Vergleichstest: Triumph Tiger 800 XC vs. BMW F 850 GS
Triumph und BMW schicken die nächste Generation ihrer Adventure-Mittelklasse auf die On- und Offroadpisten. Tiger 800 oder F 850 GS – wer schlägt sich besser?
Adventure-Bikes stehen hoch im Kurs: Sie kommen mit jedem Untergrund klar. Sie sind dank der entspannten Sitzposition voll langstreckentauglich. Und sie sehen in der Regel auch noch kernig aus. Letzteres gilt vor allem für die Tiger-Familie von Triumph. Breitschultrig wie ein Holzfäller, schnörkellos gestylt, durch und durch ein Draufgänger – als „große” Tiger 1200 genauso wie als „kleine” 800er. Der Steve McQueen unter den hochbeinigen Mopeds. Mehr als 68.000
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Einheiten haben die Briten seit dem Launch im Jahr 2010 von der aktuellen Mittelklasse-Baureihe verkauft. Das macht die Tiger 800 zu einem der erfolgreichsten Motorräder von Triumph.
Pünktlich zum Saisonstart 2018 wurde die robuste Reise-Enduro jetzt komplett überarbeitet und modernisiert: Besser im Gelände, stärker auf der Straße – so lautet die neue Marschroute. Wohl wissend, dass die Konkurrenz nicht schläft: Platzhirsch BMW Motorrad ködert Reise-Enduristen mit der komplett neuen, smarten F 850 GS. Der Name verrät es bereits: Es gibt jetzt mehr Hubraum. Und mehr Power. Zeit für einen Vergleich der Adventure-Toys.
Das Konzept
Beide Maschinen kommen quasi im Doppelpack – die Triumph als Tiger 800 XR und XC, die BMW als F 750 GS und F 850 GS. Die XR und die 750er sind mit ihren 19-Zoll-Alurädern eher für die Straße konzipiert. Die XC und die 850er empfehlen sich mit 21-Zoll-Speichenrad vorn für Schotter, Gelände und Globetrotter-Touren. Während Triumph sich bei seinem doppelten Flottchen auf optische und konzeptionelle Unterschiede (z. B. Sitzhöhe, Federwege) beschränkt, variiert BMW auch die Leistung: Die zierlicher anmutende BMW F 750 GS wirft mit 77 PS immerhin 18 PS weniger in die Leistungs-Waagschale. Daher lassen wir sie bei diesem Vergleich außen vor und beschränken uns auf die jeweils 95 PS starken Modelle F 850 GS (ab 11.700,-- Euro zzgl. Nebenkosten) und Tiger 800 XC (ab 13.150,-- Euro zzgl. Nebenkosten).
Die Motoren
BMW spendiert der F 850 GS einen komplett neuen Zweizylinder-Viertaktmotor mit zehn Pferdestärken mehr als der verrenteten F 800 GS, macht 95 PS bei 8.250 Umdrehungen pro Minute – Gleichstand mit Tiger 800 und dem It-Bike Honda Africa Twin. Den Hubraum haben die BMW-Techniker von 798 auf 853 Kubikzentimeter vergrößert, das Drehmoment auf satte 92 Nm bei 6.250 Touren hochgeschraubt. Damit steht die BMW auf dem Papier potenter da als die Tiger 800: Die Britin weist 79 Nm bei 8.050 U/min und 95 PS bei 9.500 U/min aus.
Bereitwillige Kraftübertragung
Im Fahrbetrieb zeigt sich der nominale Unterschied allerdings längst nicht so ausgeprägt, wie die nackten Zahlen vermuten lassen: Beide Motoren geben ihre Power sehr bereitwillig und nachdrücklich ab. Die Leistungssteigerung gegenüber den Vorgängermodellen ist in beiden Fällen signifikant, bei der erstarkten BMW natürlich noch ein bisschen mehr.
BMWs Multi-Controller am linken Lenkergriff
Umfangreiche Fahrmodi
Gasbefehle setzen XC und GS elektronisch und angenehm direkt um. Die „Throttle by wire”-Technologie erlaubt in beiden Fällen das Implementieren von Fahrmodi. Sechs sind es beim Tiger-Topmodell XCA (Road, Rain, Sport, Off-Road, Off-Road Pro, Individuell), fünf bei der F 850 GS mit der Sonderausstattung Fahrmodi Pro (Road, Rain, Dynamic, Enduro, Enduro Pro). Der gewichtsoptimierte Triple-Motor der Tiger (799 ccm) hängt nach dem Feintuning vorbildlich am Gas. Wer die letzte Generation kennt, freut sich über das spontanere, harmonischere Ansprechverhalten. Die neue, leichtere Auspuffanlage beschert der 800er einen rauen und begeisternden Sound. Gleiches gilt für die BMW: Für kehligen GS-Klang und hohe Laufkultur sorgt hier eine Kurbelwelle mit 90 Grad Hubzapfenversatz und 270/450 Grad Zündabstand.
Hinterleuchtete Schaltereinheit der Tiger 800
Bedienung & Instrumente
Aufsteigen, losfahren, Spaß haben ist die Devise. Bei beiden. Die Bedienung wirft keinerlei Fragen auf. Triumph bietet fürs Topmodell XCA erstmals hinterleuchtete Schaltereinheiten an. Das sieht gut aus, bringt einen nachts aber nur bedingt weiter: Wer schaut beim Fahren schon auf die Bedienelemente? Ergonomisch liegt alles da, wo es hingehört. Ein kleiner Joystick sorgt dafür, dass sich das Bordmenü intuitiv und komfortabel durchflöhen lässt. Statt klassischer Instrumente informiert den Fahrer künftig, wie bei der Tiger 1200, ein vollfarbiges 5-Zoll-TFT-Display. Die animierte Ganganzeige dreht die gewählte Fahrstufe gut sichtbar ins Bild. Geschwindigkeits- und Drehzahlanzeige können sechsfach konfiguriert werden.
Ein Ritterschlag für die Mittelklasse
Wer Smartphones mag, wird die neue Anzeigen-Generation lieben. Wer nicht, greift zum Basismodell. Das hat konventionelle Instrumente. Gleiches gilt für die BMW F 850 GS. Die deutlich bessere Wahl ist auch hier das neue optionale TFT-Cockpit: Freistehend und groß wie im Auto (6,5 Zoll) informiert es wetterfest und bestens ablesbar über Essenzielles wie Drehzahl, Geschwindigkeit und eingelegten Gang. Bislang war dieses „Connectivity”-Display der großen GS vorbehalten. Ein Ritterschlag für die Mittelklasse-Baureihe.
BMW – 6,5-Zoll-TFT-Display (optional)
BMW – TFT-Display wird zum Navi-Bildschirm
Die Bedienung erfolgt wie gehabt über den Multi-Controller links am Lenker. Koppelt man das Display per Bluetooth mit dem Smartphone, wird es über die App BMW Motorrad Connected zum Navi-Bildschirm. Pfeile und schriftliche Hinweise geben präzise die Richtung vor. Auf Kartenausschnitte verzichtet BMW – zu kleinteilig, heißt es. Wer es präziser wünscht, kann nach wie vor ein externes Navi anschließen. Tiger-Fahrern bleibt mangels Smartphone-Konnektivität eh nichts anderes übrig.
Kein Weg zu weit – die Überschrift des ersten Fahrberichts über die neue Tiger 800 (Motorrad & Reisen Ausgabe 85) sagt eigentlich schon alles: Wie ein fliegender Teppich trägt einen die Triumph mit ihrem famosen Fahrwerk über Asphalt und Schotterpisten. Die XC ist mit einstellbaren WP-Elementen bestückt – vorn mit einer Upside-down-Gabel (43 mm), hinten mit einem Federbein. Für optimiertes Fahren im Stehen hat Triumph die Höhe des Lenker-Risers gegenüber der Straßen-Tiger XR auf 60 mm verdoppelt, zudem ist er 25 mm breiter, 1,5 mm weiter vorn, 5,5 mm niedriger und 3° weniger nach hinten gekröpft.
2-in-1-Fußraste der GS
Enduro-Fußrasten & kürzere Übersetzung
Stählerne Enduro-Fußrasten sind bei der XC Serie. Sie sind im Vergleich zur XR leicht nach hinten versetzt, was das Schalten im Stand erleichtert und zugleich auf die Sitzposition einzahlt. Gerade auf langen Strecken macht sich die Sitzhöhe der beiden XC-Varianten (840 bis 860 mm) positiv bemerkbar. Das kürzere Übersetzungsverhältnis im ersten Gang verbessert die Beschleunigung und Traktion, vor allem im Gelände.
Enduro-Fußrasten der XC
Souveränes Tempo im Offroad-Bereich
Auf der BMW stehen mindestens 1,80 Meter große Fahrer etwas gebeugter. Der Lenker sitzt tiefer und minimal weiter vorn. Gleichwohl folgt einem die F 850 GS genauso willig durchs Gelände wie die Tiger 800. Schotter- und Geröllpisten meistern beide mit Autobahntempo – sehr souverän, sehr sicher. Man muss sich fast ein bisschen zusammenreißen, sonst gehen die Pferde allzu leicht mit einem durch.
Einstellbare WP-Technologie bei der Tiger
BMW Quickshifter etwas hakelig
Wohl dosierbare Anti-Hopping-Kupplungen verhindern beim schnellen Runterschalten ein ungewolltes Bocken des Hinterrads. Der normalerweise hervorragend funktionierende Quickshifter von BMW wirkt bei der F 850 GS etwas hakelig. Das mag den ersten Testbikes geschuldet sein. Mit Kupplung rasten die sechs Gänge wie bei der Tiger 800 sauber und exakt ein – auch wenn man im Stehen schaltet. Zwei Ausgleichswellen im Zweizylinder sorgen für nahezu vibrationsfreien Lauf.
Das Dynamic-ESA der BMW
Preis & Ausstattung
Auf den ersten Blick ist die Tiger das teurere Bike. Vergleicht man die Serienausstattung, relativiert sich das. Das Topmodell XCA (15.000,-- Euro inklusive Nebenkosten) hat ab Werk nahezu alles an Bord, was das Fahren schöner und sicherer macht: Tempomat, Motorschutzbügel, ABS und Traktionskontrolle abschaltbar, Voll-LED-Lichtanlage inklusive LED-Zusatzscheinwerfer, dazu Griffheizung und Sitzheizung für Fahrer und Sozius. Bei der BMW bleibt der Pöter grundsätzlich kalt. Begehrt man ebenfalls Keyless Ride (schlüsselloses Fahren), Hauptständer und Heizgriffe, werden 760,-- Euro Aufpreis fällig fürs Comfort-Paket. Der Tempomat kostet 335,-- Euro extra oder im Paket mit Dynamic ESA 850,-- Euro (Touren-Paket). Voll-LED-Licht gibt es samt weißen Blinkern für 500,-- Euro (Licht-Paket). Dynamische Traktionskontrolle mit ABS Pro und drei zusätzlichen Fahrmodi schlagen mit 720,-- Euro zu Buche, das Connectivity-Display mit 600,-- Euro. Macht unterm Strich plus Nebenkosten rund 16.000,-- Euro.
Neue „Flyline” im Look der BMW R 1200 GS
Das Fazit
Triumph oder BMW Motorrad – das ist in erster Linie eine Glaubensfrage. Premium sind beide. Und hervorragende Langstrecken-Bikes mit hoher Offroad-Qualität sowieso. Die F 850 GS dürfte Smartphone-Jünger begeistern: Der Schritt, das digitale Lebenselixier wie beim Auto mit den Bordinstrumenten zu koppeln, war längst überfällig. BMW Motorrad ist hier momentan Benchmark, auch was die Integration des automatischen Notrufsystems eCall betrifft: Werksseitig können das bislang nur die Bayern. Die Tiger ist eine Spur taffer. Sie strahlt mehr Adventure-Attitüde aus als die smarte BMW mit ihrer stets zweifarbigen Sitzbank, verzichtet auf Goodies wie semi-aktives Fahrwerk oder Schaltassistent. Die Briten lösen diese Aufgaben in bester Handwerksqualität, präzise und traditionell. In beiden Fällen gilt: Den Preisaufschlag der 1200er-Geschwister kann man sich fast sparen. Die Mittelklasse-Varianten sind eine formidable Wahl.