Fahrtest: Kawasaki Z900

Zeitgleich mit der Markteinführung der neuen Z900 schickt Kawasaki den langjährigen Bestseller Z800 in Rente. Mehr Power, weniger Gewicht: Die Neue verspricht eine noch ausgewogenere Balance aus Leistung und Handling – und das zu einem äußerst attraktiven Preis.
 Hanspeter Küffer
 Ula Serra & James Wright
Mag sein, dass sich ältere Motorrad-Semester erinnern: Eine Z900 gab es schon einmal, allerdings ist das nunmehr 45 Jahre her. 1972 ließ Kawasaki die 900 Z1, den ersten luftgekühlten Reihenvierer-Viertakter, anrollen. Mit 79 PS, 230 Stundenkilometern Spitze und einer Beschleunigung in 4,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h versprach das damals als Antwort auf die legendäre CB 750 Four von Honda lancierte Superbike rekordverdächtige Eckdaten. Wie zuvor die erfolgreichen Kawasaki Zwei- und Dreizylinder-Zweitakter begeisterte an der 900 Z1 vor allem der Motor – ganz im Gegensatz zum Fahrwerk. Das aus feinen Röhrchen zum filigranen Rahmen zusammengebrutzelte Gestänge vermochte dem damals enormen Leistungspotenzial in keiner Weise gerecht zu werden. Insbesondere bei hohen Geschwindigkeiten war die Fuhre unstabil und entwickelte zuweilen eine nicht ganz ungefährliche Eigendynamik. 

Der aus der Z1000 stammende Motor leistet gute Dienste

Heute ist das alles ganz anders. Die Z-Baureihe wurde in den letzten Jahren zum wichtigsten Standbein von Kawasaki weiterentwickelt. Bis auf den Namen hat die neue Z900 mit dem einstigen Urgestein nichts mehr gemeinsam. Selbst mit dem äußerst beliebten Vorgängermodell, der Z800, gibt es so gut wie keine Gemeinsamkeiten mehr. Eine gewisse Verwandtschaft besteht dagegen zur Z1000, von der der flüssigkeitsgekühlte Motor abstammt. Geringere Zylinderbohrungen reduzieren den Hubraum auf 948 ccm und die maximale Leistung auf 125 PS. Letztere erreicht die Z900 jedoch bereits bei 9.500 U/min und damit 500 Umdrehungen früher als die Z1000 ihre 142 PS.

Solchermaßen modifiziert, gewährleistet das vibrationsarm laufende Aggregat nun weitgehend gleichmäßigen Schub von ganz tief unten bis weit nach oben, wo es ab rund 7.000 U/min so etwas wie den Nachbrenner zündet. Untermalt wird das Ganze von einem attraktiven Akustikprogramm, das sich vom diskreten Säuseln im Standgas über gierig schlürfende Ansauggeräusche bis hin zum bösen Schreien in den obersten Drehzahlregionen entwickelt. Übertrieben laut ist die Z900 jedoch nie.  Gasannahme und -dosierung funktionieren vorbildlich und  gänzlich frei von Lastwechseln. Die Bedienung der Assist- und Rutsch-Kupplung erfordert wenig Kraftaufwand am Handhebel, sie verhindert zudem ein Stuckern des Hinterrades, wenn versehentlich einmal extrem heftig heruntergeschaltet wird. Der durchzugsstarke Charakter des Reihenvierers und die relativ kurz gewählte Übersetzung der Gänge eins bis fünf ermöglichen betont schaltfaules Fahren, wogegen die sechste Stufe als Overdrive für drehzahlschonendes Fahren bei gleichmäßig hohen Geschwindigkeiten ausgelegt ist.

Der bedeutsamste Unterschied im Vergleich zur Vorgängerin betrifft jedoch das Gewicht. Die 800er war beachtliche 21 Kilogramm schwerer. Mit vollem Tank wiegt die neue Z900 210 Kilogramm, das ist im Vergleich zu den maßgebenden Mitbewerbern eigentlich ganz okay. Den wesentlichsten Beitrag zur Gewichtsreduktion leistet der neue, lediglich 13,5 Kilogramm schwere Stahl-Gitterrohr-Rahmen, der den Motor als mittragendes Element integriert und ganz ähnlich aufgebaut ist wie jener der ebenfalls rundum neuen Z650. Das Basis-Setup der Upside-down-Gabel und des tief und nahezu horizontal eingebauten Zentralfederbeins ist sportlich straff. Bei beiden Federelementen können die Vorspannung und die Zugstufe reguliert werden.

Harte Fahrwerksabstimmung und gut zupackende Bremsen

Auf gut asphaltierten Straßen funktioniert die Abstimmung hervorragend. Die Z900 glänzt hier mit hoher Präzision. Zielgenau und stabil trifft sie die gewählte Linie, egal, ob in schnellen oder langsam gefahrenen Kurven. Sie ist sehr handlich und fordert selbst bei schnellen Kurvenwechseln kaum Körpereinsatz. Auf Störeinflüsse wie Schlaglöcher, schlechten Asphalt und Unebenheiten reagiert jedoch die eher hart abgestimmte Hinterradfederung relativ unwirsch. Großes Lob gibt es hingegen für die Bremsen. Die beiden 300 Millimeter großen, mit Vierkolbenzangen bestückten Scheibenbremsen im Vorderrad sind gut dosierbar. Sie vermitteln viel Vertrauen, um mit lediglich sehr geringem Aufstellmoment bis tief in Kurven hinein bremsen zu können. 

Das Design orientiert sich an den Schwestermodellen

Kantiges Design, tiefe Front, hohes Heck – das aggressive Styling der Z900 ist dem der Schwestermodelle nachempfunden. Bis auf die unterschiedliche Skalierung entspricht das einfache Cockpit weitgehend demjenigen der Z650. Wünschenswert wäre eine Bedienung vom Lenker aus. Dazu kommt die tiefe Positionierung und die trotz drei wählbaren Layouts lediglich befriedigende Ablesbarkeit. Eine niedrige Sitzposition und ein hoch aufragender Tank integrieren den Fahrer richtiggehend ins Motorrad. Hoch montierte Fußrasten gewährleisten nahezu grenzenlose Schräglagenfreiheit, sie bewirken jedoch auch einen unangenehm engen Kniewinkel. Mehr als 1,80 Meter großen Fahrern empfiehlt sich deshalb die optionale, um 25 Millimeter höhere Sitzbank. Eine weitere Empfehlung ist die Zubehör-Abdeckung für den Sozius-Sitz. Das Heck sieht dadurch noch schärfer aus, und vor allem wird dadurch unmissverständlich klar, dass hinten sowieso keiner mitfahren kann. Insgesamt macht die Z900 einen wertigen Eindruck. Alles ist tadellos sauber verarbeitet. So simpel wie das Bike aufgebaut ist, so einfach ist die Ausstattung. Die einstellbaren Handhebel für Kupplung und Bremse sind daher lobenswert. Als einzige elektronische Fahrhilfe ist ABS an Bord. Auf eine Traktionskontrolle – in dieser Klasse heutzutage üblich – hat Kawasaki ebenso verzichtet wie auf wählbare Motormodi, die Steckdose fürs Smartphone oder Navi sowie weitere nicht wirklich notwendige und kostspielige Features. Die neue Kawasaki Z900 ist eine grundehrliche, schnörkellose Fahrmaschine. Sie funktioniert perfekt, sie sieht rattenscharf aus und der Preis von 8.895,-- Euro ist schlicht ein Hammer.


#Kawasaki#Motorräder#Naked Bike#Test
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