Kawasaki Versys 1100 SE im Fahrtest – Gute Laune garantiert

Kawasaki spendiert seinem Adventure-Tourer Versys mehr Power und mehr Hubraum. Wir waren mit dem neuen Topmodell Versys 1100 SE in Spanien unterwegs – Kurven jagen im Hinterland von Barcelona.
Kawasaki Versys 1100 SE im Fahrtest – Gute Laune garantiert
Kawasaki Versys 1100 SE im Fahrtest – Gute Laune garantiert Kawasaki-grüne Akzente und dazu der passende Helm. Dieser hier stammt vom portugiesischen Hersteller Nexx. Premiere feiert der neue X.WST 3 B-Side für Kawa-Fans auf der EICMA 2024
13 Bilder
15.10.2024
| Lesezeit ca. 7 Min.
Kawasaki
Sonntagmorgen, kurz nach acht. Das Thermometer zeigt 11 Grad an. Graue Wolken kleistern den Himmel zu. Noch. Für den späteren Tag kündigt die Wetter-App 26 Grad und strahlenden Sonnenschein an. Da darf der Morgen ruhig schattig sein. Zumal der Star des Tages zwei große Seitenkoffer à 28 Liter hat. Da passen die zusätzlichen Zwiebelschichten locker rein, sobald es sommerlich wird.

Mehr Power für die Versys 1100

Kawasaki Versys 1100 SE
Die neue Kawasaki Versys 1100 SE in voller Pracht: Diese Lackierung trägt den klangvollen Namen „Metallic Graphite Gray/Metallic Diablo Black“
Wir sind in der Provinz Barcelona, genauer in Sant Fruitós de Bages, rund 60 Kilometer landeinwärts von der katalonischen Hauptstadt entfernt. Die Straßenbauer, die hier ihr Handwerk verrichten, sind allesamt Künstler. Virtuos und schier endlos reiht sich eine Kurve an die nächste. Ein Paradies für Adventure-Tourer, wie die Kawasaki Versys 1100 SE. Die neue Modellgeneration kommt mit 15 PS mehr Leistung und 10 Nm mehr Drehmoment, macht jetzt 135 PS und 112 Nm. Das klingt schon besser im Vergleich zum Wettbewerb: Neuheiten wie die Suzuki GSX-S1000GX (ab 17.400,-- Euro) treten mit 152 PS/106 Nm an, der Platzhirsch BMW S 1000 XR (ab 19.280,-- Euro) mit 170 PS/114 Nm. Braucht man so viel Leistung, außer fürs Ego? In diesem Fall eher nicht: Die Versys war schon als 1000er mit 120 PS und 102 Nm äußerst dynamisch unterwegs. Dank der 2025er-Kraftkur muss sie sich jetzt auch auf dem Papier nicht mehr verstecken.
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Urvertrauen nach wenigen Metern

Kawasaki Versys 1100 SE
Kawasaki-grüne Akzente und dazu der passende Helm. Dieser hier stammt vom portugiesischen Hersteller Nexx. Premiere feiert der neue X.WST 3 "B-Side" für Kawa-Fans auf der EICMA 2024
Schon nach den ersten Metern stellt sich eine Art Urvertrauen zur Versys ein. Die Sitzposition passt für einen Durchschnittsgroßen wie mich (1,80 Meter mit Schuhen) auf Anhieb. Die 840 mm Sitzhöhe fühlen sich trefflich an, keinerlei Kippmoment spürbar, das Auf- und Absteigen klappt problemlos, sei es über die Fußraste oder im Silly-Walking-Ausfallschritt über die Sitzmulde der bequemen Sitzbank. Deren Abstand zum Lenker ist ideal bemessen. Aufrecht und entspannt sitzt man hinter dem breiten Windschild. Dessen einziges Manko: Er kann nur im Stand justiert werden. Stufenlos zwar und vom Fahrersitz aus, aber eben mit zwei Händen: Stellschraube lösen rechts und links, Scheibe auf die gewünschte Höhe schieben (und festhalten, so sie nicht auf der tiefsten Position ist), Stellschrauben wieder festdrehen. Das ginge gefühlt auch elektrisch. Aber nun, immerhin ist der Windschutz gut, vor allem im Brustbereich. Um Fahrtwindruhe am Helm zu haben, hilft bei meiner Größe nur Abducken.

„Skyhook“-Technologie von Showa

Kawasaki Versys 1100 SE Bremsen Fahrwerk
Keine Kompromisse: neue halbschwimmende 310-mm-Doppel-Petal-Bremsscheiben, Bremssattel doppelt radial montiert, Monobloc. Hinten legt die Bremsscheibe von 250 auf 260 mm zu
Das Topmodell Versys 1100 SE – unsere Testmaschine – ist wie gehabt mit einem elektronischen Fahrwerk bestückt. Die Showa-„Skyhook“-Technologie macht ihre Sache ausgesprochen gut: Über die lästigen Bremsschwellen, die zu spanischen Innenstädten gehören wie Orangenbäumchen und Straßencafés, schwebt die Versys SE förmlich hinweg. Hinstellen vor dem Kontakt mit den querenden Verkehrsberuhigern? Nicht nötig: In Millisekunden dämpft der „Himmelshaken“ (Skyhook) sie einfach weg. Wer Lust hat, das Fahrwerk individuell abzustimmen auf die persönlichen Dämpfungsvorlieben, kann sich im Bordmenü nach Lust und Laune austoben. Einmal hinter die Bedienlogik gestiegen, geht das mehrstufige Einstellen von Zug- und Druckstufe erstaunlich flott. Favoriten der meisten Tester waren „+1“ (Zugstufe) und „+3“ (Druckstufe). Werksseitig liegen diese Werte jeweils bei null.

Optimierter Quickshifter

Kawasaki Versys 1100 SE
Der Windschild macht seine Sache gut, das Einstellen der richtigen Höhe erfordert aber zwei Hände, funktioniert also nur im Stand
Einen richtig guten Job macht der optimierte Quickshifter (Serie bei der SE). Der Griff zum Kupplungshebel erübrigt sich jetzt schon ab 1.500 Touren. Die Gänge rasten sanft und exakt ein. Ein echter Spaßgarant, speziell, wenn man schnell unterwegs ist. Wer es eher sutsche angehen lässt, kann die Versys 1100 auch primär im fünften oder sechsten Gang bewegen: Die Elastizität des Reihenvierzylinders ist legendär. Der Hubraum steigt von 1.043 auf 1.099 ccm. Dies wird durch einen um drei Millimeter längeren Hub erreicht. Die beiden mittleren Ansaugtrichter fallen nun um 45 Millimeter länger aus als die beiden äußeren Ansaugtrichter, teilt Kawasaki mit. Die Ansaugkanäle wurden auf das neue Drosselklappengehäuse angepasst und besitzen im Verhältnis zum größeren Hubraum einen kleineren Durchmesser. Die daraus resultierende höhere Ansauggeschwindigkeit im unteren bis mittleren Drehzahlbereich kommt dem Drehmoment zugute, speziell zwischen 4.000 und 7.000 Touren, dem absoluten Wohlfühlfenster des Versys 1100.


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Kehliges Ansauggeräusch

Kawasaki Versys 1100 SE
Mehr Power, mehr Hubraum: Kawasaki spendiert der Versys 10 Nm, 15 PS und 56 ccm mehr. Speziell im mittleren Drehzahlbereich macht sich das positiv bemerkbar
Der rote Bereich beginnt zwar erst bei 10.000 Umdrehungen pro Minute (der Drehzahlmesser reicht bis 14.000 U/min), aber ganz ehrlich: In diesen Höhen muss man den jetzt mit Euro 5+ geadelten Vierzylinder gar nicht treiben, um richtig Spaß zu haben. Klar, ab circa 7.500 Touren geht es noch mal richtig zur Sache, aber die Musik spielt im Drehzahlbereich darunter – und das im wahrsten Sinne: Die Versys 1100 entwickelt jetzt im unteren Drehzahlbereich ein herrlich kehliges Ansauggeräusch. Den ersten Gang hat Kawasaki länger übersetzt, der zweite bleibt gleich, die Gänge drei bis sechs sind kürzer. Das Kettenblatt hat jetzt 42 statt zuvor 43 Zähne, das Ritzel weiterhin 15.
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Acht Zylinder, China-Charme, mindestens 450 kg – spricht euch so etwas an?

Umfassendes Elektronikpaket

Kawasaki Versys 1100 SE
28 Liter Stauraum bieten die serienmäßigen Seitenkoffer. Sie können ruckzuck demontiert werden. Auf Wunsch gibt es dazu ein Topcase (47 Liter) mit Platz für zwei Integralhelme
Ausstattungsmäßig lässt die Versys 1100 SE wenig Wünsche offen: Kawasakis bewährtes Elektronikpaket samt IMU (Sechs-Achsen-Messeinheit) überwacht unter anderem die Motor- und Chassisfunktionen während der Kurvendurchfahrt, kontrolliert den Bremsdruck und umfasst eine dreistufige Traktionskontrolle (inklusive Wheelie und Sliding Control), zwei Powermodi und die elektronische „Cruise Control“. Alle Modelle haben jetzt serienmäßig einen USB-C-Anschluss an Bord. Er sitzt als Aufsatz am linken Lenkerende. Eine praktische, aber ob der Größe etwas „hemdsärmelig“ wirkende Lösung. Heizgriffe gehören bei der SE zum Serienumfang.

Neuer Sprachassistent „Hey Kawasaki“

Kawasaki Versys 1100 SE
Instrumenten-Mix: links Drehzahlmesser in Analog-Anmutung, rechts TFT-Display mit Konnektivität (in Deutschland nur SE)
Wer Spaß an Sprachassistentinnen hat, darf sich auf ein neues Feature der Kawasaki Rideology-App freuen. Über das Intercom eines gekoppelten Smartphones kann man künftig mit der Kawa-App parlieren. Mit „Hey, Kawasaki“ lässt sich die App ansprechen beziehungsweise aktivieren. Sagt man „Ich habe Hunger“, macht die App Restaurantvorschläge. Teilt man mit, dass der Sprit zur Neige geht, schlägt sie Tankstellen in der Nähe vor und nennt die momentane Restreichweite der Versys. Ausprobieren konnten wir dieses Gadget noch nicht, es soll aber rechtzeitig zur kommenden Saison fertiggestellt sein und in sieben Sprachen funktionieren.
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Zwei Farbvarianten für die SE

Kawasaki Versys 1100 SE Farben
Drei Farben stehen insgesamt zur Wahl – zwei für die SE, eine für die Versys 1100. Die Preise starten ab 13.945,-- Euro, die SE gibt es ab 17.745,-- Euro
Zwei Farbvarianten stehen zur Wahl für die neue Versys 1100 SE: „Metallic Graphite Gray/Metallic Diablo Black“ und „Pearl Robotic White/Metallic Diablo Black“. Die Versys 1100 gibt es nur in „Metallic Matte Graphene Steel Gray/Metallic Diablo Black“. Mit Chance kommen die Bikes bereits Ende des Jahres zu den Händlern. Live zu sehen gibt es sie auf der EICMA in Mailand (November) und kurz darauf auf der Intermot in Köln (Dezember). Die Versys 1100 kostet inklusive Nebenkosten 13.945,-- Euro, die Versys 1100 SE 17.745,-- Euro. Beide haben eine optimierte Motor- und Ölkühlung an Bord und eine größere hintere Bremsscheibe (260 statt 250 mm). Die Bremsanlage arbeitet vorzüglich. Gut dosierbar bringt sie die fahrbereit immerhin 259 kg schwere Versys 1100 SE bei Bedarf vehement zum Stehen. Die vorderen Bremsscheiben sind jetzt rund wie eine Vinylplatte (statt „gezackt“).

Bis zu 375 km Reichweite

Kawasaki Versys 1100 SE
Schräglagen bis 46 Grad (und vermutlich mehr) macht die Kawasaki Versys 1100 SE problemlos mit. Ab Werk sind Bridgestone Battlax T31 auf den 17-Zöllern aufgezogen
Der 21-Liter-Tank bringt den hochbeinigen Adventure-Tourer (Federweg vorn 150 mm, hinten 152 mm) rund 375 Kilometer weit mit einer Spritfüllung. Den Verbrauch gibt Kawasaki mit 5,6 Litern auf 100 Kilometer an. Unser Testbike gönnte sich 6,4 Liter auf 100 Kilometer, macht immer noch locker 300 Kilometer bis zum nächsten Stopp an der Zapfsäule. Das Borddisplay zeigt unter anderem die Restreichweite an, dazu unter anderem Batteriespannung, Tageskilometer, Temperatur und die „Schräglage“ des Bikes. Eine helle Freude – im wahrsten Sinne – ist der große LED-Scheinwerfer samt optimiertem Kurvenlicht. Im Rückspiegel ist die neue Versys 1100 SE nicht zu übersehen, von vorn erst recht nicht. Die kompakten Seitenkoffer bringen jeweils einen Helm unter. Bei der Bedienung scheiden sich jedoch die Geister: Die Koffer können nur mit dem Zündschlüssel (gibt es noch!) geöffnet werden. Einfach mal was rausnehmen oder reintun bei laufendem Motor ist also nicht. Auf der anderen Seite können die Koffer auch nicht
einfach unerwartet aufgehen während der Fahrt. Darüber würde sich manch anderer Hersteller freuen.

 Pro
  • temperamentvoller Motor
  • großartiges Fahrwerk (SE)
  • hoher Reisekomfort
  • sicheres Fahrverhalten
  • moderne Elektronik
 Contra
  • Windschild nur im Stand verstellbar
  • Blinker gehen nicht selbsttätig aus
  • Koffer nur mit Schlüssel aufsperrbar
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Kommentare (3)
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PathFinder
27.10.2024 15:24


Stärkerer Motor und mehr Drehmoment klingen vielversprechend, die Frage die sich stellt ist aber: Kann man den Unterschied im Alltag wirklich spüren?
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Gerry
25.10.2024 20:37


Danke für das Video... tolles Motorrad ...  🏍💨
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UdoCUXHAVEN
23.10.2024 21:29


Super zu sehen, dass die Versys mit mehr Power und Hubraum kommt, ohne dass die Handlichkeit darunter leidet. Das Upgrade klingt nach einer gelungenen Balance aus Leistung und Fahrkomfort.