Ducati Offroad Experience – Mit 170 Pferden durch den Steinbruch

Die Offroad Experience ermöglicht Enduro-Frischlingen, mit der DesertX sowie der Multistrada V4 einen Tag im Dreck zu spielen. Wir waren dabei.
Ducati Offroad Experience – Mit 170 Pferden durch den Steinbruch
Ducati Offroad Experience – Mit 170 Pferden durch den Steinbruch Zusammen mit dem Enduro Action Team fand 2023 im Lossatal östlich von Leipzig die erste Ducati Offroad Experience statt
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25.12.2023
| Lesezeit ca. 10 Min.
Reiseenduros gehören zu den meistverkauften Motorrädern in Deutschland, abseits asphaltierter Straßen werden sie aber kaum bewegt. Ducati Deutschland bietet mit der Offroad Experience eine Veranstaltung für diejenigen, die das ändern wollen. Ein eigenes Motorrad braucht man dafür nicht. Ein Selbstversuch.
Zusammen mit dem Enduro Action Team fand 2023 im Lossatal östlich von Leipzig die erste Ducati Offroad Experience statt
Zusammen mit dem Enduro Action Team fand 2023 im Lossatal östlich von Leipzig die erste Ducati Offroad Experience statt
Schule, Studium, Arbeit – mein Leben verlief bisher mehr oder minder in geregelten Bahnen. Auch in Sachen Zweirad spielte sich bis dato alles auf asphaltierten Pfaden und damit unter kontrollierten Bedingungen ab. Gut, ich gebe zu: Hundert Prozent unter Kontrolle war vielleicht nicht immer alles, dafür hat schon der eine oder andere Ausflug auf die Rennstrecke gesorgt. Wenn man sich aber diejenigen anschaut, die bei regelmäßigen Ausflügen ins Gelände auf Enduro-Motorrädern die Herausforderung des Unerwarteten suchen, geht es bei einem Renntraining und selbst unter Rennbedingungen doch recht kalkulierbar zu. Die Richtung ist immer die gleiche und auch die zu befahrende Strecke ist vorgegeben. Eine Schotterpassage gibt es hier nur, wenn es zu einem unfreiwilligen Ausritt ins Kiesbett kommt. Ich muss aber auch gestehen, dass mich die Freiheit, die mit dem Endurofahren einhergeht, schon einige Jahre reizt. Einzig die passende Gelegenheit hat bisher gefehlt. Eine Einladung von Ducati, die Multistrada V4 Rally und die neue DesertX im Rahmen der ersten Ducati Offroad Experience in Deutschland abseits öffentlicher Straßen zu bewegen, hat das jetzt glücklicherweise geändert.

Ein Steinbruch als Spielplatz


Während man sich in einigen europäischen Ländern mit dem Motorrad nicht nur abseits regulärer Straßen, sondern sogar querfeldein fortbewegen darf, verhält sich die Sache mit dem Endurofahren hierzulande nicht ganz so einfach. Wer legal seine ersten Fahrversuche im Dreck wagen will, braucht entweder eigene Ländereien oder muss sich an einen der spezialisierten Anbieter von Offroad-Trainings wenden. Genau das hat man bei Ducati getan und für das optimale Enduroerlebnis mit den offroadtauglichen Bikes der Marke das Gelände des Enduro Action Teams gewählt. Das Team rund um Gründer Robert Loschütz und Ex-Supermoto-Weltmeister Bernd Hiemer betreibt gut dreißig Minuten östlich von Leipzig einen der bekanntesten und größten Enduroparks der Republik. In und rund um einen alten Steinbruch kann man sich hier auf einer Fläche von 130 Hektar austoben. Die Betonung liegt hier aber ganz klar auf dem Wort „kann“. Denn während die meisten Fahrer und Fahrerinnen ihr Zweirad auf befestigtem Untergrund einigermaßen im Griff haben, warten hier neben Feldwegen auch Wiesen, Schotter- und Kiespassagen sowie Wasserdurchfahrten darauf, unter die Räder genommen zu werden. Dabei ist in der Regel nicht das Material der limitierende Faktor, wie ich schnell feststellen sollte.
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Anders als gedacht

Reiseenduros wie die Ducati Multistrada V4 gehören zu den beliebtesten Motorrädern der Deutschen und obwohl sie neben Komfort und Langstreckentauglichkeit auch beachtliche Offroadqualität mitbringen, sieht die Mehrzahl der verkauften Bikes maximal einen unbefestigten Parkplatz oder Feldweg. Die Grundidee hinter dem Konzept des Enduro Action Teams und der Ducati Offroad Experience ist daher die gleiche. Reiseenduro-Fans sollen in einem sicheren Rahmen die Möglichkeit erhalten, unter der kundigen Anleitung zertifizierter Trainer erste Offroaderfahrungen zu sammeln und sich die nötigen Techniken anzueignen. Dabei ist der Besitz eines entsprechenden Motorrads keine Voraussetzung und im Rahmen des Partnerprogramms stehen die Ducati DesertX und die Multistrada V4 S vor Ort ganzjährig als Leihfahrzeuge zur Verfügung. Noch besser haben es die Teilnehmenden der Ducati Offroad Experience, in deren Programm auch die Multistrada V4 Rally als Testmotorrad zur Verfügung steht.

Ducati Multistrada V4 Rally und DesertX
Neben der Multistrada V4 S stehen im Rahmen der Ducati Offroad Experience auch die Multistrada V4 Rally und die DesertX zur Verfügung
Dass es bei einem Endurotraining etwas anders zugeht als bei einer Fahrsicherheits- oder gar Rennstreckenveranstaltung, zeigt sich relativ schnell. Denn nach den Formalien wie Haftungsverzicht, Fahrzeugübergabe und Einweisung beginnt der offizielle Teil des Einsteigertrainings nach nur wenigen Fahrkilometern Richtung Enduropark abseits des Motorrads. Schon der Weg zum Trainingsgelände fühlt sich etwas anders an. Denn während die Sitzposition auf einer Reiseenduro aufgrund des breiten Lenkers sowie der hohen Sitzbank aufrecht und entspannt ausfällt, erinnert die auf der Multistrada V4 Rally aus dem Ducati-Fuhrpark fast an die auf einem Chopper oder Cruiser. Die einstellbare Sitzbank der Multistrada V4 Rally hat in der Standardvariante zwar eine Mindesthöhe von 870 Millimetern, der Lenker des Leihbikes ist aber spürbar höher und nach vorn gedreht. Bevor Bernd Hiemer, der Trainer unserer dreiköpfigen Einsteigergruppe, das Geheimnis um den Lenker lüftet, werden wir in weitere Eigenheiten des Trainings eingeweiht. Denn bevor es auf dem Motorrad losgeht, stehen Aufwärm-, Koordinations- und Reaktionsübungen an.
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Stehen will gelernt sein

Offroad fährt man in der Regel stehend, die richtige Position will aber gelernt sein
Offroad fährt man in der Regel stehend, die richtige Position will aber gelernt sein
Im nächsten Schritt dürfen wir als Enduro-Neulinge zwar wieder aufs Motorrad, statt der ersten Fahrübung steht aber die richtige Fahrposition auf dem Programm. Denn während man auf der Straße problemlos mehrere Hundert Kilometer im Sitzen fahren kann, ist für sicheres Fahren im Gelände eine stehende Position unabdingbar. Oberkörper leicht nach vorn, lockere, leicht angewinkelte Arme, fast durchgestreckte Beine. So macht auch die anfangs eigenartige Lenkerposition Sinn. Für bessere Kontrolle bei Fahrten im Stehen lässt sich der Lenker der Multistrada in eine Offroadposition drehen, die Markierungen für den Straßen- und Enduroeinsatz sind ab Werk vorhanden. Mit diesem Wissen geht es auf die ersten, unsicheren Runden. Dass nicht mal langsames Fahren im Stehen einfach ist, zeigt sich nicht nur an den Korrekturanweisungen von Meister Hiemer, sondern auch am unruhigen Fahrverhalten des Motorrads. Das liegt aber nicht an den nominell 170 PS des Multi-Aggregats, sondern am ungelenken Versuch der Fahrer, die Kraftentfaltung ausschließlich über die Gasgriffstellung und die kupplungsfreie Gangwahl via Blipper zu steuern. Wir lernen: Der erfahrene Endurist hat für diese Aufgabe immer zwei Finger an der Kupplung. Das erleichtert nicht nur ungemein die Dosierung der Kraftentfaltung und unterbindet harte Lastwechsel. Sollte tatsächlich einmal der Abgang nach hinten durch zu viel Gas drohen, zieht man so auch automatisch die Kupplung und verringert den Vortrieb. Wichtige Sicherungsmaßnahme und die Basis für Lektion Nummer 2: Kurven fahren.
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Willste links, musste rechts

Beine, Arme und Finger wissen jetzt also theoretisch, was sie zu tun haben. Und tatsächlich machen sich nach der ersten halben Stunde Entspannung und auch ein Lächeln unter dem Helm breit. Will man im Gelände aber auch beim Kurvenfahren den gut gelaunten Gesichtsausdruck behalten, bedarf es einer speziellen Kurventechnik. Denn während man im Straßenverkehr in der Regel sitzt und das Motorrad in die Kurve legt, führt diese Technik auf losem Untergrund eher früher als später in die Horizontale. Will man den Radius sicher und eng durchfahren, muss der Schwerpunkt immer über dem Motorrad bleiben. Die Lösung beim Fahren im Stehen: Lenkimpuls über die kurveninnere Raste einleiten, um anschließend bei eingeschlagenem Lenker den Körper nach vorn und das Gewicht auf die äußere Raste zu verlagern. Et voilà: Der Schwerpunkt bleibt mittig über dem Motorrad. Was sich schon etwas steif liest, fühlt sich auch im Fahrbetrieb anfangs absolut ungelenk an. Zur Übung wird der gut zwei Kilometer lange Weg zur ersten Pause in Schlangenlinien gefahren und dabei immer versucht, das Motorrad in den Bereich zu bringen, in dem die Räder beginnen wegzurutschen. Aber Moment mal: Wiegt die Multistrada Rally mit dem 30-Liter-Langstreckenreservoir vollgetankt nicht 260 Kilogramm und ist das dann nicht anstrengend und gefährlich? Mitnichten. Tatsächlich ist die Erkenntnis, wie einfach sich so eine große Reiseenduro mit der richtigen Technik kontrollieren lässt, die überraschendste Erkenntnis der ersten Trainingseinheiten.

Mehr Gas, mehr Spaß

Nach der typisch italienischen Cappuccino-Pause in der schicken Ducati-Hospitality geht es wieder zurück zum bereits bekannten Übungsplatz. Für Abwechslung ist hier aber ständig gesorgt, da Premiumguide Bernd immer einen etwas anderen Streckenverlauf über das riesige Übungsgelände wählt. Auch zwischen den einzelnen Einheiten geht es zur Auflockerung immer wieder hinter Bernd durch die Botanik. Das sorgt zum einen dafür, dass man das Gelernte direkt unter realen Bedingungen anwenden kann, und zeigt zum anderen, wie abwechslungsreich und weitläufig die Anlage ist. Von asphaltierten Zufahrtswegen bis Singletrails und von tiefen Wassergräben bis steilen Schutthalden ist hier alles dabei. Letztgenannte sind zwar nicht Teil des eintägigen Einstiegskurses, der sich fortwährend ändernde, lose Untergrund fordert aber ständige Aufmerksamkeit, liefert allerdings auch fortlaufend kleine Erfolgserlebnisse.

Durch das wachsende Selbstvertrauen kommt man dann auch immer wieder in den Regelbereich der unauffällig arbeitenden Elektronik an den Ducati-Leihmotorrädern. Während man bei der Multistrada aus vier Riding Modes (Sport, Touring, Urban und Enduro) wählen kann, stehen bei der DesertX mit den zusätzlichen Modi „Wet“ und „Rally“ sogar sechs Optionen zur Verfügung. Obwohl beide Motorräder über mindestens einen offroadtauglichen Modus verfügen, startet man im Touring-Modus in den Tag. Das ist vor allem bei der Multi erstaunlich, da hier theoretisch die vollen 170 PS abrufbar sind. Die Erklärung liegt in der vorkonfigurierten Einstellung der Assistenzsysteme. So ist die Gasannahme im Touring-Modus weich, die Empfindlichkeit von Traktions- und Wheeliekontrolle ist hoch, und auch das Kurven-ABS arbeitet auf der sichersten Stufe. Bei der DesertX ist zusätzlich noch die Leistung des 937 Kubikzentimeter großen Testastretta-11°-Motors auf 95 PS reduziert.
Wer kann, der kann: Airtime mit 260 Kilo fahrfertig – das semiaktive Skyhook-Fahrwerk der Multistrada V4 Rally erkennt die Flugeinlage und passt die Dämpfung für die Landung automatisch an
Wer kann, der kann: Airtime mit 260 Kilo fahrfertig – das semiaktive Skyhook-Fahrwerk der Multistrada V4 Rally erkennt die Flugeinlage und passt die Dämpfung für die Landung automatisch an
Ist die konservativ regelnde Elektronik zu Beginn des Trainings ein absoluter Zugewinn bei der Sicherheit, verhindert sie aber – die richtige Fahrtechnik vorausgesetzt – maximale Verzögerung und Beschleunigung. Bevor man beim Training des Enduro Action Teams auf der Multistrada in den Enduromodus (Leistung auf 115 PS reduziert, Traktionskontrolle, Wheeliekontrolle und ABS auf niedrigster Stufe, Skyhook-Fahrwerk im Gelände-Modus) und auf der DesertX gar in den Rally-Modus (volle Leistung, direkte Gasannahme, Wheeliekontrolle aus, geringe Empfindlichkeit der Traktionskontrolle, ABS auf Stufe eins und sogar abschaltbar) wechseln darf, stehen zuerst wieder die nötigen Körperpositionen und Bewegungsabläufe auf dem Lehrplan. Wie bei jeder Einheit erklärt Coach Bernd Hiemer die Zusammenhänge mithilfe von gut nachvollziehbaren Beispielen und veranschaulicht die nötige Technik in entsprechenden Fahrsituationen.

Einmal mit allem

Und es funktioniert. Trotz zusätzlicher kognitiver Verwirrung durch den Wechsel von der Multistrada V4 Rally auf die DesertX nach der Mittagspause nimmt der Spaßfaktor mit jedem gefahrenen Meter zu. Dabei zahlt hier nicht nur das neue Fahrkönnen auf das positive Erlebnis ein. Vor allem die Beschleunigungs- und Bremsübungen zeigen, was auch auf losem Untergrund an beeindruckender Verzögerungsleistung möglich ist und dass viel Schlupf am Hinterrad und Bewegung im Motorrad nicht verunsichern müssen, sondern sogar Spaß machen können.
Für optimales Verzögern ist auf losem Untergrund ein blockierendes Hinterrad in der Regel von Vorteil
Für optimales Verzögern ist auf losem Untergrund ein blockierendes Hinterrad in der Regel von Vorteil
Dass man dennoch demütig im Umgang mit der Technik und vor allem bei der Einschätzung seiner Fähigkeiten nach nur einem Trainingstag sein sollte, bekommt man in der letzten Session des Tages auch noch vermittelt. Zwar gibt es nach jeder Übungseinheit die angesprochene Trainingsrunde über das Gelände, die Abschlussrunde hat es dann aber noch mal richtig in sich. Hier warten dann noch mal die unterschiedlichsten Bedingungen, die den Einsatz aller erlernten Elemente erfordern. Der finale Durchgang entlang eines streckenweise sehr engen und winkeligen Singletrails ist auch so gestaltet, dass die unterschiedlichsten Herausforderungen kurz nacheinander folgen. Ein intensiver Abschluss, der am Ende noch mal volle Konzentration fordert und mit maximalem Endorphinausstoß belohnt.

Steile Lernkurve auf großen Motorrädern

Offroad-Erlebnis mit Ducati

Das erste Mal offroad und dann gleich auf Groß-Enduros wie der Multistrada V4 Rally und der DesertX?

Vor der Ducati Riding Experience habe ich mich tatsächlich gefragt, ob das der richtige Einstieg ist. Umso erstaunlicher ist die Erkenntnis, wie einfach sich so ein Motorrad bei auch sehr niedrigen Geschwindigkeiten und abseits befestigter Straßen beherrschen lässt. Wichtige Voraussetzung ist aber, dass man den Straßenfahrstil hinter sich lässt und die fürs Gelände nötige Fahrtechnik nutzt. Startet man ohne Erfahrung, ist wie so oft im Leben der einfachste und schnellste Weg zum Erfolg der, auf dem man sich fachkundige Hilfe holt. Im Fall der Ducati Riding Experience erleichtern aber nicht nur die Trainer des Enduro Action Teams den Einstieg. Als moderne Reiseenduros kommen die DesertX und die Multistrada-Modelle nicht nur technisch spielend mit den Anforderungen klar, die ausgefeilte Elektronik unterstützt Enduro-Novizen auch dabei, sich neue Fahrtechniken anzueignen und die eigenen Grenzen dabei sicher und entspannt zu verschieben. Eine steile Lernkurve und jede Menge Fahrspaß sind so garantiert.

Die Trainer des Enduro Action Teams

Wie weit man dabei auf den Motorrädern gehen kann, stellen die Trainer des Enduro Action Teams mit den Motorrädern regelmäßig mit Stunteinlagen wie spektakulären Sprüngen, Wheelies und Drifts unter Beweis. So weit ist man nach dem Einstiegstraining der Ducati Offroad Experience zwar noch nicht, die Infektion mit dem Endurovirus ist aber garantiert. Zum Glück gibt es auch Trainings für Fortgeschrittene.
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