Fahrtest: Kawasaki Versys 1000 – two Kawas are better than one

Doppelt hält besser!? Wir hatten die Möglichkeit gleich zwei Exemplare der neuen Kawasaki Versys 1000 völlig unabhängig voneinander zu testen.
  Jost G. Martin & Walter Hasselbring
  Jost G. Martin, Kawasaki
Gegen Platzhirsche ist meistens nur schwer anzukommen. Gerade in der Reiseenduro-Klasse haben es kleinere Marken häufig schwer. Kleinere Marke trifft es jetzt bei Kawasaki nicht, aber zumindest auf dem Reiseenduro-Markt spielen die Japaner nicht bei den ganz Großen mit. Doch da der Markt vorhanden ist, möchte man bei Kawasaki auch diesen bedienen und stellte bereits 2011 die erste Versys 1000 vor. 

Off-Road? - Nicht wirklich!

In diesem Segment wird, so wie bei den Autos in der SUV-Kategorie auch, oft der Eindruck der Geländegängigkeit gepflegt, die in der Realität bei 240 Kilogramm Ungetümen meistens aber doch nur in einem sehr  überschaubaren Umfang vorhanden ist. Kawasaki versucht mit der „Versys“ erst gar nicht diesen Eindruck zu erwecken. Vielmehr sieht man bei den Japanern in dem Einliter-Motorrad eher den sportlichen Allrounder mit besten Toureneigenschaften. „Dual Purpose Bike“ heißt das im neuen Motorradsprech. DPB wird man sich wohl bald ebenso merken müssen wie das SUV bei den Autos. Bisher galten Kawasakis „DPB’s“ aber eher als bieder und betulich. Dies hat sich allerdings mit der neuen „Versys 1000“ gründlich geändert.

Über Geschmack lässt sich streiten...

Wer erinnert sich nicht an die etwas verschreckt wirkenden Gesichter, als die erste Versys 1000 auf den Markt kam. Meinte Kawasaki das wirklich ernst? Hatten die Marketing-Experten von Kawa die Sache mit dem „eigenständigen Design“ wirklich so gewollt? Nun ja, über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten und schließlich hat Kawasaki die Kritik ernst genommen, denn nach nunmehr zwei Jahren hat man der Versys 1000 ein völlig neues und wirklich ansehnliches Kleid verpasst. Auch unsere beiden Tester nahmen sich zuerst der Optik an – was für ein Zufall...
Auf der Strecke vom Allgäu bis hinunter nach Südtirol, unterzog Jost G. Martin die Versys 1000 einem ausgiebigen Test.
Die „Neue“ ist wirklich attraktiver geworden, sieht nicht mehr so klobig, sondern eher sportlich aus, eben ganz der Kawasaki-Philosophie entsprechend. Sportlich und durch die Farbgebung – unsere Testmaschine erschien in „candy burnt orange“ und schwarz – ein bisschen aggressiv wirkend, kann die neue Optik wirklich gefallen. Statt des viereckigen Scheinwerfers blickt uns nun der Doppelscheinwerfer aus der Z1000SX in die Augen und verändert das Gesicht der Versys zum Positiven hin, wenn auch die „Eigenständigkeit“ der alten Versys dabei verloren gegangen ist – Gott sei Dank. 

Was hat die Überarbeitung noch gebracht?

Dem Grand Tourer hat man zwei in Fahrzeugfarbe lackierte Koffer mit je 28 Liter Fassungsvermögen an die Seiten gehängt. Sie passen sich ebenso wie das große, 47 Liter fassende Top Case sehr schön in die Fahrzeuglinie ein und bieten genügend Stauraum für ein langes Wochenende zu zweit oder die Solo-Tour für eine längere Reise. Das Einschlüsselsystem für Zündung und Koffer, ein Hauptständer, Handprotektoren und Ganganzeige gehören inzwischen bei Reiseenduros zum Standard. Die ebenfalls zur Serienausstattung gehörenden Zusatzscheinwerfer muten allerdings ein wenig vorsintflutig an und passen so gar nicht in die ansonsten sportlich-elegante Linie. Aber auch sonst hat sich einiges getan: Das Windschild lässt sich in der Höhe um einiges mehr verstellen, Kupplungs- und Bremshebel sind verstellbar und der Lenker ist etwas höher angebracht, um dem Fahrer eine aufrechtere und damit auf langen Strecken bequemere Sitzposition zu ermöglichen. Unser Testfahrer konnte das aus eigener Erfahrung bestätigen. Und er bemerkte mit Vergnügen, dass die lästigen Vibrationen in den Lenkerenden so gut wie verschwunden waren. Auch in diesem Bereich hat Kawasaki Hand angelegt. Lenker und Motor sind nunmehr gummigelagert und reduzieren die Kawa-typischen Vibrationen des leistungsstarken Vierzylinders deutlich.

Wie steht es um den Motor?

Waren Vierzylinder-Motoren bei Reiseenduros bisher nicht üblich, so zeigen sie auch in dieser Kategorie ihre Berechtigung. Leistungsstark mit 120 PS, drehfreudig und zugleich mit 102 Newtonmetern enorm durchzugsstark zeigt sich der Motor von seiner besten Seite. Im sechsten Gang durch die Stadt oder gemütlich über die Landstraße zu rollen bereiten ihm ebensowenig Probleme wie das Auskosten der Leistung bei höheren Drehzahlen in den niedrigeren Gängen. Letztes zauberte unserem Testfahrer beim Tanz über die Alpenpässe auf dem Weg aus dem Allgäu nach Südtirol und zurück immer wieder ein begeistertes Grinsen ins Gesicht. In allen Drehzahlbereichen entwickelt der Vierzylinder Bärenkräfte und schiebt das Motorrad mit Nachdruck vorwärts. Unterstützt wird die sichere Umsetzung der Leistung durch eine dreistufige Traktionskontrolle und eine Anti-Hopping-Kupplung. Die tadellose Funktion der Traktionskontrolle kann man immer wieder beim Herausbeschleunigen aus engen Kurven und Spitzkehren feststellen und nebenbei verlängert sie auch Lebensdauer des Hinterradreifens. Zum Thema Sicherheit gehören natürlich auch die ausgezeichneten Bremsen, die sehr gut dosierbar sind und bei harten Bremsmanövern richtig zubeißen. Ein gut funktionierendes ABS ist auch Kawasaki-Standard.

Das Fahrwerk ist von seiner Auslegung her eher als komfortabel zu bezeichnen und eher für die lange Tour gedacht. Der 21-Liter-Tank verbunden mit einem Durchschnittsverbrauch von knapp über 5 Litern auf 100 Kilometern garantiert eine gute Reichweite. Manuelle Einstellmöglichkeiten sowohl an der 43er Upside-down-Gabel als auch am Federbein machen aber eine straffere und damit sportlichere Abstimmung des Fahrwerks möglich. Die neue Versys hat trotz des leicht angestiegenen Gewichts nichts von ihrer Handlichkeit eingebüßt und ließ sich in unserem Testgebiet leichtfüßig durch die Kurven und Kehren bewegen. Aber noch so viel Lob für die gelungene Überarbeitung der Versys 1000 täuscht nicht darüber hinweg, dass es an einigen Stellen noch weiterer Nacharbeit bedarf. So war die Verarbeitung der Verkleidung unseres Testexemplars nicht besonders gut und die Ablesbarkeit des Bordcomputers nicht optimal. Dennoch hat Kawasaki mit der überarbeiteten Versys 1000 ein tolles Motorrad auf den Markt gebracht, das in der Grand Tourer-Version mit 13.990,- Euro auch preislich absolut konkurrenzfähig ist. Draufsetzen, fahren und sich wohlfühlen.

Josts Fazit

Mit dem neuen, sportlichen Gesicht, den vielen serienmäßigen Ausstattungsteilen, dem klasse Motor und dem guten Fahrwerk sowie dem verhältnismäßig günstigen Preis ist die Kawasaki Versys 1000 Grand Tourer eine sehr gute Wahl.

Walter Hasselbring testete die Versys 1000 auf einer ausgiebigen Tour durch den Taunus.
Schon die Optik ist gegenüber dem Vorgängermodell erheblich peppiger geworden. Das liegt vor allem an den neuen Doppelscheinwerfern, die jetzt nebeneinander statt übereinander platziert sind. Leider gibt es aber für die Neue keine LED-Frontbeleuchtung, die mittlerweile zum Standard in dieser Klasse gehören sollte. Auffällig ist auch der große Windschild, der in der Höhe von 30 bis 75 Millimeter ohne Werkzeug verstellbar ist. So bietet es auch großen Fahrern genügend Windstille im Cockpit und man kann in jeder Lage die gute, aufrechte Sitposition genießen, die auch noch zur besseren Beherrschbarkeit des Bikes beiträgt.  

Beim Motor setzt man auf Altbewährtes!

Der phänomenale, drehfreudige, dabei aber laufruhige Vierzylinder-Reihen-Motor ist schon aus dem Vorgängermodell bekannt und bedurfte keiner Modifikation. Er ist für maximalen Fahrspaß auf der Straße ausgelegt. Seine 120 Pferdestärken schieben das Motorrad zwar gewaltig nach vorne, sind aber dank seidenweicher Gasannahme durch den Einbau einer ovalen Sekundär-Drosselklappe gut beherrschbar. Der Ansaug-Sound, den der Motor abgibt, sucht in dieser Fahrzeug-Kategorie seinesgleichen. Der Fahrer kann zwischen mehreren Betriebsmodi wählen. Die leistungsdrosselnde Variante ist im Normalbetrieb nicht unbedingt nötig, da die serienmäßige Traktionskontrolle ihre Arbeit vorzüglich verrichtet. 

Ab 6.000 Touren blüht der Motor noch einmal mit einem Leistungsschub auf. Lediglich der unkomfortable Lastwechsel hat ein wenig gestört. Wir fühlten uns jedenfalls auf einer ausgiebigen Testfahrt durch den Taunus schon nach wenigen Minuten auf dem 241 Kilogramm schweren Motorrad bestens aufgehoben. Sehr hilfreich ist die neue rennerprobte Kupplungstechnologie, die weniger Kraftaufwand am Hebel verlangt und noch dazu eine Anti-Hopping-Funktion hat. 

Gute Ergonomie und genug Platz!

Auffällig ist der üppig gepolsterte Sitz für Fahrer und Sozius. Die 840 mm hohe Bank ist mit speziellem, neuem Material überzogen.  Die Fußrasten sind recht tief angebracht und liegen relativ weit vorne, sodass auch große Fahrer keine Probleme mit dem Kniewinkel bekommen sollten. Der Beifahrer wird außerdem noch mit gummierten Fußrasten und ergonomisch geformten Haltebügeln verwöhnt. So dürfte auch eine lange Fahrt im Zweipersonen-Betrieb komfortabel sein. Damit für die Sozia mehr Gepäck als ein Schminkkoffer möglich ist, bietet die Grand Tourer ein  47 Liter fassendes Topcase, in dem aber auch zwei Integralhelme Platz haben. Das Befestigungssystem für die Seitenkoffer ist überarbeitet worden, so dass einmal die Gepäckbehälter besser in das neue Design integriert sind und andererseits die Heckpartie auch ohne Koffer ein Hingucker bleibt. 

Das Fahrwerk sorgt für ein tadelloses Handling!

Auch das Handling der neuen Versys 1000 ist tadellos. Die Maschine ließ sich problemlos durch die engen Kurven im Taunus dirigieren. Dafür sorgen unter anderem ein leichter aber hochfester Aluminium-Doppelrohrrahmen und eine neue gummigelagerte obere Motoraufhängung. Diese vermindert außerdem die Vibrationen des Aggregates. Dazu kommen noch die leichten, sportlichen 17 Zoll-Räder. Für das hervorragende Fahrverhalten ist aber natürlich vor allem das Fahrwerk  zuständig. Vorne überzeugt die Upside-Down Federgabel. Auch das Hinterrad bleibt  mit dem horizontalen Back – Link –Federbein verlässlich in der Spur. Die Federwege erinnern zwar eher an eine geländetaugliche Maschine, sind aber besonders auf schlechte Fahrbahnbeschaffenheiten ausgelegt und gehören somit eher zum Sicherheitspaket. Das Motorrad richtet sich auch in überdurchschnittlicher Schräglage beim Bremsen kaum auf  und nimmt auch wellenreiche Kurven souverän. Die Federvorspannung kann je nach Fahrbetrieb einfach mit einem Handrad verstellt werden. Zu so viel Fahrdynamik gehört natürlich auch eine adäquate Verzögerung. So sind die Bremsscheiben mit einem neuartigen Bremsbelagmaterial beschichtet, das festeres Zupacken ermöglicht. Dazu gehört heutzutage natürlich ein ABS, das bei der Versys ebenso wie ein Hauptständer serienmäßig ist. 

Ein tourentaugliches Tankvolumen und eine recht üppige Ausstattung.

Erwähnenswert ist auch der große Tank. Er fasst 21 Liter und ermöglicht so  theoretisch Touren bis zu 400 Kilometern. Ein neuer Sensor im Benzinbehältnis  misst die verbleibende Reichweite sehr präzise. Es wird laufend ein Mittelwert angezeigt , sodass auch Schräglagen die Werte nicht verzerren. Wir haben bei zügiger Fahrweise im Schnitt annehmbare 5,2 Liter verbraucht. Kawasaki bietet  für den „Grand Tourer“  ein umfangreiches Ausstattungspaket. Handschutz, wie bei Enduros üblich, LED-Nebelscheinwerfer, eine runde Ganganzeige und Kunststoff-Rahmenschützer und Vorderachs-Sturzpads. Außerdem ist eine Hochleistungslichtmaschine verbaut, die ausreichend Energie für eine Gleichstrom- Steckdose liefert, mit der man beispielsweise das Navi betreiben kann. Eine sinnvolle Ergänzung ist außerdem ein Helmschloss, das am hinteren Rahmenteil seinen Platz findet und zusammen mit Seitenkoffern und Topcase, durch nur einen Schlüssel zu sichern ist. 

Walters Fazit

Für knapp 14.000 Euro bekommt man ein Motorrad, das sich angenehm vom Mainstream in dieser Klasse abhebt. Die Leistungsdaten sind über jeden Zweifel erhaben und die Maschine taugt sowohl für lange Strecken als auch für den täglichen Weg zur Arbeit.  Bei einer Zuladung von 212 Kilogramm  ist sie außerdem für den Zweipersonenbetrieb geeignet.


#Kawasaki#Motorräder#Test#Tourer
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