BMW R 12 – (k)ein Mauerblümchen

Gegenüber der BMW R 12 nineT fällt das schlichte Basismodell etwas ab in der Beliebtheit. Dabei hat sie eine Menge Talente, wie dieser Test zeigt.
BMW R 12 – (k)ein Mauerblümchen
BMW R 12 – (k)ein Mauerblümchen Eher ein Mauerblümchendasein spielt bei BMW Motorrad das Basismodell der R 12-Reihe
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03.06.2024
| Lesezeit ca. 4 Min.
Rita Niehues
Eher ein Mauerblümchendasein spielt bei BMW Motorrad das Basismodell der R-12-Reihe. Das als klassischer Cruiser konzipierte Fahrzeug für rund 14.500,-- Euro unterscheidet sich sehr deutlich von der höherwertigen und gut 3.000,-- Euro teureren R 12 nineT.

Der Motor liefert ein sattes Drehmoment

BMW R 12
Eher ein Mauerblümchendasein spielt bei BMW Motorrad das Basismodell der R 12-Reihe
Mit Cruisern hat BMW bekanntlich nicht nur gute Erfahrungen gemacht; insbesondere die R 1200 C, gebaut von 1997 bis 2004, schaffte es nie aus der kleinen Nische heraus, in die sie mit dem damals noch mächtigen Telelever und dem gerade mal 60 PS leistenden Boxermotor gefahren war. Das ist bei der neuen R 12 anders, auch wenn sie, markentypisch, ebenfalls von einem Boxertriebwerk angetrieben wird. Es handelt sich um den 1.170 Kubikzentimeter großen Vierventilmotor, der bei 6.500 Touren 70 kW/95 PS leistet.
Vierventilmotor
Der Boxermotor leistet 70 kW/95 PS
Das sind zwar 14 Pferdestärken weniger, als der ansonsten identische Motor in der nineT-Version abgibt, doch werden sie in der R 12 nicht vermisst: Das maximale Drehmoment liegt mit 110 Nm auf nahezu gleichem Niveau wie beim Schwestermodell (115 Nm), womit ein mehr als respektables Niveau erreicht wird. Und bei einem klassischen Cruiser ist sattes Drehmoment ohnehin deutlich wichtiger als schiere Leistung. Der Testverbrauch von 5 Litern pro 100 Kilometer geht in Ordnung. Nach 190 zügig gecruisten Kilometern erscheint eine Tankaufforderung in Signal-Gelb.
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Rock ’n’ Roll und Leistung satt

Das Triebwerk ist bestens abgestimmt und freudvoll zu fahren. Leistung satt ist bei jeder Drehzahl oberhalb des Leerlaufs gegeben, die Bezeichnungen für die beiden Fahrmodi sind gut getroffen: Die Gasannahme in „Roll“ ist sanft, in „Rock“ deutlich zackiger. Beim ersten Modus lässt sich absolut entspannt gleiten, bei „Rock“ sind auch Cruiser-untypische Fahrmanöver leicht möglich. Die radialen Vierkolben-Monoblocksättel vorne sind feine Ware; die Verzögerung ist top. Hinten gibt es eine weitere, gut dimensionierte Scheibe. Die Kupplung ist ebenfalls gut dosierbar und leichtgängig; sie harmoniert bestens mit dem gut gestuften, präzise schaltbaren Sechsganggetriebe. Kurven-ABS und dynamische Traktionskontrolle sind mittlerweile selbstverständlich.
BMW R 12
Das Leergewicht von 227 Kilogramm stört nicht im Geringsten, sodass die R 12 mit den satten Reifengrößen 100/90-19 und 150/80-16 guten Gewissens als handlich und kurvenfreudig bezeichnet werden darf
Alles gut also auf der Antriebsseite. Dasselbe lässt sich auch vom Chassis sagen, obwohl die Federwege gegenüber der nineT zugunsten niedrigerer Sitzhöhe um drei Zentimeter, nämlich von 12 auf 9 Zentimeter, reduziert worden sind. Erst wenn der Asphalt unter den dicken Rädern Cruiser-untypisch wird, sind die geringeren Federwege spürbar. Die Fahrwerksabstimmung geht insgesamt voll in Ordnung; sie ist keineswegs lasch, sondern lässt auch forciertes Kurvenfahren zu, ohne dass Instabilitäten auftreten. Dass angesichts der geringeren Bodenfreiheit irgendwann die Fußraste kratzt, sei der R 12 verziehen – die Quadratur des Kreises gelingt halt auch in München nicht. Das Leergewicht von 227 Kilogramm stört nicht im Geringsten, sodass die R 12 mit den satten Reifengrößen 100/90-19 und 150/80-16 guten Gewissens als handlich und kurvenfreudig bezeichnet werden darf.
infotainment

Micro-TFT-Display als Sonderausstattung

Serienmäßig wird die R 12 mit einem einzelnen Rundinstrument geliefert, das eine halbrunde Skala plus ein digitales Anzeigefeld beinhaltet. Es harmoniert gut mit dem puren Erscheinungsbild des Motorrads. Insofern waren wir angesichts des als Sonderausstattung montierten Micro-TFT-Displays skeptisch. Passt das zum Typ? Wir haben uns schnell angefreundet, denn die Anzeigen sind sehr klar – und reduziert. Ein Taster links am Lenker schaltet nacheinander alle möglichen Anzeigen durch. Stets zu sehen sind zudem die aktuelle Geschwindigkeit und ein schmaler Drehzahlbalken. Wer will, kann sogar nur die Tempoanzeige aufrufen; noch weniger lässt der Gesetzgeber nicht zu.
Micro-TFT-Display
Die Anzeigen sind sehr klar – und reduziert

Purismus trifft Reduktion

Pur sind eine ganze Reihe von Fahrzeugdetails. So ist der Scheinwerfer kreisrund, natürlich vom Typ LED und, dann nicht mehr pur, auf Wunsch auch mit Kurvenlicht. Serienmäßig wird die R 12 ohne jeglichen Windschutz geliefert; wer einen Windschild will, kriegt ihn gegen Zuzahlung. Ebenfalls nur auf Wunsch wird ein Soziussitz samt Fußrasten montiert; die Serien-R 12 ist für Solisten ausgelegt. Zu weit gegangen ist BMW nach unserer Ansicht auf dem Reduzierungsweg beim „Keyless Ride“, der schlüssellosen Bedienung: Für das etwas hakelige Lenkschloss und den Tankverschluss wird nämlich stets der Zündschlüssel benötigt, alleine die Anlassprozedur läuft auf Knopfdruck. Diese Auslegung erscheint uns krude. Ansonsten haben wir nichts zu meckern: Die verchromten Doppelrohre der Auspuffanlage sind stimmig und klingen sonor, ohne böse zu lärmen, die Spiegel zeigen ein gutes Bild, die Sitzposition ist entspannt, dabei nicht inaktiv.

Pur oder individuell

BMW R12
Die BMW R12 ist ab rund 14.500,-- Euro zu haben
Tief in die Trickkiste gegriffen hat BMW bei den Individualisierungsmöglichkeiten. Sie reichen von 719-Gussrädern über Lenker, Sitze, Handhebel, Lenkerendenspiegel, spezielle Zylinderhauben oder einem Halter fürs Smartphone bis zu einem Heckabschluss in Silber. Wer hier ordentlich zugreift, kann den Grundpreis von 14.460,-- Euro auf über 23.000,-- Euro treiben. Man kann aber auch mit einer „puren“ BMW R 12 großen Spaß haben; insbesondere, wenn man das Glück hat, in einer hügeligen Gegend mit gut ausgebauten Straßen zu leben, auf denen sich der Verkehr nicht allzu oft drängt. Dann schlägt die ganz große Stunde der BMW R 12.

Fazit BMW R 12

Zu unserer Überraschung liefert BMW mit diesem feinen Modell nämlich eine Art Motorrad, die Harley-Davidson nicht mehr im Programm hat: einen puren, klassischen Cruiser in der Art der leider verblichenen Sportster 1200. Wer hätte das gedacht?
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BMW R 12 - Baujahr: 2023
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