Triumph Scrambler 1200 - Fahrtest

Zwei Versionen der Scrambler 1200 schickt Triumph von seinem Classic-Crossover ins Rennen: die hochbeinige XE und die sportliche XC. Beide stecken voll mit feinster neuer Technik.
Triumph Scrambler 1200 - Fahrtest
Triumph Scrambler 1200 - Fahrtest Heizgriffe gibt es bei der XE serienmäßig, bei der XC zahlt man für sie Aufpreis
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13.07.2020
| Lesezeit ca. 6 Min.
Triumph
Neue Segmente sind in der Motorradbranche eher eine Seltenheit. Platz dafür gibt es zum Glück, wie sich immer wieder mal zeigt. BMW Motorrad hat es mit seiner R-nineT-Familie erfolgreich vorgemacht. Yamaha hat mit der „dreirädrigen“ Niken spektakulär nachgelegt. Und jetzt kommt Triumph mit der Scrambler 1200 um die Ecke. Ein „Adventure Modern Classic“-Crossover, der alles mitbringt, um auf Anhieb zur neuen Technik- und Stilikone zu werden – und vielleicht ja auch zum Wegbereiter einer neuen Fahrzeuggattung. Aber der Reihe nach.

Gewaltige Federwege

Im Oktober 2018 wurde die große Scrambler mit einigem Tamtam in London präsentiert. Triumph hatte eigens eine Indoor-Cross-Strecke angelegt, auf der Motorradjournalisten aus aller Welt Kloauf der 1200er für ihre Nationen antraten. Ein Spaßrennen, das gleichwohl die Richtung vorgab: Offroad ist angesagt. Bei dieser Scrambler mehr als bei allen anderen Maschinen, die diesen Namen tragen.
Die Federwege sind gewaltig: Mit 250 Millimetern vorne und hinten sticht die Scrambler 1200 XE alles aus, was es an voll straßentauglichen Scramblern gibt, und toppt sogar die Langstrecken- und Schlechte-Wege-Ableger klassischer Reise-Enduros wie die BMW R 1250 GS Adventure oder die KTM 1290 Super Adventure R. Einzig die Honda CRF1000L Africa Twin Adventure Sports liegt quasi gleichauf (252 mm vorn/240 mm hinten).
Selbst die „gemäßigte“ Triumph Scrambler 1200 XC ist noch amtlich bestückt: 200 Millimeter vorn und hinten bietet im Scrambler-Lager sonst nur die Ducati 800 Desert Sled. Zum Vergleich: Die hauseigene neue Triumph Street Scrambler kommt auf 120/120 mm, die BMW R nineT Scrambler auf 125/140 mm, die Ducati Scrambler 1100 auf 150/150 mm. Salonlöwen, so gesehen. Bildschön, aber abseits der Straßen bestenfalls auf Schotter und Kies zu Hause.
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Triumph Scrambler 1200 XC

Scrambling der nächsten Generation

Anders die Triumph Scrambler 1200, besonders natürlich die XE, wobei das “E“ für Extreme steht. Und das völlig zu Recht. Triumphs 1200er Crossover ist der Inbegriff fürs Scrambling der nächsten Generation. Es geht nicht mehr nur um kraxeln und gut aussehen, es geht um echtes Offroadfahren im geschärften Old-School-Look.
Rund 220 Kilogramm Fahrgewicht sind in den Augen von Hardcore-Enduristen sicher kein Idealgewicht, aber in diesem Fall der Philosophie des Bikes geschuldet: Alles, was an der Scrambler 1200 wie Metall oder Aluminium aussieht, ist auch Metall oder Aluminium. Ein Motor mit 1200 Kubikzentimetern Hubraum benötigt ebenfalls das ein oder andere Gramm. Und im Fahrbetrieb sind die Massedaten ohnehin Makulatur: Die Kilos der neuen Scrambler-Ikone sind wohl proportioniert über ihre 2.285 (XC) bzw. 2.325 (XE) mm Länge und 1.200/1.250 mm Höhe verteilt. Das Handling und die Beherrschbarkeit sind ausgezeichnet, wie unsere erste Testfahrt in Portugal zeigte.
Die hohe Sitzposition sorgt für eine Übersichtlichkeit und Souveränität wie in der Mercedes-Benz G-Klasse. Vorausschauendes Fahren gehört quasi zur Serienausstattung. Bei der XC thront das Gesäß des Fahrers 840 mm über dem wie auch immer beschaffenen Untergrund, bei der XE sind es 870 mm. Für beide gibt es im umfangreichen Zubehörprogramm 25 Millimeter flachere Alternativen in Braun und Schwarz. Mehr als 80 neue Original-Parts listet Triumph für die Scrambler 1200 auf und zwei Inspiration-Kits getaufte Ausstattungspakete.


Triumph Scrambler 1200 XE

Technische Zutaten vom Feinsten

In puncto Elektronik und Komponenten ist die Scrambler 1200 das neue „It“-Bike von Triumph. Fast könnte man meinen, für eine Classic-Enduro wäre es fast schon zu viel des Guten: Vorne greifen superbiketaugliche 320-mm-Bremsscheiben mit Brembo-M50-Monoblock-Bremssätteln und radialem Hauptzylinder ins Fahrgeschehen ein. Hinten sind Brembo-Doppelkolben-Schwimmsättel mit 255-mm-Bremsscheiben montiert. Die XC hat zur Traktionskontrolle fünf Fahrmodi und ein abschaltbares ABS, die XE sechs Fahrprogramme und ein abschaltbares Kurven-ABS, das hervorragend arbeitet, auch bei sehr zackigem Tempo. Die Bremsen sind schlicht perfekt: Dosierbarkeit, Bremskraft, anhaltende Bremswirkung – alles ausgezeichnet. Wie das Fahrwerk.
Beide Scrambler-Varianten verfügen über voll einstellbare Öhlins-Federbeine und eine voll einstellbare Showa Upside-down-Gabel. Bei der XC beträgt der Durchmesser 45 mm, bei der XE sind es 47 mm. Spürbaren Einfluss auf die Sitzposition haben Lenker und Hinterachse: Bei der XE ist der Lenker 65 mm breiter und zudem per Riser höher montiert, die Alu-Zweiarmschwinge ist 32 mm
länger, der Radstand legt insgesamt um 40 mm zu. Das klingt vielleicht nicht gewaltig, verändert das Fahrgefühl – in Kombination mit den unterschiedlichen Federwegen und dem größeren Lenkkopfwinkel der XE – aber nachhaltig.

Mächtiges 21-Zoll-Vorderrad

Auf der XE schwebt man geradezu über den Asphalt. Enge Kurven nimmt sie im Stil eines britischen Gran Turismo – souverän, aber mit Augenmaß für den Einlenkpunkt. Die XC zeigt sich hier flotter, direkter, fahraktiver. Beide führen ein mächtiges 21-Zoll-Vorderrad spazieren. Im Gelände ist das erste Wahl, auf der Straße mag sich der ein oder andere ein 19-Zoll-Rad wünschen. Aber das sieht natürlich nicht so sau-cool aus, auch nicht in Relation zum 17-Zoll-Hinterrad.
Womit wir bei den Äußerlichkeiten wären. Die zu beurteilen, liegt natürlich immer im Auge des Betrachters. Aber mal Hand aufs Herz: Geht es geiler?
Speziell die hochbeinige XE hat das Potenzial, den seligen Steve McQueen sofort auferstehen zu lassen. Jede Wette: Dieses Bike hätte den eingefleischten Triumph-Fan durchdrehen lassen vor
Begeisterung. Der stilvolle Tank, die schmale Sitzbank, der hochgelegte Auspuff, dazu Details, die vor Liebe zum Detail nur so strotzen. Die Aufhängung der Alu-Schutzbleche, die Startnummerntafel aus gebürstetem Aluminium, der massive Fersenschutz, die Lampenhalter, die seitlich geführten Speichen der Räder, der Alu-Klapptankdeckel, das Edelstahl-Tankband – wo du hinschaust: Triumph scheint jedes Teil für die Ewigkeit entworfen zu haben. Mit einer Perfektion, die es in dieser konsequenten Umsetzung ganz, ganz selten gibt.


Triumph Scrambler 1200 XC

Exklusive Bicolor-Lackierung

Dreieinhalb Jahre Arbeit stecken in der Scrambler 1200, verriet Triumph-Sprachrohr Miles Perkins bei der Fahrpräsentation. Als erstes neues Modell der Marke darf sie das Firmenemblem auf dem Tank tragen. Zwei exklusive Bicolor-Farbschemata sorgen jeweils für einen eigenständigen Look: Die XC kommt mit einem Tank in Jet Black/Matt Black und Khaki Green/Brooklands Green, die XE in Fusion White/Brooklands Green und Cobalt Blue/Jet Black.
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Die Kirsche auf der Sahneschnitte ist natürlich der Motor. 90 PS bei 7.400 Touren und 110 Nm bei 3.950 U/min hat Chefingenieur Stuart Wood für die Scrambler 1200 komponiert. Damit hat sie 12,5 Prozent mehr Power als die Bonneville T120 und gut 38 Prozent mehr Leistung und Drehmoment als die kleine Schwester Street Scrambler.


Triumph Scrambler 1200 XE

Dampf in allen Lebenslagen

Orchestersaal für die neue Triumph-Leistungsarie ist der bewährte flüssigkeitsgekühlte 1200-ccm-Paralleltwin mit 270-Grad-Hubzapfenversatz. Er hängt mit dem Scrambler-1200-Mapping wundervoll am Gas und entwickelt ein bulliges Drehmoment. Die bekannten Fahrmodi sind fein gesetzt. Speziell der Modus „Rain” nimmt beim Anfahren Dampf vom Kessel. Das macht Fahrten im Regen sicherer und vermeidet Lastwechselreaktionen in engen Kurven oder im Stadtverkehr. Der Sound dazu: grandios. Rau, präsent, kernig, aber nie prollig. Gentlemanlike – mit der Lizenz zum angenehm Auffallen.
Im Gelände überzeugt die ausgewogene, sichere Position beim Fahren im Stehen. Speziell auf der XE hat der Fahrer einen betonfesten Stand, auch bei Sprüngen. Die langen Federwege und die Gesamt-Performance sind erstklassig. Bei der Offroad-Leistung sei die Scrambler 1200 vielen Adventure Bikes überlegen, bescheinigen auch die Öhlins-Testteams.

TFT-Display der 2. Generation

Eine echte Schau sind die neuen TFT-Instrumente. Sie lassen sich mehrfach konfigurieren und sind dank verschiedener Darstellungsoptionen auch bei Sonneneinstrahlung sehr gut ablesbar. Besonders stolz ist Triumph auf die integrierte Navigationslösung: Über die Triumph-App kann mit Google Maps navigiert werden. „Das ist die erste Kooperation von Google mit einem Motorradhersteller“, so Miles Perkins.
Die Routenführung erfolgt direkt im Display. Die Anzeige ist nicht riesig, aber präzise und schnell. Nach den ersten paar Kommandos hat man die Symbole im Blick. Eine echte Weltneuheit wird das integrierte Steuerungssystem für GoPro-Kameras. Mithilfe eines separat lieferbaren Zusatzmoduls werden die Steuersymbole der Kamera im TFT-Display des Motorrads angezeigt. Im Spätsommer 2019, gut ein halbes Jahr nach Markteinführung, soll es so weit sein. Ein Feature, über das sich dann auch die Fahrer anderer Triumph-Modelle mit dem neuen TFT-Display freuen können.
Wie gesagt: Die Scrambler 1200 hat das Zeug zum Wegbereiter, in allen Belangen. Die Preise starten bei 13.550,-- Euro (plus 450 Euro Liefernebenkosten). Ein fairer Kurs für so viel Technik, Performance und Stil.

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Triumph Scrambler 1200 XC - Baujahr: 2019
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