M&R-PlusVergleichstest: Kawasaki Ninja 1000SX Tourer vs. Yamaha MT-10 SP Tourer Edition

Allrounder, Multitools oder sogenannte 2-Rad-SUVs haben den Sporttourern längst den Rang abgelaufen. Völlig zu Unrecht, wie wir meinen und wie unsere Testfahrt in den Schweizer Alpen ergab.
Vergleichstest: Kawasaki Ninja 1000SX Tourer vs. Yamaha MT-10 SP Tourer Edition
Vergleichstest: Kawasaki Ninja 1000SX Tourer vs. Yamaha MT-10 SP Tourer Edition Übersichtlich: Das TFT-Farbdisplay mit adaptiver Hellikeitsanpassung ist gut ablesbar.
13 Bilder
08.08.2021
| Lesezeit ca. 6 Min.
Hanspeter Küffer
Gianni Strada
Klassisch-zeitlos oder hyper-modern? Ersteres trifft auf die Kawasaki Ninja 1000 SX zu, die bis zu ihrem letzten Update noch Z 1000 SX hieß. Doch im japanischen Akashi einigte man sich darauf, den Buchstaben „Z“ konsequent den unverkleideten Modellen vorzubehalten. Zwar hat die SX mit ihrem jüngsten Update auch einige optische Retuschen erfahren, doch ist die grundsätzliche Formensprache noch dieselbe: Dynamisch nach unten gezogene Nase mit symmetrisch integriertem Doppelscheinwerfer und eine bis zum Heck flach gehaltene Linie. Einen Großteil des Antriebs hält eine enganliegende sportliche Verkleidung verborgen.
Kawasaki Ninja 1000SX Tourer vs. Yamaha MT-10 SP Tourer Edition Fahrbild

Hyper-modern gibt sich die weitgehend ohne Bekleidung auskommende, dafür ein markant-zerklüftetes Gesicht zur Schau stellende Yamaha MT-10. Die Basis-Version kostet 14.449,-- Euro, die zum Tourer aufgewertete MT-10 Tourer Edition 15.549,-- Euro. Bei unserem Testfahrzeug handelt es sich jedoch um die exklusive SP-Variante (Basis 16.949 Euro), ausgestattet mit den gleichen Reise-Accessoires der Touring Edition. Und dazu gehören leichte Semisoft-Seitentaschen von SW Motech (inklusive Regenüberzug, Schloss und Halterung), eine ungetönte höhere Verkleidungsscheibe, eine Komfortsitzbank, eine Basishalterung fürs Navi sowie Handprotektoren. Alle diese Zubehörteile kosten 1.353,75 Euro, wodurch der Preis unseres Testfahrzeuges auf knapp über 18.300,-- Euro ansteigt.

Unsere Ninja 1000 SX in der schwarzen Ausführung SX Tourer kostet dagegen inkl. Überführung lediglich 15.395,-- Euro. In grün resp. rot ist sie ab Werk für 15.595,-- und ist als Basisversion ohne Tourer-Kit bereits für 14.495,-- Euro (Versionen grün und rot) zu haben. Das Tourer-Paket umfasst eine große, ungetönte Windschutzscheibe, eine Display-Schutzfolie (insofern sinnvoll, als der Austausch moderner TFT-Farbdisplays eine sehr kostspielige Sache ist), das Koffer-Set inklusive Halterung, die zugehörigen Innentaschen, ein Tankpad sowie eine Navi-Halterung, die wie bei der Yamaha mittig an der Lenkerklemmung angebracht ist. Leider ist im Paket keine 12-Volt-Steckdose enthalten, doch lässt sie sich im Cockpit für 96,85 Euro nachrüsten.
Kawasaki Ninja 1000SX Tourer Fahrbild

Typisches Touring

Wir gehen mit den beiden unterschiedlichen Sporttourern auf eine zweitägige Tour – ausgehend von Zürich in die alpine Schweizer Pässearena und wieder zurück. Es stehen also alle Disziplinen auf dem Programm, für welche Bikes wie diese gemacht sind. Los geht‘s im Zürcher Verkehrsdickicht. Immer wieder funken Ampeln bzw. Rechtsvortritte und bimmelnde Trams dazwischen und reißen uns auch mal auseinander. Schon ein erstes Mal freuen wir uns hier über die beiden leichtgängigen Kupplungen. Diejenige der Ninja ist noch einen Tick feiner dosierbar, was wir im Stop-and-Go-Verkehr sehr schätzen. Die Neutralfindung stellt weder hier noch da eine Herausforderung dar.
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Auf den kurzen Autobahnetappen Richtung Klausenpass fällt auf beiden Bikes der Windschutz positiv auf. Bei Tempi um 120 km/h finden unsere relativ aufrechten Oberkörper guten Schutz. Der Helm ist jeweils dem Fahrtwind ausgesetzt, doch verhindert dies weitgehend störende Verwirbelungen. Top: Auf der Kawasaki ist die Scheibe nun sogar vier- statt bisher dreifach in der Neigung verstellbar. Schade ist nur, dass der Entriegelungshebel für den im Grunde supersimplen Mechanismus so tief im Cockpit sitzt, dass man während der Fahrt nichts verändern kann. Die Yamaha-Scheibe lässt sich leider gar nicht justieren.
Auf beiden Bikes sind außerdem die Hände vor dem Fahrtwind geschützt. Zwar bietet nur die MT-10 Handprotektoren, die zudem einen optischen Akzent setzen. Doch zeigt sich, dass die Verkleidung der Ninja 1000 SX so beschaffen ist, dass sie die Hände zumindest vor dem Gröbsten wirksam verschont. Auch das zeichnet klassisches Sport-Touring aus.
Yamaha MT-10 SP Tourer Edition Fahrbild

Sport oder Komfort

In den Windungen der Pässe, die teilweise auch holprig ausfallen, grinst der Kawa-Treiber. Denn das konventionelle, aber einstellbare Fahrwerk der Ninja 1000SX SE Tourer ist im Standardsetup viel komfortabler ausgelegt als die semiaktiven Dämpfer der MT-10 SP. Letztere bieten zwei automatische Modi, von denen der eine straff und der andere noch etwas straffer getrimmt ist. Harte Schläge werden ziemlich direkt weitergegeben. Unter dem Aspekt des Sport(!)-Tourings finden wir das dennoch passend und sehen keinen Zwang, manuell Änderungen vorzunehmen. Denn wenn es flott um Bögen auf gutem Asphalt geht, glänzt das Fahrwerk. Doch auch die SX kann Sport und bleibt der gewählten Linie nicht weniger treu. Aufschaukeln bei Unebenheiten oder Aufstellen beim Bremsen sind auch bei ihr kein Thema.
In den engsten Kehren, wie wir sie etwa auf der alten Gotthard-Passstraße Tremola finden, übertreffen beide unsere Erwartungen – insbesondere die flacher, aber länger bauende und schwerere Ninja (Radstand 1.440 mm, 235 Kilo ohne Koffer). Ganz entspannt lässt sie sich durch die Haarnadelkurven dirigieren. Die Bridgestone Battlax Hypersport S22 Reifen tragen ihren Teil dazu bei, aber ebenso das tadellose Zusammenspiel von Gasannahme und leichtgängiger Kupplung. Im letzten Punkt gibt sich die höhere aber zugleich kürzere MT-10 (Radstand 1.400 mm, 210 kg ohne Zubehör), die auf den älteren Bridgestone Battlax Hypersport S20 rollt, etwas rauer. Das kann aber ihre ansonsten größere Handlichkeit wettmachen. Sie meistert Zick-Zack-Kurse im Vergleich fast schon „verspielt“, Fun-Bike-mäßig – ein Gefühl, das sie auch sonst vermittelt.
Kawasaki Ninja 1000SX Tourer und Yamaha MT-10 SP Tourer Edition Static

Beim Beschleunigen auf den längeren Zwischengeraden schenken sich unsere Kandidatinnen nichts. Beide hängen satt am Gas, wobei die Ninja selbst im Sport-Modus mit feinerer Gasannahme glänzt. Ihr konventioneller Reihenvierzylinder läuft seidenweich und kann auch aus Tempo 50 im sechsten Gang beschleunigen. Das packt der Reihenvierer mit unregelmäßiger Zündfolge der MT-10 nicht, ohne zu verstehen zu geben, dass jetzt besser mal ein oder zwei Gänge runtergeschaltet werden sollte. Apropos schalten: Beide haben einen Quickshifter, doch nur die Ninja einen bidirektionalen. Und der arbeitet schon bei tiefen Touren einwandfrei. Die Schalthilfe der Yami verlangt da nach höheren Drehzahlen und nach einem stärkeren Impuls. Soundtechnisch tragen beide in tourentauglichem Volumen zum Gesamterlebnis bei, wobei sich der „CP4“ der MT-10 mit typisch rauem Klang von konventionellen Vierzylindern wie dem der Kawa abhebt. Das spiegelt sich auch in den Vibrationen beim Aufdrehen wider, die kerniger ausfallen. Der Antrieb der Ninja ist über weite Bereiche sehr dezent, doch gegen 6.000 U/min werden am Lenker sowie am Sattel hochfrequente Vibrationen wahrnehmbar.
Gar keinen Grund zum Nörgeln geben die hier auch mal geforderten Bremsanlagen. Die Yamaha-Stopper, die wie der Motor vom Supersportler YZF-R1 stammen, fühlen sich wiederum etwas „sportlicher“, knackiger an. Doch lassen Druckpunkt, Dosierung und Biss letztlich bei beiden keine Wünsche offen. Einen Bonuspunkt bekommt aber die Ninja, da nur sie ein Kurven-ABS bietet. Gegen Ende des zweiten Tages cruisen wir entspannt auf der Autobahn heimwärts, wo wir völlig relaxed ankommen. Beide Bikes verfügen nicht nur über einen wertvollen Tempomaten, sondern auch eine Ergonomie, die Lust auf viele weitere Kilometer macht.

Fazit

Im Grunde ist der Sachverhalt einfach: Wir haben hier einen aufs Touring abgestimmten Sporttöff, die Ninja 1000SX und ein nach aktuellen Schnittmustern gestaltetes Naked-Bike, das durch Zubehör tourentauglich gemacht wird. Beide harmonieren auf der Tour sehr gut – ob auf der Autobahn oder der Passstraße. Leistung, Fahrwerk, Komfort: Keine bleibt irgendwo zurück. Der größte Unterschied liegt klar im vermittelten Feeling, das einmal mehr „Sport“ und einmal mehr „Touring“ lautet.
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Yamaha MT-10 SP - Baujahr: 2018
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