Fast auf den Tag genau zwei Jahre ist meine letzte Testfahrt mit der Aprilia Tuono V4 1100 her. Die Tuono, italienisch für Donner, faszinierte als Gesamtpaket aus Motor, Fahrwerk und Sound auf ganzer Linie. Nur wenige Motorräder haben deshalb so tiefe Spuren in meinem Gedächtnis hinterlassen wie seinerzeit die Tuono. So bedeutsam die volle Ladung aus Leistung und Emotion für mich selbst war, so überschaubar sind die Auswirkungen auf das Produktionsvolumen dieses Modells im norditalienischen Werk Noale geblieben: Die Stückzahlen wollten nicht so recht wachsen, natürlich auch eine Folge des Preises von 18.500,-- Euro für die feine Factory-Version. Nun erhält die Factory – es gibt zusätzlich die etwas einfacher gehaltene RR-Version – außerdem ein semiaktives Fahrwerkssystem, womit ihr Preis auf fast 20.000,-- Euro steigt. Um das Ergebnis der jüngsten Tagestour vorwegzunehmen: Die Begehrlichkeit wächst deutlich, denn die feinen Öhlins-Elemente stellen, fahrdynamisch wie unter Komfort-Gesichtspunkten, das Tüpfelchen auf dem i dar. Viele Hypernakeds mit einer Motorleistung von mindestens 165 PS gibt es ja bekanntlich nicht. Unverändert gegenüber dem 2017 gefahrenen Modell gibt sich das Triebwerk mit einer Leistung von 175 PS/129 kW. Doch mehr noch als durch ihre brutale Leistung gewinnt die Aprilia durch ihr animierendes Wesen.
Der akustisch, sagen wir’s mal vornehm, sehr präsente Sound, der dem Endschalldämpfer entströmt, lässt zwar die Überlegung aufkommen, ob Aprilia von der Euro 4 befreit ist, gefällt aber dennoch: Ihr V4-Motor mit fast 1.100 ccm Hubraum ist eine Art Garantie für Dauergrinsen beim Fahrer. Fast egal bei welcher Drehzahl der Gasgriff betätigt wird: Akustik wie Dynamik der Tuono V4 1100 sind einzigartig.
So reizvoll die enorme Motorleistung der Tuono V4 1100 ist: Ohne das adäquate Fahrwerk wäre sie nicht viel wert. Insbesondere die neuen, semiaktiven Komponenten, die vom Branchen-Guru Öhlins bezogen werden und von höchster Qualität sind, heben das Gesamtpaket der Aprilia Tuono V4 1100 auf ein neues Niveau. Die schon bisher ausgezeichnete Handlichkeit scheint noch ein wenig gesteigert zu sein, vor allem aber überzeugt die Fähigkeit von Gabel und Federbein, selbst schlechtere Wegstrecken zugleich stabil wie agil zu passieren. Das in der Tuono verbaute System bietet dabei die Möglichkeit, die Fahrwerkseinstellung innerhalb von drei Modi in jeweils 31 Stufen manuell zu fixieren.
Die gesamte neue Fahrwerksgüte erlebt allerdings derjenige, der eine der drei unterschiedlichen Automatik-Funktionen wählt. Innerhalb dieser A-Funktionen lassen sich zusätzlich sechs Parameter – beispielsweise das Verhalten der Gabel beim harten Bremsen – in jeweils zehn Stufen individualisieren. Der voreingestellte Mittelwert Null kann um jeweils fünf Stufen erhöht bzw. verringert werden. Auf diese Weise lassen sich in der Tat höchst individuelle Fahrwerksabstimmungen erzielen. Allerdings ist es mit einigem Aufwand verbunden, die am besten passende Einstellung herauszufinden, denn eine Veränderung der Fahrwerks-Einstellungen während der Fahrt ist nicht vorgesehen. Man muss dazu anhalten. Das ist aus meiner Sicht ein Zuviel an Bevormundung des Fahrers. Dass Aprilia hier so restriktiv vorgeht, schmälert den Nutzen des semiaktiven Fahrwerkssystems meines Erachtens ein wenig. Nicht zuletzt deshalb, weil Aprilia das TFT-Display mit einer Vielzahl von Anzeigen belegt, deren Nutzen man durchaus kontrovers diskutieren kann. Geboten ist so ziemlich alles bis hin zur Anzeige von Brems-Intensität, Motorlast und aktueller Schräglage. Diese drei genannten Anzeigen eben dann abzulesen, wenn sie Maximalwerte anzeigen, ist mir nicht gelungen – ein Argument, das für die aufpreispflichtige Aprilia Multimedia Plattform spricht. Mit ihrer Hilfe lassen sich nach Fahrtende dann bei Bedarf auch sämtliche Werte anzeigen, die im Lauf der Fahrt aufgezeichnet worden sind.
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Nicht weniger gelungen als Motor, Fahrwerk, die vorzügliche Bremsanlage und die gesamten Assistenzsysteme ist die Ergonomie der 209 Kilogramm wiegenden Tuono: Der ideal breite Lenker bietet optimalen Zugriff, der Sitz lässt viel Bewegungsspielraum zu und ist ausreichend komfortabel, der kleine Windschild bricht zumindest den Fahrtwind-Orkan. Auch die Schalter und Hebel sowie das Bordcomputer-Menü gefallen. Ein Highlight stellt der Quickshifter dar, dessen Funktion erste Sahne ist. Auch mit wenig Gas gelingen Gangwechsel ohne lästiges Rucken. Trotz all dieser zahlreichen Finessen leistet sich Aprilia aber nach wie vor einige Nachlässigkeiten im Umgang mit den Kunden: Abgewinkelte Reifenventile für leichtere Luftdruckkontrolle bleiben genauso ein Wunschtraum wie eine automatische Blinker-Rückstellung. Und LED-Scheinwerfer samt LED-Blinkern wären bei einem 20.000,-- Euro-Motorrad auch nicht gerade ein Luxus. Wie immer, gibt’s also noch Luft nach oben, auch wenn’s nicht mehr viel ist. Denn es gibt nur wenige Motorräder, deren Gesamtpaket so überzeugend gelungen ist wie das der Aprilia Tuono V4 1100.