnenden „All-Access“-Initiative; damit soll der Einstieg in die zweirädrige E-Mobilität erleichtert werden, wofür günstigere Preise Voraussetzung sind. In den kommenden beiden Jahren will Zero sechs neue Modelle mit Preisen von unter 10.000,-- Euro auf den Markt bringen. Zero sieht die in Deutschland ab 4.400,-- Euro kostende XB und die ab 6.400,-- Euro erhältliche XE als Vorreiter dafür. Die Modelle der Zero X-Linie werden als Trailbike eingestuft und sollen auch für den Stadtverkehr geeignet sein. Ihre Akkus sind austauschbar. Beide Bikes sollen im Sommer 2025 zur Auslieferung kommen.