BMW R 1250 RT - Fahrtest

BMW's Reisetourer, mit dem bislang hubraum- und leistungsstärksten Boxermotor den BMW je verbaut hat, im Fahrtest.
BMW R 1250 RT - Fahrtest
BMW R 1250 RT - Fahrtest LED-Tagfahrlicht in BMWs Pkw-Stil
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28.06.2020
| Lesezeit ca. 8 Min.
Michael Reisbacher
fbn, BMW
Die RT weist nun also den bislang hubraum- und leistungsstärksten Boxermotor auf, den die Bayerischen Motorenwerke in ihrem Berliner Werk je gebaut haben. Er hebt die abgesehen von Motor und drei Elektronik-Features unveränderte RT auf ein neues, nochmals angenehmeres Niveau. Das wird selbst schon nach kurzer Fahrstrecke deutlich. Es ist aber nicht das nur Plus an Spitzenleistung, das sich so positiv bemerkbar macht; noch wichtiger ist die vom neuen Motor gelieferte Souveränität beim Fahren. Sie lässt den Fahrspaß mit der ja bekanntlich enorm agilen RT auf ein noch höheres Niveau klettern.

Kassenschlager RT

Doch bevor wir die Auswirkungen näher beleuchten, die auf das neue Triebwerk mit seinen nunmehr 136 PS und 143 Newtonmetern zurückzuführen sind, werfen wir erst einmal einen Blick auf die Vergangenheit einer der erfolgreichsten Baureihen von BMW Motorrad. Ihre besondere Bedeutung hat die RT-Baureihe – in vielen technischen Details übrigens mit der GS sehr eng verwandt – mit der Einführung des Vierventil-Boxermotors erlangt. Der wurde, wie allseits bekannt sein dürfte, im Herbst 1993 im Sporttourer R 1100 RS erstmals vorgestellt und fand ein Jahr später den Weg in die erste Vierventil-GS mit Telelever und Paralever-Fahrwerk; später folgte dann die neue RT.
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Doch auch zuvor hatte es bereits RT-Modelle gegeben; seit 1978 war die R 1000 RT mit luftgekühltem Zweiventil-Boxermotor (erst 70 PS, später 60 PS) auf dem Markt, 1982 kam die R 80 RT mit dem kleineren Boxermotor (50 PS) dazu. Zahlenmäßig waren diese ersten RT’s ziemlich kleine Fische, verglichen jedenfalls mit der Entwicklung ab 1996. Gut 52.000 Fahrzeuge baute BMW innerhalb jener 17 Jahre, die R 80 RT und R 100 RT auf dem Markt waren, also wenig mehr als 3.000 Einheiten pro Jahr. Wie rasant diese Zahlen mit Einführung der Vierventil-RT’s gestiegen sind, listet die hier folgende Tabelle auf.
Mit einem Blick auf das erfolgreichste RT-Jahr wollen wir den Rückblick beschließen: 2002 kam die damalige R 1150 RT auf eine Absatzzahl von 15.537 Einheiten innerhalb von 12 Monaten, doch listet die BMW-Statistik zwischen 1996 und 2017 immerhin 12 Jahre mit fünfstelligen Zahlen auf. Zu denen sich übrigens noch jährlich um die 3.000 ganz besondere RT’s addieren, nämlich solche mit Blaulicht und Martinshorn. Auf diesem Level bewegt sich BMWs sogenanntes weltweites „Behördengeschäft“, in dem die RT die bei weitem wichtigste Position einnimmt. Die RT gehört also klarerweise zu den am meisten geschätzten Modellen des BMW-Finanzchefs.


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BMW R 1250 RT

Flinkes Motorrad trotz hohem Gewicht

Dass die sichtbaren Änderungen im Zuge des Entwicklungsschritts von der R 1200 RT zur 1250er maßvoll ausgefallen sind, mag man einerseits bedauern, erfordern sie doch intensives Hinschauen. Andererseits gab es bei sachlicher Bewertung der vorzüglichen Ergonomie, der ausgefeilten Aerodynamik und des bei Bedarf ebenso sportlichen wie komfortablen Fahrverhaltens auch keinen echten Anlass für Entwicklungs-Eingriffe. Die nun bei Bedarf 225 km/h schnelle R 1250 RT fährt sich dermaßen geschmeidig, dass es wirklich eine Freude ist, und zwar egal ob auf der Autobahn oder auf kurvenreichen Land- und winkligen Bergstraßen. Das Ansprechverhalten von Federung und Dämpfung – die Testmaschine wies das weiterentwickelte Dynamic-ESA „Next Generation“, also das semiaktiv arbeitende Feder-/Dämpfungssystem auf –, das Ansprechen des Motors auf geringste Bewegungen des Gasgriffs, die Schaltbarkeit des Getriebes, die Funktion des in der Testmaschine installierten Schaltassistenten – sämtliche fürs Fahrvergnügen relevanten Kriterien vermag die R 1250 RT in hervorragender Manier zu erfüllen. Ihr Gewicht von 279 Kilogramm verheimlicht sie auf unerklärliche, aber umso attraktivere Weise. Rollt sie erst mal, gehört sie zu den flinksten Motorrädern Motorrädern mit üppiger Verkleidung überhaupt.

Stetige Verbesserung der Serienausstattung

Vorteile weist die jüngste RT-Version, zusätzlich zum Antrieb, im Bereich der Elektronik auf. Wer sich für die Sonderausstattung Dynamik-ESA entschließt – es dürften etwa 99,9 Prozent der RT-Käufer sein –, erhält nun den in der GS bereits erprobten „automatischen Fahrlagenausgleich“. Der etwas sperrige Begriff meint, dass die Federvorspannung des hinteren Dämpfers in Abhängigkeit von der Belastung/Beladung selbsttätig eingestellt wird. Steigt die Sozia auf, hebt sich das Heck, steigt sie ab, senkt es sich in der Folge. Erkennbar wird dieses auf der Fahrzeugsensorik beruhende Feature beim Blick ins Cockpit auf der rechten Seite der Anzeigeneinheit: Steht dort vor dem Feder-Symbol „AUTO“, ist diese Automatik aktiviert. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Federvorstellung manuell zu bestimmen. Dafür ist dann mittels des Multi-Controllers links am Lenker MIN als geringste fest vorgegebene Einstellung anzuwählen, andernfalls MAX. Während die Dämpfung auch während der Fahrt verändert werden kann („Road“ für sanfter, „Dyna“ für straffer), ist die Veränderung der Federvorspannung nur im Stand möglich. Aber meist steigt die Sozia ja auch auf eine stehende RT auf, nicht auf eine fahrende.
Dass das semiaktive Fahrwerkssystem seinen Aufpreis von 815,-- Euro (zusammen mit diversen anderen Elementen im Tourenpaket für 1.360,-- Euro) wert ist, wurde in den letzten Jahren schon mehrfach formuliert. Das ist angesichts des nun gelieferten „automatischen Fahrlagenausgleichs“ noch deutlicher als schon bisher. Ebenfalls neu ist die verbesserte Regelungstechnik der Berganfahrhilfe „Hill Start Control Pro“. Während die nun serienmäßig integrierte „Hill Start Control“ nichts weiter als eine durchaus hilfreiche Feststellbremse ist, die das Halten und Anfahren am Berg komfortabler, für manche Fahrer aber auch sicherer macht, ist die aufpreispflichtige „Pro“-Version noch einen Tick raffinierter: Über das Einstellmenü kann diese Zusatzfunktion so individualisiert werden, dass sie ab 5 Prozent Gefälle bzw. Steigung nach der Betätigung des Hand- oder Fußbremshebels kurz nach dem Stillstand des Motorrads automatisch aktiv wird. Die Pfiffigkeit der BMW-Marketingleute steht hinter derjenigen der hauseigenen Elektronikentwickler kein bisschen zurück. Gemeinsam schaffen es die BMWler in eindrucksvoller Weise, einerseits die Serienausstattung der BMWs immer weiter zu verbessern und zugleich die kassenfüllenden Begehrlichkeiten auf höchstem Niveau zu halten, wenn nicht sogar auszubauen.
Zu „Fahrmodi Pro“ (isoliert 180,-- Euro oder Teil des Dynamikpakets für 420,-- Euro) gehört auch die neue Funktion „Dynamischer Bremsassistent“, kurz DBC genannt. Damit wird beim kräftigen Bremsen verhindert, dass der Fahrer unbeabsichtigt Gas gibt. Durch Eingriffe in die Motorsteuerung wird das Antriebsmoment während des Bremsens reduziert und zugleich die Bremsleistung am Hinterrad voll ausgeschöpft; das stabilisiert das Motorrad und führt zu einem möglichst kurzen Bremsweg. Das sogenannte „dynamische Bremslicht“ (wildes Flackern bei sehr hartem Bremsen) ist bei der jüngsten RT Serie. Kurven-ABS übrigens auch.


BMW R 1250 RT

Kultivierter Motor mit viel Kraft

Ist man mit der R 1250 RT unterwegs, bemerkt man alsbald die im Vergleich zur bisherigen R 1200 RT erhöhte Souveränität, deren Ursache der neue, kultivierter laufende und mehr Leistung erbringende Boxermotor ist. Das Triebwerk zieht im Teillastbereich noch besser durch und es feuert bei höheren Drehzahlen noch freier raus. Das führt mitnichten zu noch dynamischerem Fahren (jedenfalls nicht, wenn man seinen Führerschein länger behalten möchte), sondern zu lässigerem Agieren am Lenker. Es kann auch mal im fünften Gang überholt werden, wo bisher der vierte angeraten war – die 1250er schüttelt die nötige Kraft praktisch jederzeit „aus dem Ärmel“. Das ist sehr vergnüglich, und zudem dürfte diese Art geschmeidigen „Highspeed-Cruisings“ einen positiven Einfluss auf den Benzinverbrauch haben. BMW gibt ihn laut Norm mit 4,75 Litern pro 100 Kilometer an. Dieser Wert dürfte auch problemlos erreichbar sein, wenn man nicht gar so zügig unterwegs ist, wie wir das beim ersten Test waren. Doch die von uns ermittelten 5,0 Liter/100 Kilometer erscheinen angesichts eines Landstraßen-
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Durchschnitts von fast 80 km/h mehr als günstig. Höchstdrehzahlen, obwohl sie dem Triebwerk leichter fallen denn je, sind dafür freilich kaum einmal erforderlich.

Drei RT-Varianten – Basis, Sport & Elegance

Die neue R 1250 RT ist in drei Varianten erhältlich. Als Basisversion kostet sie 18.000,-- Euro, ist 2019 weiß lackiert, weist selbstverständlich Seitenkoffer und den normalen, nämlich hohen und zudem elektrisch verstellbaren Windschild auf. Einen niedrigeren Windschild und eine marsrotmetallic-mattgraue Zweifarb-Lackierung sowie einige kleine Optik-Besonderheiten erhält, wer die sogenannte R 1250 RT Sport für 590,-- Euro Aufpreis wählt. Die ist im täglichen Umgang natürlich gleich sportiv wie jede andere RT, allerdings ist ihr Komfort etwas reduziert (außer man hält preisneutral am höchst empfehlenswerten Serienwindschild fest, was möglich ist). Als Alternative gibt es zudem für 420,-- zusätzliche Euro die Variante R 1250 RT Elegance mit der Lackfarbe Carbonschwarz und allerlei Chrom-Applikationen sowie diversen anderen optischen Raffinessen.

Option 710 – BMW Spezial

Allerdings lässt sich die neue R 1250 RT auch richtig auffällig gestalten, doch geht das dann auch richtig ins Geld. Denn BMW bietet für die RT mit Beginn der 1250er Ära, wie schon länger für die K 1600 und neuerdings die 1250 GS, ebenfalls die Option 719 an, also das Programm „BMW Spezial“. Die Testmaschine, eine solcherart aufgewertete „Exclusive“, wies die Speziallackierung Blueplanet metallic inklusive der dazugehörenden (handgezogenen!) Zierlinien sowie die braunen Spezialsitzpolster (205,-- Euro) auf; die Lackierung alleine steht mit 1.700,-- Euro in der Sonderausstattungs-Preisliste. Wer sich dann noch zu den Frästeilen „Classic“ des Programms Option 719 entschließt (1.750,-- Euro) und auch die Options-Schmiederäder (900,-- Euro) auswählt, kann den bis dahin zusammengekommenen Vollausstattungspreis von 25.955,-- Euro auf eindrucksvolle 28.605,-- Euro treiben. Navi, Topcase und andere Kleinigkeiten fehlen dann freilich noch.
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Optionsliste – Ein Kreuz mit den Kreuzchen

Doch zum Schluss zurück auf den Boden der Realität: Einige der Sonderausstattungen möchte man nach der Gewöhnung an sie wirklich nicht mehr missen. Dazu zählen wir – auszugsweise – beispielsweise die Zentralverriegelung. Diese deckt neben dem fast einen Tausender kostende Topcase (das unserer Testmaschine wies sogar die weitere 156,-- Euro erfordernde Zusatzbremsleuchte auf) auch die Seitenkoffer und die beiden Ablagefächer im Cockpit (eines mit USB-Stecker) ab. Auch das Keyless Ride und die meisten Elemente der drei Ausstattungspakete wachsen einem schnell ans Herz. Auf den HP-Sportschalldämpfer (850,-- Euro) würden wir im Zweifel weit eher verzichten als auf den intelligenten Notruf (310,-- Euro). Auch der in wichtigen Funktionen vom Lenker aus bedienbare Navigator 6 mit immerhin weitgehend reflexionsfreier Oberfläche sowie die sehr gut verarbeiteten Koffer-Innentaschen sind auf Reisen uneingeschränkt nützlich.
Es ist einfach ein Kreuz mit den Kreuzchen auf der Optionsliste: Je mehr Finessen man kennen- und in der Folge auch schätzen lernt, desto höher steigen die Ansprüche. Die BMW R 1250 RT, zweifelsohne besser als jede RT vor ihr, ist dafür ein vorzügliches Beispiel.
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BMW R 1250 RT - Baujahr: 2018
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