Eine funkelnagelneue Harley-Davidson für umgerechnet 2.500 Euro. In Indien müsste man leben. Da geht so etwas. Die Amis aus Milwaukee und Kooperationspartner Hero, omnipräsenter Motorradhersteller auf dem Subkontinent, haben ihr erstes gemeinsames Bike präsentiert – die Harley-Davidson X 440, ein neo-klassisch angehauchter Einzylinder-Roadster mit luft-/ölgekühltem 440-ccm-Motor. „Ein klassisches Retro-Design-Statement“, heißt es dazu auf der indischen Website.
Großer Name für markenbewusste Aufsteiger
Hierzulande sucht man das Schnäppchen-Bike vergeblich im Webkosmos von Harley-Davidson: Die neue X 440 ist ausdrücklich nicht für den europäischen Markt vorgesehen. Schweinerei, denkt man da unwillkürlich. Die kleine Indien-Harley ist nämlich ein recht adrettes Motorrad geworden. Für markenbewusste Aufsteiger aus dem A1-Segment wäre sie durchaus eine interessante Alternative, selbst wenn der Preis in Deutschland vermutlich doppelt so hoch wäre.
Formschöner 13,5-Liter-Tank
Breiter, flacher Lenker. Bequeme Sitzbank. Gussräder in 10-Speichen-Design, vorn 18 Zoll, hinten 17 Zoll groß. Formschöner 13,5-Liter-Tank. Das sieht alles manierlich aus. Auch das für europäische Augen putzig anmutende Sarong-Fanggitter auf der linken Seite des Hinterrads gibt es auf Wunsch. Das Anbauteil mit der Anmutung einer durchgeflexten Voliere soll verhindern, dass sich die knöchellangen, traditionellen Wickelröcke in den Speichen verfangen. Sozia und manch Sozius reisen in Indien gern im Damensitz mit.
LED-Beleuchtung mit auffälligem Tagfahrlicht
Vorn (320 mm) und hinten (240 mm) je eine Scheibenbremse von Brembo-Ableger Bybre. Upside-down-Gabel (43 mm) von KYB. Vernetzung per „HD Connect 2.0“-Paket, Turn-by-Turn-Navigation per Smartphone, TFT-Display in 3,5 Zoll, USB-Quickcharger, LED-Beleuchtung mit auffälligem Tagfahrlicht. Es gibt augenfällig wenig bis nichts zu meckern an der kleinen Harley, die in Indien und weiteren asiatischen Märkten auf wachsende Konkurrenz trifft. Royal Enfield HNTR 350, Honda CB350, die in Indien nahezu identisch eingepreiste Triumph Speed 400, BMW R 310 R – da ist jetzt richtig was los im „kleinen“ Premiumsegment.
Die Inder lieben charakterstarke Einzylinder
Alle diese Bikes zielen mit charakterstarken Einzylindern auf die wachsende Mittelschicht im bevölkerungsreichsten Land der Erde. Und der Markt zieht an: Heimat-Wettbewerber Royal Enfield meldete just die besten Quartalszahlen ever. Triumph bietet die neue Speed 400 nicht einfach so zum nahezu gleichen Preis an wie Harley die X 440. Große Namen und globale Marken ziehen, wenn man sichtbar seinen wachsenden Wohlstand vorzeigen und auf der Straße ausführen möchte.
Schwergewicht im Wettbewerb
805 mm Sitzhöhe, knapp 2,17 Meter lang, fahrbereit 190,5 kg schwer. Schwierigkeiten beim Rangieren sollten Normalwüchsige nicht haben mit dem Harley-Hero-Leichtgewicht, das gleichwohl die nötige Schwere mitbringt, um sich zumindest ein bisschen als Harley-Davidson zu positionieren. Zum Vergleich: Die stylische Royal Enfield HNTR 350 (20 PS, 27 Nm) wiegt fahrfertig wie die Honda CB350 (21 PS, 30 Nm) 181 kg, die Triumph Speed 400 (40 PS, 37,5 Nm) kommt auf 170 kg beziehungsweise als Scrambler 400 X auf 179 kg, die BMW R 310 R (34 PS, 28 Nm) erobert mit federgewichtigen 164 kg das Podium.
Erstaunlich kerniger Sound
27 PS bei 6.000 Touren und maximal 38 Nm bei 4.000 Umdrehungen pro Minute entlocken die Inder dem Motor. Sechs Gänge sind Ehrensache. Topspeed und Beschleunigung sollen über Marktniveau liegen. Einzylinder mit übersichtlicher Leistung sind in Indien nach wie vor schwer angesagt und gemessen am Zustand vieler Straßen auch eine gute Wahl. Der Sound ist erstaunlich kernig, wie erste Videos aus Indien vernehmen lassen. Dort ist die Fachpresse ziemlich aus dem Häuschen, dass Hero seiner Kleinsthubraumwelt (primär 100 bis 200 ccm) entfleucht und sich mit Harley-Davidson zu neuer Größe und Reputation aufschwingen will.
Drei Ausstattungen zum Start
Drei Ausstattungen sind zum Marktstart jetzt im Juli angekündigt. Die Basisvariante „Denim“ soll mit Drahtspeichenrädern kommen, „Vivid“ (umgerechnet 2.800 Euro) hat besagte Aluminiumgussräder, die Topvariante S mit Frästeiloptik und Connectivity-Paket kostet umgerechnet rund 3.000 Euro. Insider raunen, dass die X 440 mittelfristig auf allen Märkten antritt, wo auch Royal Enfield und Triumph vertreten sind mit ihren 350ern/400ern. Damit käme sie dann doch zu uns. Holding out for a Hero.