2023 startete Suzuki mit der V-Strom 800DE den Wiedereinstieg in die Mittelklasse. Die V-Strom 800 soll nun die Lücke zwischen Sport und Abenteuer schließen.
Totgesagte leben länger – so abgedroschen dieser Spruch doch ist, passt er zur aktuellen Entwicklung der Motorradsparte von Suzuki. Gab es in den vergangenen zehn Jahren kaum Neuerungen vom kleinsten japanischen Hersteller, weht seit der Saison 2023 ein neuer Wind. Mit der V-Strom 1050DE, V-Strom 1050, V-Strom 800DE und der GSX-8S schickte man gleich vier neue Modelle ins Rennen um die Kundengunst. Die beiden Letztgenannten befeuert vom komplett neu entwickelten 776 Kubikzentimeter großen Reihenzweizylinder. In der Mittelklasse fehlte bis dato aber ein straßenorientiertes Reisemotorrad. Diese Lücke soll nun die neue V-Strom 800 schließen.
Wie bei den großen Schwestern dient auch in der Mittelklasse die DE-Variante als Basis für die Touringversion. Suzuki verspricht mit der V-Strom 800 ein vielseitiges Motorrad für alle Gelegenheiten, das auf jedweder Straße zu Hause sein soll. Um den vielfältigen Ansprüchen gerecht zu werden, konzentrierte man sich bei den Neuerungen auf die Punkte, die im Straßenbetrieb für mehr Komfort sorgen. Vor allem bei Ergonomie, Rädern und Fahrwerk sind die Änderungen deutlich. Während die V-Strom 800DE als „Dual Explorer“ mit 21-Zoll-Vorderrad und 220 Millimetern Federweg auf die Herausforderungen abseits befestigter Straßen ausgerichtet ist, sollen in der neuen V-Strom 800 ein 19-Zoll-Vorderrad aus Aluminiumguss und eine neue Showa-Gabel mit 150 Millimetern Federweg für bessere Fahreigenschaften auf Asphalt sorgen. Im Gegensatz zur voll einstellbaren Gabel der DE-Version lässt sich hier auch nur die Federvorspannung anpassen.
Veränderte Ergonomie für die Straße
Beim ebenfalls neuen Federbein lässt sich zusätzlich die Zugstufendämpfung ändern, für einfachere Anpassung der Federvorspannung bei Fahrten mit Gepäck und Sozius verfügt der Dämpfer über einen Fernversteller. Die Änderung, die man schon im Stand spürt, ist die angepasste Sitzposition. Für mehr Gefühl für die Front besitzt die V-Strom 800 einen anderen Lenker als die DE, der die Hände 23 Millimeter weiter vorn und 13 niedriger platziert. Die Sitzhöhe ist mit 825 Millimetern drei Zentimeter niedriger als bei der Enduro-Version, die Rasten sind dafür 7 Millimeter höher und 14 Millimeter weiter hinten. Die daraus resultierende, sportlichere Sitzposition ist nicht nur vorderradorientierter, man fühlt sich auch direkt pudelwohl auf dem Motorrad.
Ein Zustand, der sich auf der Präsentation im französischen Montpellier auch nach dem Betätigen des Startknopfs und auf dem Weg durch den morgendlichen Berufsverkehr fortsetzt. Dank der gelungenen Ergonomie hat man einen guten Überblick über das Geschehen, das früh einsetzende Drehmoment des laufruhigen Motors sorgt auch bei niedrigen Drehzahlen für genug Schwung, um flott von Lücke zu Lücke zu springen. Große Freude machen im hektischen Treiben auch die Elektronik, das Display und die zugehörigen Schaltereinheiten. Die V-Strom bietet im Suzuki Intelligent Riding System (kurz S.I.R.S.) genannten Elektronikpaket drei Fahrmodi (A, B, C), eine dreistufige Traktionskontrolle sowie ein zweistufiges ABS. Dank der einfachen Bedienung, der gut gestalteten Knöpfe und Schalter und des kontrastreichen Displays lassen sich die Assistenzsysteme sehr einfach verwalten. Ist die Gasannahme in Modus A frühmorgens noch zu sportlich oder erfordern die Asphaltbedingungen ein konservativeres Eingreifen von Traktionskontrolle und ABS, findet auch der V-Strom-Neuling blitzschnell den Weg zur passenden Einstellung.
Sportlicher als gedacht
Die Suzuki lässt sich aber nicht nur blitzschnell bedienen, sondern auch so bewegen. Die V-Strom 800 ist mit 223 Kilogramm sieben Kilo leichter als das DE-Pendant und wedelt überraschend flink über enge und kurvige Landsträßchen. Dabei ist sie nicht überhandlich, ihr neutrales Fahrverhalten ist aber eine absolute Stärke des Motorrads. Die Folge: innerhalb kürzester Zeit schlägt man eine so sportliche Gangart an, wie man sie dem Motorrad gar nicht zugetraut hätte. Dank der schmalen Sitzbank und der gelungenen Sitzposition hat man hier sogar beim Fahrstil die freie Wahl. Aufrecht sitzend, drückend oder sportlich liegend – die Kurventechnik kann frei gewählt werden. Auch das Fahrwerk macht im Solobetrieb einen guten Job. Komfortabel abgestimmt, filtert es Unebenheiten jeder Couleur sauber weg. Einzig die, aufgrund der auf 185 Millimetern verringerten Bodenfreiheit, recht früh aufsetzenden Rasten mahnen entweder zur Mäßigung oder zum Wechseln zu einem sehr sportlichen Fahrstil. Den erlauben auch Bremsanlage und Bereifung der V-Strom. Um den anderen Anforderungen im Straßenbetrieb gerecht zu werden, sind in der V-Strom radial verschraubte Nissin Bremssättel und 310er-Scheiben für den Hauptteil der Verzögerung verantwortlich. Eine wirklich gelungene Wahl. Handkraft, Ansprechverhalten und Performance lassen keine Wünsche offen. Selbst das ABS greift selten maßregelnd ein und selbst wenn, sind die Intervalle so kurz, dass noch gute Bremsleistung generiert wird. Leichte Abzüge in der B-Note gibt es für ein am Testmotorrad bei harten Bremsmanövern auftretendes, leichtes Quietschen. Die gibt es bei Personen über 1,75 Meter auch für den neuen, größeren Windschild. Trotz Verstellbarkeit in der Höhe könnte der Windschutz für Großgewachsene etwas besser ausfallen. Auch leichte Vibrationen um den Helm sind dann wahrzunehmen. Beim Motor sind diese zum Glück kein wirkliches Thema. Wie schon in der GSX-8S und V-Strom 800DE sorgen auch hier die in 90-Grad-Anordnung vor und unter der Kurbelwelle positionierten Ausgleichswellen für einen laufruhigen Motor. Noch mehr Freude macht nur die Leistungsentfaltung. Schon ab 2.000 Umdrehungen liefert der Reihenzweizylinder verwertbaren Vortrieb, bis zum Drehmomentgipfel von 78 Newtonmetern bei 6.800 Touren schiebt die V-Strom ordentlich an. Erst spät geht dem Aggregat die Luft aus. Dank des serienmäßigen Blippers ist die Gangstufe dann aber mit Leichtigkeit gewechselt.
Mit der neuen V-Strom 800 will Suzuki diejenigen ansprechen, die lange Touren bevorzugt auf Asphalt absolvieren und auf Reisen statt Abenteuer und herausfordernder Bedingungen Komfort und entspanntes Fahrvergnügen bevorzugen, dabei aber nicht komplett auf die Vielseitigkeit einer Reiseenduro verzichten wollen. Diese Mission ist gelungen und das Bike ist ein echtes Allround-Talent geworden.
Die V-Strom überzeugt im Fahrbetrieb mit einem absolut stimmigen Gesamtkonzept, das Pendler, Wochenendausflügler und Fernreisende gleichermaßen begeistern sollte. Mit einem Durchschnittsverbrauch von fünfeinhalb Litern bei wirklich zügiger Fahrweise sollte das auch für Preisbewusste der Fall sein. Das gilt auch für die Anschaffungskosten. Für 10.600 Euro steht die V-Strom 800 seit November 2023 in den drei Farbvarianten Pearl Vigor Blue, Glass Sparkle Black und Metallic Mat Steel Green bei den deutschen Suzuki-Händlern.