Testbericht Honda ADV350 – X-ADV geteilt durch zwei

Honda schickt sein meistverkauftes Motorrad in Europa jetzt auch als Midsize-Roller an den Start. Basis ist der Forza 350. Erste Fahreindrücke aus Sizilien.
 Zep Gori, Ciro Meggiolaro


Rund 44.000 X-ADV hat Honda seit der Markteinführung in 2017 verkauft. Mit rund 10.000 Einheiten war der SUV-Scooter 2021 das meistverkaufte Motorrad von Honda in Europa. In Deutschland mag das verwundern, weil man die Kreuzung aus Adventure-Bike und Maxiroller vergleichsweise selten sieht. Im Süden Europas hingegen – vor allem in Italien, wo er auch designt wurde – ist der kernige X-ADV schwer angesagt. Und Honda Marktführer im Rollersegment. 

Modifiziertes Fahrwerk mit USD-Gabel

Honda ADV350 Cockpit
Die Kommandozentrale des Honda ADV350: breiter Lenker im Adventure-Style, mehrfach verstellbarer Windschild, Negativ-Display aus dem Konzernregal

Die Idee, den Look der transformierten NC 750 X auf den erfolgreichen Midsize-Scooter Forza 350 zu übertragen, ist daher ebenso schlüssig wie Erfolg versprechend. Der erste Fahreindruck im Großraum Marsala bestätigt das: Der ADV350 – das „X“ m Modellnamen spart sich Honda mangels ernsthafter Offroad-Ambitionen des Rollers – fährt erwartet komfortabel und souverän. 125 Millimeter Federweg vorn, 130 mm hinten, dazu 14 mm mehr Bodenfreiheit (145 mm) bei 15 mm mehr Sitzhöhe (795 mm) – die Fahrwerksmodifikationen bekommen dem Forza-Ableger ganz vorzüglich. Die 33-mm-Telegabel weicht einer 37-mm-Upside-down-Gabel. Schotterwege schluckt der ADV350 somit souverän.

Halb so viel Leistung, halb so teuer

Zackige Front: LED-Scheinwerfer sind Serie, die kurzen Blinker kennt man von X-ADV

Optisch macht der Honda ADV350 geschickt auf ganzer Kerl, dabei ist er im direkten Zahlenvergleich mit dem X-ADV eine halbe Portion – im wahrsten Sinne. Knapp halb so viel Leistung (29 statt 59 PS), knapp halb so viel Drehmoment (32 statt 69 Nm), aber auch nur halb so teuer und 50 Kilogramm leichter. Und da wird es interessant. 6499,-- Euro inklusive aller Nebenkosten ruft Honda für den 186 kg schweren ADV350 auf. Der X-ADV kostet exakt 6000,-- Euro mehr. Rechnet sich der Gegenwert eines zweiten 350ers? 

Einzylinder-Roller mit CVT-Getriebe

Natürlich geht der X-ADV mit Motorradfahrwerk und Zweizylindermotor vehementer zur Sache. Speichenrädern mit 17 Zoll vorn und 15 Zoll hinten stehen Leichtmetall-Gussräder in 15 Zoll und 14 Zoll (hinten) gegenüber beim ADV350. Das Sechsgang-DCT kommt wesentlich schneller in die Gänge als das CVT-Getriebe beim Einzylinder-Roller. Deutlich schneller ist das 750er-Vorbild logischerweise auch: 168 km/h stehen in den Papieren, beim ADV350 sind es 133 km/h. Laut Tacho schafft er auf der Autobahn erstaunliche 156 km/h, laut GPS sind es wackere 144 km/h. 

Smarte Detaillösungen beim Honda ADV350

Richtig viel Platz: Ins 48-Liter-Staufach unter der Sitzbank passen wahlweise zwei Integralhelme oder ein Helm samt Rucksack oder allerlei Einkäufe

Mehr als genug für einen Roller, der primär im oft zitierten urbanen Raum zum Einsatz kommt und nicht auf der Langstrecke. Größere Reisen bekäme er aber problemlos hin: Das Staufach unter der dick gepolsterten, komfortablen Sitzbank fasst 48 Liter. Zwei Integralhelme passen locker zusammen rein. Das optionale Smart Topcase schluckt weitere 50 Liter. Verschlossen wird es wie der ADV350 über den praktischen Smart Key. Wer mit Muße reist und auf Nebenstrecken steht, kommt sicher ausgeruht ans Ziel. Der Sound ist sonor und angenehm. Das Endrohr ist unauffälliger als beim X-ADV, bei dem es deutlich steiler steht. Vergleichbar elegant gelöst ist die Integration der Soziusfußrasten. Wie bei Forza und X-ADV klappen sie bündig in die Verkleidung. Sonnenbrille, Portemonnaie und Smartphone fahren im Handschuhfach links in der Verkleidung mit. Der integrierte USB-C-Anschluss erlaubt Laden beim Fahren.

Windschild in Höhe und Neigung verstellbar

Heckansicht: Das X, das im Namen des ADV350 fehlt, ist im Rücklicht angedeutet

Die Front ist X-ADV-mäßig zackig geformt. Optisch macht das durchaus was her, der Wetterschutz leidet allerdings. Der Wind pfeift ziemlich ungebremst in Richtung Oberschenkel; auf unserer 170 km langen Testfahrt wurde es zeitweilig ganz schön schattig auf den Haxen. Schienbeine und Füße sind da schon besser dran: Sie finden direkt hinter der Verkleidung Platz. Regen blieb uns dankenswerterweise erspart.

Ganz schön bullig: Die Front wirkt kernig. Die Blinker dienen als Positionsleuchten

Der vierfach verstellbare Windschild dürfte ihm auf höchster Stufe gut Paroli bieten. Deutlich weniger Abrissgeräusche am Helm erntet, wer den transparenten Schild auf niedrigster Stufe belässt. Dann herrscht weitgehend Ruhe oberhalb der Schultern. Gut 13 Zentimeter beträgt der Verstellspielraum insgesamt.

340 km Reichweite verspricht der 11,7-l-Tank des ADV350 

Das stufenlose CVT-Getriebe bringt den ADV350 gewohnt emsig in Schwung. Knapp 30 PS ziehen nicht die Wurst vom Teller, erst recht nicht im Vergleich zum einzigen elektrischen Wettbewerber in dieser Leistungsklasse. Aber auch der jüngst vorgestellte BMW CE 04 kostet fast doppelt so viel wie der Honda ADV350. Und kommt nicht annähernd so weit: Geldbeutelschonende 340 km Reichweite errechnet Honda. Wie bei Forza 350 und SH350i beträgt der Verbrauch offiziell 3,4 l/100 km. Unser Testroller gönnte sich auf Sizilien 4,3 l/100 km, war allerdings auch fast durchgehend auf Anschlag unterwegs. 11,7 Liter passen in den Tank.

Fazit Honda ADV350

Das Gesamtfahrerlebnis mit dem ADV350 ist hondatypisch: Nichts klappert, nichts stört, alles ist solide gefertigt, wirkt wertig und unvergänglich. Smarte Konnektivität gehört bei allen neuen Honda zum guten Ton, beim ADV350 allerdings nur in Verbindung mit Android-Smartphones. Wer die Wartungsintervalle einhält, wird viele Jahre lang Freude haben an seinem SUV-Roller. In Asien ist er bereits seit 2020 auch als ADV125 unterwegs. Skalieren geht immer, wenn die Basis stimmt.



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