Hanspeter Küffer
Alessio Barbanti, Francesc Montero
Um Fortschritt zu erzielen, muss zuweilen Traditionelles weichen. Das gilt auch für die äußerst beliebte Sportster-Baureihe von Harley-Davidson. Auf einer ersten Testfahrt präsentiert sich die rundum neue Sportster S als modernes US-Bike mit eigenständiger Optik und ebensolcher Fahrdynamik.
Das Design bestimmt die Funktionen
«Form follows functions» – Den gängigen Gestaltungsleitsatz für Designer und Architekten scheint Harley-Davidson jetzt in umgekehrtem Sinne zu interpretieren. Bei der neuen Sportster S muss so manche Funktion dem Design folgen, was überraschenderweise jedoch, mit wenigen Einschränkungen, sehr gut gelingt. Fette Reifen, mächtige Auspuffanlage, imposanter V2, 11,8-Liter-Tropfentank und kurzes Heck mit Monositzbank dominieren das kompakte, muskulöse Macho-Design. Linksseitig geführte Rücklicht- und Nummernhalterung, knapper Frontfender, schlanker LED-Scheinwerfer und an den Lenkerenden montierte Rückspiegel wirken da lediglich noch wie notgedrungenes Beigemüse. Und weil eine zweite Vorderbremse das filigrane Gussspeichenrad weitgehend abdecken und somit die Schokoladenseite der Sportster S womöglich verunstalten könnte, wird ganz einfach darauf verzichtet. Selbst die trapezoidförmige Schwinge wird unauffällig ins muskelbepackte Design integriert.
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8 Seiten Fahrtest als PDF
Zuletzt aktualisiert: 05.11.2021
148 Seiten, u. a. mit folgenden Themen:
Motorräder: BMW R 18 B und R 18 Transcontinental, Honda CRF-Modelle, Honda Monkey 125, Honda Super Cub 125, Harley-Davidson Sportster S, Suzuki GSX-S950, H-D Street Glide Special Arctic Blast, Ducati Panigale V2 TB, BMW F 900 XR, Honda CMX1100 Rebel, Indian FTR, BMW R 1250 GS, BMW 1300 GS, Suzuki Hayabusa
Reisen: Kaunertaler Gletscherstraße mehr - Von den Almweiden bis zum ewigen Eis; Die Heiden von Kummerow, Balkanhalbinsel Zuletzt aktualisiert: 17.08.2021
Motorräder
BMW R 18 B und R 18 Transcontinental, Honda CRF-Modelle, Honda Monkey 125, Honda Super Cub 125, Harley-Davidson Sportster S, Suzuki GSX-S950, H-D Street Glide Special Arctic Blast, Ducati Panigale V2 TB, BMW F 900 XR, Honda CMX1100 Rebel, Indian FTR, BMW R 1250 GS, BMW 1300 GS, Suzuki Hayabusa
Touren
Kaunertaler Gletscherstraße: mehr Von den Almweiden bis zum ewigen Eis, Die Heiden von Kummerow – Eine Reise an die Mecklenburgische Seenplatte, Oberallgäu – Kultur und Natur vor den Allgäuer Hochalpen, Eine unvergessliche Reise: Balkanhalbinsel
Tests
Vanucci VAJ-m 1; Vanucci Tour Fun II; Vanucci VTB 23, Vanucci Touring IV, Spidi Mission-T H2Out Fette Reifen und Federelemente von Showa
Letztere ist aus nicht zu üppig dimensionierten Stahlrohren gefertigt. Gleiches gilt für den knappen Frontrahmen mit integriertem Lenkkopf, den kurzen Heckrahmen sowie den Hilfsrahmen der die Umlenkung des hinteren Zentralfederbeins aufnimmt. All diese Rahmenelemente sind am Gehäuse respektive an den Zylindern und Zylinderköpfen des Revolution-Max-V2 montiert, der aufgrund der soliden Konstruktion gleichzeitig zentrales Rahmenbauteil ist. Das 17 Zoll große Vorderrad mit imposanter 160/70er-Bereifung wird von einer Upside-down-Gabel geführt. Die Federelemente sind von Showa und in allen Parametern einstellbar. Die fette GT-503-Bereifung – hinten 180/70-16 – hat Dunlop extra für die Sportster S entwickelt.
Kleinere Ventile und neue Kolben bestimmen die Charakteristik des Revolution-Max-Motors
Als Antrieb kommt der 1.252 ccm große V2 zum Einsatz, der der kürzlich lancierten Reiseenduro Pan America zu viel Lob verholfen hat. Rundum neue Zylinderköpfe mit kleineren Ventilen, engeren Kanälen, geänderten Brennräumen und dementsprechend angepassten Kolben bescheren dem nun mit dem Zusatz „T“ für Torque (Drehmoment) bezeichneten Revolution-Max 122 PS und ein maximales Drehmoment von 125 Nm bei 6.000 U/min (Pan Am 152 PS, 128 Nm). Bohrung und Hub bleiben mit 105 x 72,3 Millimetern unverändert. Drei vorprogrammierte Fahrmodi, Sport, Landstraße und Regen, werden durch zwei weitere frei einstellbare Modi ergänzt. Und damit unterwegs beim Wechsel nicht permanent durch fünf Fahrstufen gezappt werden muss, können allfällig die aktuell nicht benötigten Modi vorgängig deaktiviert werden.
Vollausstattung und Kurventauglichkeit
Hinzu kommt, dass die Sportster S mit einer in ihrer Klasse einzigartigen Ausstattung mit zahlreichen Assistenzsystemen auftrumpfen kann. Stabilitätskontrolle, Traktionskontrolle, ABS – alle kurventauglich – sind ebenso dabei wie ein Tempomat und Reifenluftdruck-Kontrollsystem. Das runde, 4 Zoll große Farb-TFT-Display kann zudem Informationen wie Musik, Telefongespräche etc. darstellen, die vom mobilen Endgerät des Fahrers via Bluetooth übermittelt werden. Und falls die kostenfreie Harley-Davidson-App auf dem Smartphone installiert ist, ist zudem das Routing mit einer sich automatisch verschiebenden Straßenkarte möglich. Ergänzt mit Abbiegeinformationen und Audioanweisungen via Headset.
Das Getriebe ist vollends gelungen
Wer nun allerdings beim Druck auf den Startknopf den kultträchtig bollernden Harley-Davidson-Heartbeat und Good Vibrations erwartet wird enttäuscht. Der Revolution-Max-1250T klingt kernig und läuft kultiviert. Nach einer etwas heiklen Warmlaufphase nimmt er das Gas sauber an und powert ab 4.000 U/min so richtig los. Vorbei sind die Zeiten mit der Suche nach der neutralen Gangstufe vor der Ampel und anschließend das schmerzhaft laute „Klock“ beim Einlegen des ersten Ganges. Das Sechsganggetriebe lässt sich sauber schalten, wobei aufgrund der weit vorn positionierten Fußrasten die Einstellung des Schalthebels für unterschiedlich große Fahrer angepasst werden muss.
Auf der Harley-Davidson Sportster S geht es entspannt zu
Der bullige Auftritt mit überdimensioniertem Vorderreifen und die eher inaktive Sitzposition lassen zunächst gewisse Bedenken bezüglich Agilität, Einlenkverhalten und Spurtreue aufkommen. Die anfängliche Skepsis verfliegt jedoch relativ schnell, zumal der Straßenzustand besser, die Radien weiter und das Tempo moderat höher wird. Allmählich reift das Vertrauen in das anfänglich als ungewohnt empfundene Fahrverhalten. Und mit entspanntem Fahrer geht's anschließend richtig flott voran – nicht wirklich sportlich, doch für eine Harley-Davidson ziemlich zügig. Auch die Skepsis, ob lediglich eine Scheibe das stattliche Muscle-Bike bei Bedarf sicher und schnell einzufangen vermag war unbegründet. Die mit einer radial angeschlagenen Vierkolbenzange bestückte, 320 Millimeter große Brembo ist gut dosierbar und verzögert bei entsprechendem Zugriff vehement.
Entschuldigung, wo geht es hier zum Federweg?
Mit lediglich 51 Millimetern Federweg hinten wird der Begriff „Fahrkomfort“ zur Lachnummer. Da hilft selbst die Eigendämpfung der fetten Reifen wenig. Bei schlechtem Straßenzustand wird die Fahrt zum Slalomlauf um Gullideckel und Unebenheiten. Auch diesbezüglich hält die neue Sportster S eben was ihre Optik verspricht: Sie ist ein cooles Macho-Bike für echte Kerle die hart im Nehmen sind. Im Angebot von Harley-Davidson ist sie derzeit das sportlichste Bike mit V2-Motor. Für Einsteiger ist die S allerdings weniger gut geeignet als ihre zahlreichen Sportster-Vorgängerinnen. Doch für dieses Klientel wird Harley-Davidson sicherlich nachlegen, und zwar schon bald.
Mehr zur neuen Harley-Davidson Sportster S gibt es in der nächsten Ausgabe Motorräder PUR bei Readly und in der Printausgabe von Motorrad & Reisen.