Ducatis „Land of Joy“ wurde ausgerufen, als es rund um den Globus wenig Grund zur Freude gab – von Ausnahmen wie dem WM-Gewinn der deutschen Kicker in Brasilien mal abgesehen: 2014 annektierten die Russen die Krim, der Islamische Staat mordete sich durch die (orientalische) Welt, im Osten krakeelte Pegida, in Thailand putschte das Militär. Weltpolitisch betrachtet also keine heiteren Rahmenbedingungen fürs Marketing-Freudenland, das Ducatis Werbestrategen für die neue Submarke Scrambler ersonnen hatten. Dafür stimmte die Message: die „pure Essenz des Motorradfahrens“ – bezahlbare Maschinen, optisch aufs Wesentliche reduziert, technisch ohne großen Elektronik-Schnickschnack, leicht und bewusst auf unkomplizierten Fahrspaß getrimmt. „Die perfekte Mischung aus Tradition und Innovation“, so Ducati. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Fürs erste offizielle Presse-Fahrevent lud Ducati im Dezember 2014 in das Land, wo die erste Scrambler-Generation (1962-76) besonders beliebt war: in die USA. Im kalifornischen Wüsten-Kleinod Palm Springs schüttete es am Fahrtag wie aus Kübeln. Die versammelte Motorradweltpresse – meist bekleidet mit Protektoren-Jeans, Lederjacke und Jethelm – wurde in eilig organisierte gelbe Regenkombis gesteckt, um überhaupt das Event-Motel-Gelände verlassen zu können, ohne gleich bis auf die Knochen durchnässt zu sein. Über weite Teile der Teststrecke gen Yoshua-Tree-Nationalpark tobte also eine Horde von gelben Michelin-Männchen statt epischer Easy-Rider. Aber nun: Nicht alles im Leben läuft nach Plan.
Die Ducati Scrambler – oder Scrambler Ducati, wie es die Italiener definieren – avancierte binnen kurzer Zeit zum meistverkauften Modell des Herstellers aus Borgo Panigale. Die 2014 auf der bestens frequentierten Intermot (mehr als 200.000 Besucher) präsentierte Neuauflage des ikonischen Italo-Bikes aus den seligen 1960er-Jahren war zum Niederknien schön, durchaus bezahlbar und nicht nur deshalb ein echter Exot im Ducati-Modellprogramm. Zehn Jahre später ist sie aus der Modellpalette von Ducati nicht mehr wegzudenken. Ab 9.990,-- Euro ist das neue Basismodell Icon Dark heute zu haben. Anno 2015 ging es mit 8.390,-- Euro los. Ende 2018 waren bereits über 55.000 Einheiten verkauft. Zeit fürs erste große Update, die sogenannte „Joyvolution“.
Moderner, komfortabler und vor allem sicherer sollte die Lifestyle-Maschine im Post-Heritage-Look werden. Wichtigste Neuerung war damals das schräglagenfähige Zweikanal-ABS von Bosch. Das zu dem Zeitpunkt meist höherpreisigen Modellen vorbehaltene System ermöglicht auch in Kurven bestmögliche Verzögerung. Beim Bremsen in Schräglage verhindert es wirkungsvoll das gefährliche Aufstellen und ungewollte Geradeausfahren des Motorrads. Ein echtes Sicherheitsplus. Dazu gab es schon damals selbstabschaltende Blinker und Smartphone-Anbindung. Den luftgekühlten L-Twin mit 803 ccm Hubraum und desmodromischer Ventilsteuerung ließ Ducati unangetastet. Bis heute leistet er 73 PS bei 8.250 Touren. Das Drehmoment beträgt mittlerweile 65 Nm bei 7.000 Touren. Auf dem Papier eine Verschlechterung – bis zum Modelljahr 2023 (Umstellung auf Euro 5) waren es noch 67 Nm bei 5.750 U/min. Ausreichend Biss hat die Scrambler aber nach wie vor: Der Motor hängt grandios am Gas. Und wird von einem herrlichen Sound begleitet – kehliges Ansauggeräusch und Sprotzen beim Gaswegnehmen inklusive.
Ende 2022 präsentierte Ducati die „Next Generation“ der Scrambler. Neu designter Stahltank, neuer Full-LED-Scheinwerfer mit geändertem Tagfahrlichtring, neues 4,3-Zoll-TFT-Farbdisplay statt des kultigen LCD-Rundinstruments, neue Krümmerführung, neues Rücklichtdesign, neue seitliche Nummerntafeln, neue Blenden vorn am neuen Gitterrohrrahmen, neues Felgendesign – optisch tat sich einiges bei der nächsten Generation Scrambler. Auch in Sachen Technik und Elektronik legte Ducati zeitgemäß nach beim Modelljahr 2023: Das bereits vorhandene Kurven-ABS wurde um zwei Fahrmodi (Road und Wet) sowie Traktionskontrolle ergänzt. Möglich wurde das durchs neue Ride-by-Wire-Drosselklappenmanagement. Die mit neuen Komponenten versehene Anti-Hopping-Kupplung lässt sich seitdem mit dem Schaltautomaten Ducati Quick Shift kombinieren. Die sportliche Scrambler Full Throttle hat ihn serienmäßig an Bord. Die Modelle Icon und Nightshift bekommen den Quickshifter für kupplungsfreie Gangwechsel nur gegen Aufpreis.
Bei der neuen Aluminiumschwinge, die mit der letzten Modellpflege kam, dockt das Federbein mittig an statt wie bislang linksseitig. Vier Kilogramm hat das Bike in seiner jetzigen Form abgespeckt, macht 185 kg fahrbereit. Das Fahrerlebnis ist nach wie vor im wahrsten Sinne mitreißend: Die Scrambler hängt prächtig am Gas, solange der richtige Gang eingelegt ist; allzu untertourig mag es der L-Twin nach wie vor nicht. Auch am Thema Hitzeentwicklung hat sich seit 2014 wenig bis nichts getan: Der Motor strahlt mit der Zeit eine geradezu abartige Hitze aus. Solange die Scrambler in Bewegung ist, hält der Fahrtwind dagegen. Aber wehe, es geht im Stau oder städtischem Stop & Go nur langsam beziehungsweise im Schritttempo voran …
Der breite Lenker gibt einem jederzeit ein sehr gutes Gefühl fürs Vorderrad. 18 Zoll misst die Alufelge an der Front, 17 Zoll genügt dem Hinterrad. Ein Größenmix, der sich unter anderem auch an der neuen Triumph Speed Twin 900 findet und durchaus sportliches Fahren erlaubt. Zudem sieht das Bike mit dem etwas größeren Vorderrad einfach gut aus – eine klassische Insignie der Gattung Scrambler. Platz für Gepäck bleibt bauartbedingt wenig: Ab Werk bleibt mangels Gepäckträger nur der Soziussitz für eine Tasche, dazu natürlich ein Tankrucksack. Passendes Zubehör gibt es bei Ducati in Hülle und Fülle. 5,2 Liter auf 100 Kilometer gibt Ducati als Verbrauch an für die aktuelle Generation (Euro 5+). Bei meinen Testfahrten – teils mit Sozia – landete meine Icon bei 5,5 Liter/100 km. Ein durchaus vertretbarer Wert. Erst recht für so viel Fahrspaß. Auch hintendrauf, so meine beifahrende Tochter.
Technische Daten Ducati Scrambler Icon 2024 | |
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Nutzerbewertungen | |
Bewertung | |
Preis-/ | |
Motor | |
Bohrung x Hub | 88 x 66 mm |
Hubraum | 803 ccm |
Zylinder, Kühlung, Ventile | Zweizylinder, luftgekühlt, 2 Ventile pro Zylinder |
Abgasreinigung/-norm | Euro 5 |
CO2 Emissionen | 120 g CO2/km |
Leistung | 73 PS (54 kW) bei 8250 U/min |
Drehmoment | 65 Nm bei 7.000 U/min |
Verdichtung | 11:1 |
Wartungsintervalle | Erstinspektion bei 1.000 km, danach alle 12.000 km oder jährlich |
Verbrauch pro 100 km | 5,2 Liter |
Kraftübertragung | |
Kupplung | Mehrscheiben-Ölbad |
Schaltung | 6-Gang mit Ducati Quick Shift (DQS) |
Sekundärantrieb | Kette |
Fahrwerk & Bremsen | |
Rahmen | Stahlrohrrahmen |
Federelemente vorn | 41-mm-Upside-down-Gabel |
Federelemente hinten | Zentralfederbein |
Federweg v/h | 150 mm / 150 mm |
Radstand | 1.449 mm |
Nachlauf | 108 mm |
Lenkkopfwinkel | 66 ° |
Räder | Aluminium-Speichenräder |
Reifen vorn | 110/80 R 18 |
Reifen hinten | 180/55 R 17 |
Bremse vorn | 330-mm-Einscheibenbremse |
Bremse hinten | 245-mm-Einscheibenbremse |
Maße & Gewicht | |
Länge | 2.100 mm |
Breite | 855 mm |
Höhe | 1.150 mm |
Gewicht | 170 kg (Leergewicht) |
Sitzhöhe | 795 mm |
Tankinhalt | 13,5 Liter |
Fahrerassistenzsysteme | Kurven-ABS, Fahrmodi, schräglagenabhängige Traktionskontrolle |
Fahrzeugpreis ab | 10.790 € |
Sonstiges | 4,3-Zoll-TFT-Farbdisplay | Doppelsitzbank | Fahrmodus, Leistungsmodus, Traktionskontrolle. USB-Anschluss. | Einspritzung. 50-mm-Drosselklappe, elektronisches Gasgriffsystem (Ride-by-Wire). |