Fahrtest: Honda Varadero 1000

Honda Varaderos bevölkern schon seit 1999 die Straßen dieser Welt. Dabei ist die beliebte Reiseenduro aber garantiert nicht in die sprichwörtlichen Jahre gekommen, sondern ständig verbessert worden, was aktuell auch der recht geringe Durst der großen Honda beweist.
 Nick Lass
 Sabine Klose
Wie die Zeiten sich doch ändern, denn mal eben flott den Tankinhalt einer aktuellen Varadero verdampfen - das funktioniert so einfach nicht mehr! Um rund 1,5 bis 2 Liter Normalbenzin auf 100 Kilometer sank der Verbrauch der Ver­­sion ST 2 gegenüber den Vorgänger­mo­dellen und liegt nun in einem Bereich, wo meist eine 5 vor dem Komma steht. Und das darf man getrost als echten Quantensprung in Sachen Tou­ren­taug­lichkeit sehen, hat sich die Reichweite mit einer Tank­füllung doch auf mindestens 350 Kilometer erhöht, selbst wenn man forsch mit dem Gasschieber umgeht. So denkt man beim Fah­ren ei­gentlich erst wieder ans Tanken, wenn die superhelle Tank­leu­chte zum Boxenstopp bittet. Kommen wir deshalb lieber zum Fahrwerk, das bestens abgestimmt ein Top-Fahrverhalten bietet und damit in dieser Fahrzeugklasse die Nase vorn hat. 

So macht es von Anfang an wirklich Spaß mit der Varadero übers Ländle zu düsen, Kurven zu räubern oder alpine Alpenpässe unter die Reifen zu nehmen. Stoisch zieht sie dabei den angepeilten Weg, lässt sich mit geringem Aufwand steuern und von einer Schräglage in die Andere drücken. Das macht Spaß, der auch im Soziusbetrieb nahezu erhalten bleibt, da das Fahrwerk auch bei höheren “Zuladungen” nicht teigig wird. Nur beim scharfen Bremsen taucht die Varadero vorn spürbar ein, behält jedoch immer noch genug Restfederweg, um Uneben­heiten weg­­zufiltern. Und falls der Sozius doch größere Ab­messungen hat und entsprechend schwer ist, oder eben schwere Lasten transportiert werden, kann man am gut erreichbaren Hand­rad die Federvor­span­nung am Heck ruckzuck erhöhen. Passa­giere werden übrigens sehr gerne hinter dem Fahrer Platz nehmen, ihr Sitz ist nämlich sehr bequem, ein anständiger Knie­winkel und eine einladend große Sitzfläche definieren auch hier den Klassenstandard neu. Die Varadero-Besatzung erfreut sich zudem einem sehr guten Wind- und Wetterschutz.

 
Erfreulich ist auch, dass es dank dem wirklich opulenten Lenk­einschlag gelingt, das doch recht große Motorrad bei Bedarf auf der Straße zu wenden, ohne zwischendurch zurück setzen zu müssen. Allerdings dürf­­ten kleinere Zeitgenossen mit der Varadero im Rangier­be­trieb dennoch erhebliche Probleme haben: “Es ist eben ein sehr, sehr großes Motorrad.” Dafür hat der Motor - ein äußerst kultivierter 1.000 ccm 90° V2 ohne irgendwelche Zipperlein - mit dem “Brocken” keinerlei Pro­bleme. Schon bei 1500 Umdrehungen nimmt das Triebwerk sauber Gas an, bei 2.000 Umdrehungen ist dann Kraft im Überfluss vorhanden und ab geht die sprichwörtliche Post. Die gesamte Motorcharakteristik ist dann auch genau richtig ausgelegt, um auf den Landstraßen dieser Welt Kurven jeglicher Radien genussvoll zu räubern. 

Mit der Varadero hat Honda eine tolle Reiseenduro im Programm, die mittlerweile auch durch angenehme Trinkqualitäten auffällt. 
Da liegt natürlich der Gedanke nah, dass sich die Varadero auch für lange Reisen hervorragend eignet, zumal man auf dieser Reiseenduro völlig entspannt sitzt und so locker manchen Kilo­me­ter mehr herunter spulen kann. Erfreulich dabei ist auch, dass das vollständig ausgestattete Cockpit übersichtlich über fast alles informiert, was man wissen möchte. Einen ganz speziellen Plus­punkt gibt es für die beiden analogen Anzeigen für Ge­schwin­digkeit und Drehzahl. Es ist einfach nur wohltuend ohne hektisch-digitales Gezappel am Tacho oder Raumschiff-Orion-8-LCD-Balken für die Umdrehungen auskommen zu dürfen. An alle Reisewilligen sei auch noch der Tipp gerichtet, dass man die Varadero unbedingt in der Version Travel (Aufpreis: 1.027,27 Euro) ordern sollte. Hier gehören ein in Fahrzeugfarbe lackiertes Kofferset samt Trägersystem, Heizgriffe und ein praktischer Hauptständer dazu.  Achtung: Beim Lösen oder Befestigung der Koffer sollte man unbedingt vorher die Betriebsanleitung lesen und die Koffer immer gut fest halten, ansonsten rutschen sie (wie im Test leider geschehen) schnell mal über den Asphalt. 

Zudem sollte man die Varadero mit ABS (Aufpreis 900,-- Euro) ordern. Das funktioniert hervorragend und sichert einen hohen Wieder­ver­kaufs­wert. Im Zusammen­spiel mit dem Honda-CBS (Kombibremssystem für Vorder- und Hinter­rad) lassen sich so ab­solute Top-Verzögerungen realisieren, ohne dass die Vara­dero ihrer Linie untreu würde. Fazit: Die Honda XL1000V Varadero ABS präsentiert sich als ein absolutes Top-Motorrad für alle Tourenfans. So kritisch man dieses Motorrad auch betrachten mag, es gibt einfach kaum was zu mäkeln. Das einzige Zubehör, was wir unserer Redaktions­-Varadero sofort spendiert haben, ist das CLS 200m (Infos: CLS, Tel. 09566/808434, www.cls200.de), ein elektronisch gesteuertes Ketten­schmier­system, dass der immer sauberen und gefetteten Kette ein langes Leben garantiert und das Argument “Kein Kardan” vergessen lässt.


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