Alle zwei Jahre veranstaltet der MSC Pforzheim eine Winterfahrt durch den Schwarzwald. Dafür reisen Fahrer aus der gesamten Republik und aus der benachbarten Schweiz an.
Geruch von Frittierfett hängt in der Luft, Motorradjacken über den Stuhllehnen, an den Tischen wird bei handfestem Essen gefachsimpelt und mittendrin schwelgt Caruso in Erinnerungen: „Wenn man einmal gewonnen hat, dann will man das nochmal!“, sagt er grinsend und seine Augen funkeln beim Erzählen. Dieses Jahr hat es nicht geklappt, aber 1976, da war Caruso, der mit bürgerlichem Namen Hermann Josef Foitzik heißt, Gesamtsieger der internationalen Schwarzwald-Winterfahrt des Motorrad-Sport-Clubs Pforzheim. Im Raum Köln, wo Caruso herkommt, kenne das kein „Schwein“. Über Freunde habe er damals von der Fahrt erfahren und ist seitdem bei fast jedem Rennen dabei gewesen. „Eine solche Rallye gibt es nicht sehr häufig in Deutschland“, erörtert er und Thomas Wein, Sportleiter des MSC nickt zustimmend. Da wären noch das Elefanten- und das Büffeltreffen, allerdings seien Aufgaben und Reglement dabei etwas anders. Kein Wunder also, dass selbst Fahrer aus dem Teutoburger Wald oder aus der Schweiz anreisen, um hier dabei zu sein.
Vielleicht, sagt Caruso, gebe es für solche Winterfahrten einfach zu wenig Klientel. Nicht jeder habe schließlich Lust, sich den Unannehmlichkeiten und Herausforderungen, die das Winterwetter mit sich bringen kann, zu stellen. Obwohl ja genau das den besonderen Reiz ausmacht!
Die Route muss jeder selbst planen
Die 85 gemeldeten Fahrer der 29. Winterfahrt des MSC hätten es an diesem Wochenende allerdings kaum besser treffen können. Um kurz nach sechs macht zwar die Luftfeuchtigkeit noch etwas zu schaffen, dafür entschädigen aber die ersten Sonnenstrahlen, die sich wenig später durch die Bäume am Kaltenbronn ins Tal schleichen und für den Rest des Tages bleiben werden, reichlich. Acht Kontrollpunkte stehen auf der Liste in diesem Jahr, die von Großglattbach im Enzkreis über die Schwäbische Alb bis hinunter nach Grafenhausen nahe des Schluchsees führen. Ziel am Nachmittag ist das Clubhaus des Kleintierzüchtervereins in Schömberg Schwarzenberg. Ab sechs Uhr darf gefahren werden. Wer um 15.30 nicht im Ziel angekommen ist, hat noch eine weitere Stunde Karenzzeit. Allerdings gibt es pro angefangene fünf Minuten 20 Strafpunkte, die von der Wertung abgezogen werden. Wer dann noch immer nicht da ist, fliegt raus. Zusatzpunkte kann man sich bei den Kontrollposten, etwa mit Rätseln oder Schätzaufgaben, verdienen. An diesem Samstag sitzen Markus Klingel und Tim Wein seit etwa halb sechs in der Früh an einer engen Dorfstraße in einem Weiler bei Gernsbach und warten auf Fahrer. In den VW-Bus, der den beiden Streckenposten als Aufenthaltsraum dient, haben sie einen Stromanschluss für die Heizung gelegt – ein Nachbar spendiert ihn. Erreichbar sind die beiden über eine verschneite Steige mit tiefen, teils vereisten Spurrillen oder die geräumte Dorfstraße – die Fahrer haben hier ebenso die Wahl wie bei der Ausarbeitung ihrer ganz individuellen Gesamtroute.
Neben einem Stempel für die Bordkarte gibt es zehn Fragen zu beantworten: Wann hat Orkan „Lothar“ gewütet? Wann wurde das Motorrad erfunden? Oder in welchem Jahr fand das Eröffnungsrennen am Hockenheimring statt? Nebenan kräht ein Hahn, ein paar Meter weiter kauen einige Alpacas genüsslich auf ihrem Heu – winterliche Landidylle, in der sich die beiden die Zeit vertreiben, bis das nächste Team eintrifft.
Gespräche zwischen Bikern und Bauern
Die überwiegende Mehrheit in diesem Jahr ist im Gespann unterwegs, daneben haben sich aber auch ein paar Endurofahrer allein auf die Piste gewagt. Weit ab vom Schuss in Bad Griesbach treffen wir auf einen schweigsamen Schweizer. Auf dem Bauernhof Paschenpeter setzt er gerade seinen Helm wieder auf und macht sich bereit, weiterzufahren. Es ist gerade elf Uhr am Morgen, aber er hat nur noch zwei Ziele vor sich, wie er sagt. Und schon ist er wieder verschwunden. Andere haben es weniger eilig und nutzen die Gelegenheit, ein Stück selbst gebackenen Kuchen von der Chefin des Hauses zu genießen und sich fachmännisch auszutauschen oder die interessierten Fragen von Bauer Paschenpeter zu den Maschinen und den Strecken zu beantworten. Manfred Lessings Maschine erntet dabei besonders viele bewundernde Blicke. Gerade ist er von einer Fahrt durch Marokko zurückgekehrt und hat sich heute mit seiner 1400er Suzuki als Journalisten-Chauffeur zur Verfügung gestellt. Wie die anderen rund 30 Helfer scheut sich auch er nicht, jede Menge Zeit und Herzblut für die Rallye einzusetzen, auch wenn er am nächsten Morgen geschäftlich nach Polen muss – und längst nicht alles vorbereitet ist.
Die Gelegenheit, mit anderen Motorradliebhabern zusammenzutreffen und sich auszutauschen, lässt er sich nicht nehmen. „Beim nächsten Mal machen wir vielleicht einfach einen Kontrollposten auf meinem Hof“, überlegt er schmunzelnd und beschließt, dass die Teilnehmer dann als Zusatzaufgabe in einer bestimmten Zeit einen Parcours durchfahren müssten. Für die genaueren Planungen aber hat er noch zwei Jahre Zeit, denn der MSC richtet die Winterausfahrt seit nunmehr 16 Jahren nur noch im Zweijahresrhythmus aus. So haben die Clubmitglieder Gelegenheit, bei der Dreiländerfahrt rund um Basel mitzumachen. Auch im Gegenzug nehmen die winterharten Fahrer aus der Schweiz die Gelegenheit gerne wahr und kommen übers Wochenende in den Schwarzwald. Zehn von ihnen haben es in diesem Jahr geschafft und räumen bei der Siegerehrung so einiges ab. Auf dem Hof vor dem Kleintierzüchterheim sind die Meinungen derweil plötzlich gespalten. Schuld daran ist eine Ducati 750 Super Sport. „Ein Sammlerstück“, sagt Manfred bewundernd und ergänzt, dass so mancher hier der Überzeugung sei, dass so eine Maschine bei dem Wetter nicht auf die Straße gehöre – viel zu schade! Von den Abgasen schwarz gefärbte Schneereste kleben auf dem Schweizer Nummernschild, das gerade so noch zu entziffern ist.
Mit viel Spaß Gutes tun
Ein paar Meter weiter entdeckt er eine BMW HP2. Wie bei den meisten Maschinen wurde auch hier kräftig selbst Hand angelegt und dieses und jenes auf die individuellen Bedürfnisse der Fahrer angepasst. Bis auf den Rahmen und den Motor hat auch Peter Krause im Grunde alles verändert, erzählt er, als Caruso gerade auf den Hof knattert und flucht. Weil die Maschine trocken gelaufen ist, hat es auch in diesem Jahr nicht gereicht. Den Lorbeerkranz hängt Vorstand Bruno Norta an diesem Abend Sebastian Benz um, der mit seiner MZ TS 250 1047 Punkte nach Hause gefahren hat und es kaum glauben kann. Gutes haben am Ende alle getan, denn die Hälfte der Startgelder spendet der Verein traditionell an die Kinderklinik Schömberg, wie Norta verrät, ohne großes Aufsehen darum zu machen. Spaß und Wohltätigkeit, das gehört für ihn eben zusammen.