Elektro-Streetfighter: Zero Motorcycles Zero SR/F 

Unterwegs auf Zero Motorcycles' erstem ausgewachsenen Naked-Bike
08.07.2019
| Lesezeit ca. 4 Min.
Zero Motorcycles
Zero Motorcycles baut seit 2006 Elektromotorräder. Das macht die US-Marke zu einem waschechten Pionier auf dem Feld der abgasfreien, fahrspaßorientierten Einspurmobilität. Handling, Drehmoment und Leistung der bislang maximal 71 PS (52 kW) starken E-Maschinen überzeugten vom Start weg. Nur mit der Optik hatten gestandene Biker immer so ihre Probleme: Zu schmalbrüstig, zu staksig, wenig emotional in puncto Proportionen und Ausstrahlung. Mit der neuen SR/F dürfte sich das ändern. Der Elektro-Streetfighter ist nicht nur das drehmomentstärkste und schnellste Bike, das die Kalifornier bis heute auf die Räder gestellt haben, sondern endlich auch ein echter Hingucker.

Der eigentlich überflüssige „Tank“ der Zero SR/F ist ein getarntes Staufach, in dem idealerweise das Ladekabel mitfährt. Die Ladebuchse befindet sich unter einer weiteren Klappe zwischen Sitzbank und Tankattrappe. Direkt darunter sitzt der 14,4 kWh große Lithium-Ionen-Akku. Für Kühlung sorgt einzig der Fahrtwind. Das nervige Anspringen eines lauten Lüfters bleibt den SR/F-Piloten erspart.

Die Leistungsentfaltung des 220-Kilogramm-Stromers ist schlicht der Hammer. Oder nein, seien wir ehrlich: einfach nur geil. Vom Start weg liegen fette 190 Nm an – mehr bietet aktuell kein Großserienmotorrad. Einzig die Energica Ego (200 Nm) und die kommende Triumph Rocket III mit 225 Nm bei 4.000 U/min toppen diesen Wert. Zum Vergleich: Die bis zu 152 PS (112 kW) starke Ducati Monster 1200 R (ab 18.840,-- Euro) kommt auf 125 Nm bei 7.750 Umdrehungen pro Minute – und ist bereits damit aberwitzig schnell unterwegs, perfekte Gangwechsel vorausgesetzt.

Mit Getriebegedöns hält sich die Zero gar nicht erst auf: Schalten entfällt. Ein Dreh am Gasgriff, und die E-Rakete beschleunigt wie ein Lichtstrahl. Hier spielt der Elektroantriebsstrang seine Stärken souverän aus: Volle Power ab null Umdrehungen pro Minute – müheloser und berauschender kann es nicht vorwärts gehen. Und ganz ehrlich, bei so viel Drehmoment: Scheiß aufs Motorgeräusch. Nahezu lautlos schießt die SR/F nach vorn. Wer sich nicht im Griff hat, kann direkt nach der ersten Ampel seinen Führerschein abgeben: Von null auf Tempo 100 braucht SR/F offiziell 3,5 Sekunden. Der Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h jagt das 220-kg-Bike derart schwerelos und spielerisch entgegen, dass selbst Vmax-feste Zweiradhaudegen nur staunen

Ganz wichtig dabei: nichts übertreiben. Sonst schießt dich die Power ab. Die Kombination nasse oder rutschige Fahrbahn und 190 Nm am zahnriemenbefeuerten Hinterrad bringt selbst die famose Bosch Motorrad-Stabilitätskontrolle an ihre Grenzen. Bei der Zero SR/F kommt sie erstmals in einem Elektromotorrad zum Einsatz.

Vier Fahrmodi und diverse frei konfigurierbare Einstellungen bietet die neue Leistungselektronik von Zero Motorcycles. "Cypher III" haben die US-Boys das Betriebssystem getauft. Im Sportmodus liegt die volle Power an. Im Street-Modus wird bei Tempo 175 abgeregelt, im Rain-Modus bei 160 km/h, im Eco-Modus bei 120 km/h.
Die Ladezeiten betragen laut Hersteller je nach integriertem Ladetyp (Standard: 3,0 kW/Premium: 6,0 kW) und Ladestand (95%/100%) zwei bis 4,5 Stunden. Mit der 6,0-kW-Schnellladeoption, die ab Ende 2019 verfügbar sein soll, sinkt die Dauer auf eine bis 1,8 Stunden, gibt Zero Motorcycles an. Die Kosten für eine Ladung Strom bei vollständig entladenem Akku beziffert der Hersteller auf durchschnittlich 2,96 Euro.

259 Kilometer Reichweite innerorts versprechen die Kalifornier, kombiniert sind es 158 km laut EU-Verordnung 134/2014. Umgerechnet entspricht das Verbräuchen von 0,55 bis 1,08 Liter auf 100 Kilometer. Klarer Hinweis dazu von Zero: „Die tatsächliche Reichweite variiert entsprechend den tatsächlichen Fahrbedingungen und dem Fahrverhalten.“ Aussagekräftig in Sachen Restreichweite ist der farbige Ring, der die zentrale Tempoanzeige im TFT-Display einrahmt. Er korrespondiert mit dem "SoC", dem State of Charge, der helfen soll, die verbleibende Energie in der Batterie abzuschätzen. Je nach Modus wechselt der plakative Ring die Farbe: Bei Eco beispielsweise ist er – wenig überraschend – grün, bei Street türkis, Rain und Custom (frei konfigurierbar) teilen sich die Farbe Dunkelblau, Sport strahlt orangefarben.

Natürlich kommt man mit einem Elektromotorrad nicht einfach "mal so" von Flensburg nach Garmisch. Laden dauert. Und die Ladeinfrastruktur ist noch im Aufbau. Alles richtig. Für Globetrotter und Alpinisten ist das also noch nichts. Alle anderen, vor allem die, die ihr Motorrad vorrangig als Alltagsgefährt und nicht als Langstreckenrenner einsetzen, sei eine Testfahrt mit der Zero SR/F wärmstens ans Herz gelegt. Die Beschleunigung, eines der zentralen Spaßmomente beim Motorrad fahren, ist phänomenal. Handling, Straßenlage und Sicherheitskonzept sind top. Einzig der Preis drückt aufs Gemüt: 20.490,-- Euro begehrt Zero Motorcycles für die SR/F Standard, 22.690,-- Euro sind es für die SR/F Premium mit Windschild, Heizgriffen, Lenkerenden aus Aluminium und doppelter Ladeleistung.
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