M&R-PlusGelände vs. Straße: Vier Konfigurationen der BMW R 1250 GS im Vergleich

Eine der wichtigsten Entscheidungen bei der Zusammenstellung einer GS steht gleich zu Beginn an: Adventure oder nicht Adventure – das ist hier die Frage.
Gelände vs. Straße: Vier Konfigurationen der BMW R 1250 GS im Vergleich Vier Konfigurationen der BMW R 1250 GS im Vergleich
Gelände vs. Straße: Vier Konfigurationen der BMW R 1250 GS im Vergleich Die BMW R 1250 GS Adventure mit Alukoffern und hoher Scheibe markiert das eine, die Rallye Edition im Offroad-Trimm das andere Ende der GS-Bandbreite.
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13.03.2022
| Lesezeit ca. 7 Min.
In diesem Jahr geht es rund im Segment der Adventure Bikes. Während KTM mit der 1290 Super Adventure S, Ducati in Form der Multistrada V4 und sogar Harley-Davidson mit der neuen Pan America das Angebot verjüngten, wird BMW uns noch bis zum Jahr 2023 warten lassen. Erst zum 100-jährigen Jubiläum der R 32 kommt die neue R 1300 GS auf den Markt. Angesichts der Absatzzahlen scheint Eile ohnehin nicht vonnöten. Die GS verkauft sich bestens – wobei ich seit meiner letzten Reise in die Fränkische Alb weiß, dass es „die GS“ streng genommen gar nicht gibt.

Enduroparks Hechlingen
Dass mitten in Deutschland der Betrieb eines Geländes wie des Enduroparks Hechlingen möglich ist, gleicht bereits einer kleinen Sensation. Denn anfangs waren die Anwohner überhaupt nicht begeistert, dass ausgerechnet im stillgelegten Steinbruch jemand Motorsport betreiben wollte. Doch selbst das Bundesumweltministerium zeichnete die Anlage im Rahmen des „Wettbewerbs Deutscher Naturpark“ für die beispielhafte Synthese von Freizeitgestaltung und Naturschonung aus.

Jedem Tierchen sein Pläsierchen

„Jedes Motorrad kann vom Händler individuell auf seinen zukünftigen Besitzer zugeschnitten werden“, erklärt man mir hinter den Kulissen von BMW Motorrad in München. Mein Blick schweift über eine ganze Armada von GS-Modellen in den unterschiedlichsten Konfigurationen. Gemeinsam haben sie im Grunde nur den Antriebsstrang, den Rahmen mit Telelever und die Kardanschwinge. Darüber hinaus nehmen unzählige Details Einfluss auf den Charakter der Maschine.

Die BMW R 1250 GS Adventure mit Alukoffern und hoher Scheibe markiert das eine, die Rallye Edition im Offroad-Trimm das andere Ende der GS-Bandbreite.
Die BMW R 1250 GS Adventure mit Alukoffern und hoher Scheibe markiert das eine, die Rallye Edition im Offroad-Trimm das andere Ende der GS-Bandbreite.
Eine der wichtigsten Entscheidungen bei der Zusammenstellung einer GS steht gleich zu Beginn an: Adventure oder nicht Adventure – das ist hier die Frage. Die Antwort sollte wohlüberlegt sein. Satte 30 Liter fasst der Tank des Abenteuermodells. In Kanada oder Australien ist das ein echtes Verkaufsargument. Knapp 600 Kilometer Reichweite zeigt das Display nach jedem Tankstopp an. Dazu bietet die breite Front nochmals deutlich mehr Wetterschutz als die der Standard-GS mit 20-Liter-Tank. Die Sache hat jedoch einen schwergewichtigen Haken: 268 Kilogramm stehen im Datenblatt der Großen. In Basisausstattung. Ohne Extras. Ohne Gepäcksystem. Die reichhaltig ausgestattete Kofferburg, die mich an diesem Tag in die Fränkische Alb tragen wird, dürfte von der Drei auf der Waage nicht weit entfernt sein. Zudem beeinflusst der breite Tank die Sitzposition, spreizt die Beine des Fahrers spürbar und die Sitzhöhe fällt mit 890 bis 910 Millimetern um 40 Millimeter höher aus als die der normalen GS.
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Die höhere Adventure tieferlegen?

BMW R 1250 GS Adventure
BMW R 1250 GS Adventure
Damit auch kleine Fahrer in den Genuss der großen Adventure kommen, können die Fahrwerkskomponenten der Standard-GS verbaut werden. Sie sind kürzer, haben eine niedrigere Federrate und sind damit auch etwas weicher abgestimmt. Die ESA-Fahrwerke gibt es obendrein. Seit sie sich automatisch der Beladung anpassen, entscheiden sich rund 80 Prozent der Kunden für das elektronische System. Andersherum ordern Fahrer, die gern auf 30 Liter Tankvolumen verzichten, aber die langen Federwege bevorzugen, die Adventure-Komponenten für ihre normale GS. Ähnlich der Fahrwerke kann nahezu jedes Anbauteil in ähnlicher Weise konfiguriert werden. Die verstellbaren Windschilde gibt es in drei Höhen, einteilige Sportsitzbänke und zweiteilige Komfortsitzbänke, jeweils in hoher, in niedriger sowie in Standardausführung – auf Wunsch mit Sitzheizung. Allein, um die resultierenden Sitzhöhen aller Bank-Fahrwerk-Kombinationen zu überblicken, ist bereits eine ganzseitige Tabelle vonnöten. Mit den elektronischen Assistenzsystemen, der Wahl zwischen Guss- oder Speichenfelgen, mit Straßen- oder doch lieber Geländereifen, Gepäcksystemen und dem optischen Zierrat hat man zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht angefangen. Ist man mit der „Sonderausstattung ab Werk“ fertig, geht es auf Wunsch mit dem Zubehör weiter. Dieser Unterschied ist BMW wichtig.

BMW R 1250 GS - Edition 40 Years GS
BMW R 1250 GS - Edition 40 Years GS
Wichtiger ist mir unser Tagesziel in der Fränkischen Alb. Im Enduropark Hechlingen und auf den Straßen rund um das nahe gelegene Altmühltal gilt es, das Spektrum der unterschiedlichen GS-Konfigurationen miteinander zu vergleichen. Auf dem Papier ähneln sie sich alle. Baff bin ich, als ich nach der Anreise auf der fast dreihundert Kilogramm schweren Adventure mit Straßenbereifung auf die Edition-40-Years-GS umsteige. Die schwarz-gelbe Retro-Schönheit ist mit Michelin Anakee Wild bereift und im ersten Moment kann ich nicht glauben, dass es sich hier um die gleiche technische Basis handeln soll. Sportlich, zackig, wieselflink biegt sie wie ein Naked Bike ums Eck, während sich die Adventure zuvor als komfortabler, eher träger Reisedampfer präsentierte. Der Blick ins Cockpit verrät, dass die 40-Years-GS im Dynamic-Modus von Motor- wie Fahrwerksmapping unterwegs ist. Obendrein verzerrt ein kernig klingender Akrapovic-Auspuff den subjektiven Eindruck. Vor allem in Sachen Gewicht und der daraus resultierenden Fahrdynamik liegen zwischen beiden Bikes aber Welten. Laut BMW entscheiden sich mittlerweile 45 Prozent aller GS-Kunden für die Adventure. Je nach Einsatzzweck kann ich das sogar nachvollziehen.

Je nach Einsatzzweck unterscheiden sich die GS-Modelle deutlich.
Je nach Einsatzzweck unterscheiden sich die GS-Modelle deutlich.
Nach dem direkten Vergleich rate ich dennoch: Überlegt euch gut, ob ihr sie wirklich braucht und ihr Potenzial nutzen könnt. Um sie einfach nur zu haben, ist das Opfer zulasten des Handlings meiner Meinung nach zu groß.
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Keine Angst vor Fehlern

Zumindest eine beruhigende Gewissheit hat man bei aller Vielfalt: Egal wie absurd man die Kreuzchen in der Ausstattungsliste kombinieren mag. Alle Konfigurationen ergeben trotzdem ein Motorrad, das gut und sicher funktioniert. Damit der Kunde sich darauf verlassen kann, testet man bei BMW sehr gewissenhaft. Ein Beispiel ist die eingangs erwähnte Tieferlegung. Da gerade die eher kleingewachsenen Asiaten besonders auf die große Adventure stehen und vehement eine tiefergelegte Version forderten, schickte BMW zunächst entsprechend präparierte Testmaschinen ins Gelände. Mit überraschendem Ergebnis: Trotz geringerer Bodenfreiheit war sie in kundiger Hand ähnlich geländegängig wie die übrigen GS-Modelle.

Wer will da runter?“ Letzte Tipps des Instruktors an der Abbruchkante.
Wer will da runter?“ Letzte Tipps des Instruktors an der Abbruchkante.
Darüber hinaus attestierten die Testfahrer der Maschine aufgrund ihres abgesenkten Schwerpunkts stellenweise sogar Vorteile. Entsprechend wurde die Tieferlegung bedenkenlos ins Programm aufgenommen und wird seitdem gar nicht so selten bestellt. Angekommen am Enduropark Hechlingen bin ich wenig überrascht, dass man uns bereits erwartet. Seit 1993 wird das gigantische Areal in einem stillgelegten Steinbruch betrieben. Zunächst von BMW Motorrad, seit 2008 als eigenständige GmbH.
Mit knapp 4.000 Teilnehmern im Jahr gilt der über 26 Hektar große Park als eines der führenden Offroad-Trainingszentren Europas.

Fürs Gelände braucht auch die BMW GS Rüstzeug

Die GS im Gelände kaum aufzuhalten. Sie meistert steile Auf- und Abfahrten, hält Kurs auf schlammigem Untergrund und wendet auf kleinstem Raum.
Die GS ist im Gelände kaum aufzuhalten. Sie meistert steile Auf- und Abfahrten, hält Kurs auf schlammigem Untergrund und wendet auf kleinstem Raum.
Abermals wechsle ich die Maschine. Die Rallye Edition der GS wurde vom Enduropark optimal auf den Einsatz im Gelände vorbereitet. Nicht nur, was die Bereifung betrifft. Ein Hauptständer fehlt. Er würde hier nur unnötig die Bodenfreiheit einschränken. Im Gegenzug sind Motorschutz, Kühlerschutz und Schnabelverlängerung montiert. Die harte Sportsitzbank, die ich während der Anfahrt noch als unkomfortabel empfand, bietet Offroad in ihrer niedrigsten Version mehr Bewegungsfreiheit. Vor allem auf steilen Abfahrten erleichtert sie die Gewichtsverlagerung. Zu guter Letzt dient die seit Kurzem erhältliche Edelstahlgepäckbrücke als massiver Griff für Helfer und der kürzeste der drei Windschilde erleichtert den Blick vors Motorrad. Derart ausgerüstet ist die GS im Gelände kaum aufzuhalten. Sie meistert steile Auf- und Abfahrten, hält Kurs auf schlammigem Untergrund, wendet auf kleinstem Raum, wühlt sich durchs trübe Wasser und springt über Hügel. Wohlgemerkt, in dieser Konfiguration. Dieselben Sektionen mit der straßenbereiften Adventure samt beladenen Koffern bewältigen zu müssen, wäre mit Sicherheit eine ganz andere Hausnummer. Meine Begeisterung dafür entspricht in etwa meiner Lust, mit Stollenreifen, hartem Sportsitz und niedrigem Windschild die Rückfahrt nach München antreten zu müssen.

BMW R 1250 GS Rallye Edition
BMW R 1250 GS Rallye Edition
Zum Glück parkt da noch eine ganz bodenständige GS vor der Tür – nur leicht getarnt mit dem Dekorsatz der GS-Trophy 2022. Straßentauglicher als die Maschinen des Enduroparks, aber längst nicht so schwer wie die Adventure, bringt sie mich völlig unaufgeregt zurück in die Großstadt. Mitten durch die Ausläufer des Starkregens, der Tags darauf große Teile von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz in den Wassermassen versinken ließ. Selbst das Wetter gab also alles, um die BMW R 1250 GS aus allen Blickwinkeln betrachten zu können. Obwohl es sich – theoretisch – immer um das gleiche Motorrad handelt, haben sie praktisch erstaunlich wenig gemein. Die Bandbreite an Fahrzeugen, die sich auf Basis des Shiftcam-Boxers realisieren lässt, ist beeindruckend. Vermutlich finden deshalb so viele Motorradfahrer in der GS eine Maschine, die sich auch auf ihre Bedürfnisse perfekt zuschneiden lässt. Wenn es also das nächste Mal heißt: „Ach, du fährst ebenfalls GS?“, muss die Antwort lauten: „Nein, ich fahre meine GS.“
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BMW R 1250 GS - Baujahr: 2021
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