Die Straßen sind schmal und teilweise spektakulär in den steilen Fels gemeißelt. Hart am Abgrund fahrend, schießt das pure Adrenalin nicht nur durch den Geschwindigkeitsrausch in die Adern, sondern eine landschaftliche Traumkulisse beflügelt einen jeden begeisterten Motorradfahrer!
Wir, Tina und Kai, machten uns auf den Weg nach Frankreich, genauer genommen nach Villard-de-Lans, um die Highlights des Vercors mit seinen spektakulären Strecken, wie die Cirque de Combe Laval oder durch die Gorges de la Bourne, unter die Räder zu nehmen. Kaum angekommen, werden sofort die Motorräder für die erste Runde Richtung Col de la Machine gesattelt. In unserem Gedächtnis haben sich jahrelang magische Namen wie Cirque (franz. für Talkessel) de Combe Laval und Col de Rousset festgebrannt und uns stetig angezogen wie ein Magnet die Eisenspäne. Nun wollen wir keine Zeit mehr verlieren. Sofort verweist eine Baustelle auf eine Zwangsumleitung – die D251C erweist sich allerdings als absoluter Glücksfall. Bei solch einer Streckenführung wird ein jeder Motorradfahrer dankbar sein. Kurve an Kurve fädelt sich wie an einer Perlenschnur aufgereiht durch den Wald. Hart am Hang führt der Weg in die Tiefe und lässt imposante Ausblicke zu.
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Nach ungezählten Kilometern des vergnüglichen Kurvenwedelns kündigt sich endlich der Pass mit einem Schild an: Col de La Machine, 1015 Meter. Unser erster Gedanke lautet: Das ist doch keine Höhe! Doch der Parkplatz am Eingang zum Cirque de Combe Laval verbreitet großes Staunen und lässt uns umgehend ehrfürchtig innehalten. Steil fällt die Felskante mit bis zu 700 Metern tief in das Tal hinab. Ein weites Panorama lässt den Blick langsam durch den riesigen Talkessel gleiten. Einem Eintrittsportal gleich durchfahren wir den Tunnel am Eingang. Steil in den Stein gehauen fügt sich die schmale Straße hoch oben eng am Fels an. Sie folgt ab jetzt jeder Windung an der Steinwand. Eine kleine Mauer als Randsicherung muss reichen. Höhenangst ist hier fehl am Platz! Auch wegen der sich ständig bietenden grandiosen Aussicht sinkt die Durchschnittsgeschwindigkeit immer weiter. Felsüberhänge ragen immer wieder weit in die Fahrbahn hinein. Natürliche Felsentore in Zipfelmützenform gewähren Durchlass zum nächsten Streckenabschnitt. Immer weiter führt die Gratwanderung in luftige Höhe und unzählige Buchten laden zum Verweilen und Bestaunen ein. Direkt am Hang wird ein letzter kleiner Naturbogen durchquert, um dann diese imposante Strecke zu verlassen. In schnellen Radien geht es in das Tal hinab. Die Zeit schreitet unaufhaltsam voran. Ein abendlicher Termin lässt uns mit Schwung durch die Gorges de la Bourne sausen und endlich wird wieder Villard-de-Lans erreicht. Gerade noch rechtzeitig erscheinen wir am verabredeten Treffpunkt und kehren zum gemeinsamen Abendessen ins Restaurant Le Ranch ein. Schnell wird der Tisch aufgeräumt, um Platz für die Landkarte zu schaffen. Unzählige Kringel zieren unsere Vercors Tourenkarte. Laura und Bruno vom Motorradclub „Dynavercors“ versorgen uns mit zahlreichen Informationen rund um die schönsten Strecken, Aussichtspunkte, Sehenswürdigkeiten sowie regionalen Besonderheiten des Vercors. Eins wissen wir jetzt schon: Das werden wir in den paar Tagen niemals alles schaffen! Nach einer viel zu kurzen Nacht lässt die Morgensonne die umliegenden Bergspitzen bereits glutrot erstrahlen. Bis zur Abfahrt gewinnt der Nebel jedoch den Kampf der Morgenstunde. In kleinen Dörfern treiben die Bauern ihre Kühe zur Weide. Auf den engen, verwinkelten Straßen bringen wir die Reifen recht schnell auf Betriebstemperatur. Am Col de la Croix Perrin steht einsam eine Auberge. Hinter dieser verschwindet unscheinbar eine winzige Straße in den Wald. Brunos Worte kommen mir in den Sinn: Fahrt hinein! Nicht im Traum hätte ich diesen Weg gewählt, werde jedoch bald eines Besseren belehrt. Langsam, aber stetig steigt die Strecke bergan. Die ersten Sonnenstrahlen schaffen es behutsam, den Nebel der frühen Stunde zu durchbrechen. Heimlich kommt in mir innere Freude auf. Das könnte ein Weg über die Wolken sein! Schon oft gesehen, ist dies doch immer wieder ein besonderes Erlebnis auf einer Motorradtour. Gleichzeitig ist das der Lohn bei augenscheinlich schlechtem Wetter am Morgen, überhaupt auf das Motorrad zu steigen, um loszufahren! Der erste freie Ausblick über die Baumwipfel bestätigt meine Vorahnung. Ein weißer Teppich aus Wolken liegt tief unter uns und bedeckt das Land. Noch ein Rechtsschlenker in die nun fast baumlose Landschaft öffnet den Blick in das mit Zuckerwatte zugepackte Tal. Der strahlend blaue Himmel klebt förmlich als Häubchen darüber. Weiter führt die Straße am Hang vorbei und ein Hinweisschild zeigt nach rechts zum La Molière hinauf. Auf 1632 Höhenmetern breitet sich uns zu Füßen ein neues Wahnsinnspanorama aus. In der Ferne reichen die zackigen, zerklüfteten Berggipfel in den blauen Himmel hinein, und Nebel durchwabert die Täler. Wolkentupfer umgarnen die Bergspitzen und Wolkenfetzen zieren den tiefblauen Himmel. Das Plateau von La Molière und Sornin weisen mehr als 1.300 Hektar als Naturschutzgebiet aus. Dieses umfasst eine reichhaltige Flora und Fauna, die so wirksam geschützt werden. Aufgrund der hiesigen extrem abgeschiedenen Lage konnte die Natur ihren Ursprung bewahren. Nach ausgiebiger Bewunderung der rauen Landschaft rollen unsere Räder weiter über kleinste Waldwege durch Skigebiete. Deren Abfahrtspisten machen die Fernsicht in die Täler frei. Bei Méaudre erreichen wir die kleine Käserei Ferme de la Bourrière. Zwei Brüder leiten diese gemeinsam und haben sich der Produktion des bekannten Bleu du Vercors-Sassenage verschrieben. Ein Blick in die Auslage genügt, um ein Stück für die nächste Vesper in die Tiefen der Seitenkoffer verschwinden zu lassen. So gerüstet folgen wir weiter Brunos Empfehlung. Nach Verlassen der Gorges (franz. für Schlucht) du Méaudret verhindert ein Felssturz das Weiterkommen. Der kleine, aussichtsreiche Umweg lässt uns die Drosselklappen auf Durchzug stellen.
Dem weiteren empfohlenen Streckenverlauf geht irgendwann auch noch der Asphalt aus! Da wir jedoch nicht zum Schottern hier sind, muss gewendet werden. Weil bekanntlich Strecken aus einer anderen Richtung ganz anders aussehen, wird der Col de La Machine nun als Alternative noch einmal von hier aus angesteuert. Dazu folgen wir wieder der reizvollen Schlucht Gorges de la Bourne. Tief in den Fels gehauen, über dem steilen Abhang, folgt die Strecke nun ein Stück des Weges direkt dem Abgrund. Mit etwas Fantasie ist eine Felsformation sogar als Gesicht erkennbar. Mit Kurvenschwung durchfahren wir die Gemeinde Pont-en-Royans. Dicht ducken sich einige Häuser eng am Fels. Ganz offensichtlich fehlt hier der Platz, um in die Breite zu bauen. So weist ein Haus doch tatsächlich acht Stockwerke auf und badet sein Fundament im Fluss La Bourne. Da die Sonne sich im Eiltempo den Berggipfeln nähert, brausen wir weiter, dem anvisierten Ziel entgegen. So erreichen wir die Combe Laval, dieses Mal von der anderen Seite, bei schönster Abendsonne. Aus diesem Blickwinkel bietet sich eine vollkommen anderere Sicht. Die kleinen Felsentore stehen in entsprechendem Abstand wie Stützpfeiler für die oben hängende Straße Spalier und scheinen diese zu sichern. Die Trasse wurde bei deren Erschließung für den Straßenverkehr in waghalsigen Aktionen in den Stein gesprengt und führt immer dicht gedrängt an der senkrecht abfallenden Felswand entlang. So spuckt uns der letzte Tunnel wieder am Aussichtspunkt aus und lässt den Cirque de Combe Laval im schönsten Abendlicht erstrahlen. Bei Höhenangstgeplagten wird der feste Boden sicherlich für Erleichterung sorgen. Der Col de Carri bringt uns auf die bekannte kurvenreiche Strecke zurück. Mit den letzten Sonnenstrahlen erreichen wir wieder Villard-de-Lans. Die anhaltenden Bauarbeiten nötigen uns, am nächsten Tag wohlwollend wieder auf die kurvenreiche D251C zum Warmfahren. Am Belvédère de Valchevrière lassen wir jedoch endlich die Bremsscheiben heiß laufen, um auch diesen Ausblick von 1167 Höhenmetern in das Tal zu genießen. Auf schmalen Pfaden steuern wir an kleinen Häusern mit den alten typischen Giebeln entlang. Die weiße Wäsche flattert schon im kühlen Morgenwind zum Trocknen. Weiter folgen wir der Route du Col de Romeyère. Einige zackige Serpentinen spülen uns dann zur gleichnamigen Passhöhe hinauf. Schnurgerade und mit bis zu 10 Prozent Gefälle verliert sie ab hier stetig an Höhe. Seitlich bietet ein Bergmassiv Abwechslung auf der unaufgeregten Abfahrt. Eine forsche Linkskurve sorgt dann jedoch sofort für den nächsten Adrenalinschub und kündigt den Canyon des Écouges an. Eng rücken die hohen Felsen nun zusammen. So lassen diese den tief im Tal rauschenden Bach La Drevenne kaum einen Sonnenstrahl erreichen. Wilde Überhänge und ein finsteres Loch hoch oben im Fels werden hier zur absoluten Endstation für Wohnmobile. Der Tunnel entschärft das weitere Vorankommen auf der alten gefährlich engen einspurigen Piste mit vertrauenserschütternder Randsicherung. Diese kann noch zu Fuß bewundert werden. Die grandiose Aussicht sorgt für eine kurze Pause, bevor sich die Scheinwerfer durch den dunklen Tunnel tasten müssen. Wieder im Tageslicht folgt eine kurvenreiche Abfahrt in die Ebene.
Teilweise ohne Randsicherung fliegen wir in schönsten Schräglagen der Schnellstraße E713 entgegen. Diese dient eher als willkommene Erholung vor dem nächsten Adrenalinkick. Weist die Region Vercors doch die abenteuerlichsten und gefährlichsten Straßen von Frankreich auf. Um diese weiterzuerkunden, verlassen wir bei Cognin-les-Gorges die Schnellstraße, um den nächsten vorerst harmlosen Kurven der D22 zu fröhnen. Ein herzhafter Linksknick und eine folgende Tunneldurchfahrt eröffnet schlagartig die nächste wilde Trassenführung. Die Gorges du Nan verschlägt uns den Atem! So beengt, dass zwei Autos ohne die vorgesehenen Ausweichbuchten nicht aneinander vorbeipassen würden! Es wäre ein sinnloses Unterfangen, dem rauen Straßenbelag einen Mittelstreifen aufzuzwingen. Wild hupend vor jeder Kurve kommt uns der einzige PKW der nächsten Stunde entgegen. Glücklicherweise pressen wir uns in einer vorhandenen Nische weit an den Fels und müssen das Ausweichmanöver nicht am steilen Abgrund vollziehen. Spektakulär hängt der Weg hohlkehlenförmig hoch oben über dem Talboden an der wilden Wand. Talseitig, an die kleine Sicherungsmauer gepresst, würde das Vorbeilassen für einen nächsten ungewollten Adrenalinschub sorgen. Den Luftraum der hier ansässigen Greifvögel möchten wir ihnen nicht streitig machen. Daher lassen wir den wilden Fahrer passieren, um dann den weiteren Weg der D22 zu folgen. Ein letzter wehmütiger Blick fällt auf die Felsformation zurück. Das schmale Asphaltband quert dann den Cirque de Malleval und lässt uns in den Forêt des Coulmes eintauchen. In vollkommen abgeschiedener einsamer Lage grasen die Schafe zufrieden am Wegesrand.,Sie führen hier augenscheinlich ein vollkommen freies Leben. Vorsichtig versuchen wir, diese zu umfahren. Jedoch springen immer wieder einige Lebensmüde vor die Motorräder. Auch wir genießen hier die Abgeschiedenheit und rollen entspannt dahin, bis wieder ein scharfer Rechtsknick fast für einen Herzinfarkt sorgt. Aufgeregt pochend hüpft es in der Brust vor Freude!
Die Route de Presles hat eine umwerfend schöne Streckenführung! Sie führt direkt durch und am hellen Fels vorbei und zählt auch mit zu den spektakulärsten Balkonstraßen dieser Region. Herrliche Ausblicke eröffnen sich vom Col de Toutes Aures in das Bourne Tal, welches wir anschließend in kühnen Schwüngen durchfahren. Immer wieder lenkt die bizarre Bergwelt von der korrekten Blickrichtung auf die unzähligen Kurven ab.
Diese ständig atemberaubende Streckenführung fordert nun eine kleine Pause zum Erholen ein. So streifen wir durch die engen Straßen von Pont-en-Royans, suchen uns hoch oben über dem kleinen Fluss La Bourne ein aussichtsreiches Plätzchen am Eiscafé, genießen den Ausblick sowie das kühle Eis. Geruhsam muss die wahnsinnige Trassierung der heutigen Straßen erst einmal verarbeitet werden. Die Zeit ist bereits fortgeschritten, und die Straßenkarte wird intensiv studiert. Die Topografie und Straßen lassen nur ein Zurückkehren oder ein weiteres Ausweiten der Tour in Richtung Süden zu. Dass dabei wieder die Combe Laval und der Col de la Machine gequert werden, stört kaum. Dieser Weg zieht uns magisch an. Weiterhin erhöht er nur noch weiter den Spaßfaktor der wilden Straßen im Vercors. Zutiefst beeindruckt von den Naturpanoramen folgen wir weiter der D76 und surfen genussvoll durch die faszinierende Landschaft. Der Col de la Chau mit 1337 Höhenmetern verschwindet im Rückspiegel. Mit ein paar gezackten Radien wird von nun an stetig an Höhe verloren. Eine schnelle Linkskurve eröffnet das wundervolle Bergpanorama auf den Parc naturel régional du Vercors am Horizont. In den kleinen Dörfern treiben die Bauern auf den Straßen die Kühe heim. Die langen Schatten der Sonne ermahnen uns, den Rückweg einzuschlagen. Ein unvergesslicher Tag mit außergewöhnlich motorradfreundlichen Strecken neigt sich leider dem Ende zu. Heute hat sich Mutter Natur immer wieder selbst übertroffen! Zum Morgensport werden auf der bereits bekannten Strecke nicht nur die Reifen zur frühen Stunde auf Betriebstemperatur gebracht. Tief steht noch die Sonne knapp über den Baumwipfeln und schickt die ersten wärmenden Strahlen zur Erde hinab. Eine Kurve nach der anderen wird lustvoll durchbraust, um dann den Blinker auf links zu setzen. Die Straße folgt in gebührendem Abstand den steilen Felswänden des Naturparkes. Recht kühler Morgenwind weht sachte durch das Tal. Der Geruch von den mit Holz befeuerten Öfen wabert durch die Luft. Einige Bauern versorgen bereits das blökende Vieh auf den Weiden. Hunde bewachen die Schafherden auf den abseits der Dörfer gelegenen Wiesen.
Immer höher steigt die Straße stetig bergan, um dann in einem dunklen Tunnel in der Felswand zu verschwinden. Nach Erreichen des Tageslichtes werden die Augen stechend geblendet. Schuld daran ist eindeutig das Panorama der Extraklasse vom Baumeister Natur. Ein wohliger Schauer läuft über die Haut. Der Wahnsinn trägt auch einen Namen: Col de Rousset! Ein Parkplatz am Tunnelausgang verschafft Zeit zum Durchatmen. Weit gleitet der Blick Richtung Süden über die im Dunst der Entfernung befindlichen Bergrücken. Steile Hänge grenzen links und rechts das Sichtfeld horizontal ein. Erst führt die breit ausgebaute Straße am steilen Fels entlang, um sich dann in einem unüberschaubaren Wirrwarr in die Tiefe zu stürzen. Kurven, die süchtig machen, tauchen vor dem Lenker auf. Nicht nur die Reifen wimmern vor Freude, auch bekommen bei uns beide Ohren vom breiten Grinsen dauerhaften Besuch. In unzähligen Richtungsänderungen verlieren wir ständig an Höhe. Cabriofahrer touren entspannt vor sich hin und lassen sich den kühlen Fahrtwind um die Nase wehen. Mehrere Porschefahrer liefern sich ein hitziges Kopf-an-Kopf-Rennen. Plötzlich liegt ein Gemisch aus verbranntem Öl und Gummi in der Luft. Einige Straßenwindungen werden von den Hobbyracern geschnitten, um nicht nachgeben zu müssen. Wir dagegen tanzen, jeden Radius genussvoll auskostend, immer tiefer hinab. Kurz vor dem Ort „Die“ schlagen wir gleich wieder einen rechten Haken in die Einsamkeit der Berge. Auf schmalen Straßen, die keinen Mittelstreifen tragen, surfen wir vollkommen einsam durch die Landschaft. Eine Felsenge gewährt Durchlass in ein nächstes Tal, das wiederum unzählige Landschaftspanoramen darbietet.
Der Kessel öffnet sich kurze Zeit später, um uns dann förmlich durch die Vorgärten der kleinen Dörfer rollen zu lassen. Saint-Julien-en-Quint schickt gerade seine Kinder aus der Schule. Kurzzeitig herrscht reges Treiben auf den Gassen, um dann wenig später wieder friedlich dahinzuschlummern. Ein Hinweisschild zeigt den Weg zum Col de La Croix an. Das Zusatzschild „Ouvert“ lässt keinen Zweifel an dem erfolgten Richtungswechsel aufkommen. Serpentinen ziehen sich mit schmalem Asphaltband immer weiter auf 745 Höhenmeter hinauf, um dann auf der anderen Seite im Wald wieder hinunterzustürzen. Nach dem Kurvenkarussell erreichen wir den Ort Beaufort-sur-Gervanne. Enge Gassen laden zu einem kleinen Rundgang durch die vielen Natursteinhäuser ein. Rundtürme und eine Stadtmauer weisen noch heute auf eine streitbare Vergangenheit hin. Schöne Rundungen erwarten uns auf der nun folgenden D70. Plan-de-Baixist wird schon von Weitem gesichtet. Hoch oben auf dem Fels überragt ein großes Kreuz die Landschaft. Hart am Stein entlang führt die weitere Route, um dann über den Pass de Bacchus in das Hochtal der Petite Lyonne hineinzufahren. In der Ferne ist das Kloster Léoncel auszumachen. Die ehemalige Zisterzienserabtei im romanischen Stil wurde in den Jahren 1137 bis 1210 erbaut. Aufgrund von Witterungseinflüssen mussten bereits in den Jahren 1920 und 1997 größere Restaurationsarbeiten durchgeführt werden. Auch 2014 stand wieder umfangreicher Sanierungsbedarf an. Das Kirchenschiff sowie der Glockenturm müssen noch instand gesetzt werden. Dann wird das Kloster wieder in alter Schönheit erstrahlen. Das im Hochtal eingebettete Kloster verlassen wir nach der willkommenen Rast. Die Straße windet sich in wechselnder Kurvenführung im Wald immer weiter hinab. Auf der rechten Seite wird diese vom rauschenden Rivière de Léoncel begleitet, links jedoch von Felsformationen begrenzt. Genussvoll kosten wir jeden Kurvenschwung auf der D70 aus, um dann bei Sainte-Eulalie-en Royans auf die D518 abzubiegen. Ein bis dato verschmähtes landschaftliches Highlight muss nun auch endlich unter die Reifen genommen werden: Grands Goulets. Durch eine Felsenenge beginnt der Ritt durch die schöne Schlucht, steigt mit einigen kühnen Schwüngen immer höher, um dann unspektakulär in einem schwarzen Loch im Fels zu verschwinden. Leider kann die alte Strecke mit ihren unzähligen Naturgalerien und Ausblicken heute nicht mehr befahren werden. Das „Große Nadelöhr“ wurde auf Kosten der Europäischen Union in einen für Motorradfahrer langweiligen Hochsicherheitstunnel verwandelt. Der historische Weg konnte dem Zustrom der Ausflügler und dem angstvollen Rangieren der Wohnmobilisten nicht mehr standhalten. So ist der alte Eingang noch zu sichten, wurde jedoch vergittert wie ein Militärsperrgebiet. Nun müssen wir die Drosselklappen der Motoren mal kräftig öffnen, da wir heute Abend noch eine Verabredung mit Bruno haben. Kaum rollen die Bikes in Vernay auf den Hof, da öffnet sich bereits das große Garagentor. Er treibt uns sofort an: „Frischmachen und Essen kommen!“ Der Duft von Kürbiscremesuppe aus eigener Herstellung kitzelt bereits unsere Geschmacksknospen.
Das angekündigte Hauptgericht: „Raclette regionale Spezialität“, ein Gericht mit Käse Bleu du Vercors-Sassenage, Pellkartoffeln und heimischen Wurstspezialitäten lässt uns mit einem beeindruckenden Endspurt den Tisch erreichen. Der Abend wird sehr lang. Bruno hat unendlich viel über die Region des Vercors zu berichten. Mit einem letzten Bergkräuterschnaps Génépi fallen wir todmüde in die Betten. Unverkennbar zeigt unser letzter Tag den nahenden Herbst an. Unzählige Wolken hängen an den Bergspitzen und fangen alle Sonnenstrahlen ab. Mit jedem neuen Tag erscheinen die Blätter an den Bäumen immer bunter. Nicht nur das Laub tanzt im Wind, auch wir flattern jetzt genussvoll über die D106 hinweg. Die Wolken reißen ein wenig auf und lassen Grenoble in einem besonderen Licht im Talkessel erscheinen. Goldgelb erstrahlt der Himmel über den ungezählten Berggipfeln am Horizont. In rasanten Kurvenkombinationen erreichen wir den Ort, verlassen diesen jedoch zügig, um in Vif den Markt aufzusuchen. Eilig wird die Vesper für den Tag eingekauft. Möglichst schnell sollen die nächsten Kurven auf der D88 vernascht werden. In unendlich erscheinenden Serpentinen sowie ständig wechselnden Schräglagen steigt die Straße höher. Eine zügig zu durchfahrende Kurve eröffnet das nächste große Panorama. Eine massive Bergkette baut sich vor dem Lenker auf und der Weg folgt immer weiter den natürlichen Gegebenheiten am Fels entlang. Über den Col de L`Arzelier stürzen wir der nächsten imposanten Bergkulisse entgegen. Nach Château-Bernard bestaunen wir mit großem Oh und Ah wiederum den Baumeister Natur. Wie eine Sperrmauer schottet die steile Felswand den Blick ab. Wolken werden vom Wind herbeigefegt, um sich dann zu sammeln. Der Herbst liegt hier in den Höhenlagen ganz besonders in der Luft. Über den Col des Deux wollen wir den Pas du Serpaton erreichen. An einem einsam hoch oben gelegenen Rastplatz endet der schmale Weg abrupt mit einem Schild Durchfahrtsverbot. So genießen wir die willkommene Rast, um dann den 1352 Meter hohen Col de L`Allimas zu stürmen. Zwischenzeitlich wurden die Reifen mehr als ausreichend auf Betriebstemperatur gebracht und verlassen nun die D1075. Eine weise Entscheidung, denn der Kurvenwahnsinn trägt einen Namen: D7. Hier dient die Mittellauffläche des Reifens nur zum Umlegen des Motorrades. Die letzten Gänge des Getriebes haben eine gefühlte Ewigkeit Pause. Den Zweiten, Dritten hoch und runter, durch die Kurven surfen, das wird hier zum unendlich erscheinenden Programm! Der Col de Menée lässt uns vom Departement Isère in das Departement Drôme wechseln. Damit wird auch gleichzeitig aus der D7 die Straßenbezeichnung D120. Ab hier schwingt sie sich etwas zahmer durch die Berge. Die Gärtner beweisen nun eine ganz besondere Fantasie. Anstatt einer Randsicherung werden die Buchsbäume in unterschiedlichste Motive geschnitten. So zieren zurechtgestutzte grüne Treppen teilweise den Straßenrand. Einige werden nur als Vierecke geschnitten, dann schmücken Irrgärten den seitlichen Weg und werden auch als Sichtschutz für die vielen Rastmöglichkeiten zurechtgestutzt. Selbst vor lustigen Gesichtern macht die Kreativität der Landschaftspfleger hier am Straßenrand nicht halt. Zwischenzeitlich bläst ein frischer Herbstwind einige bunte Blätter von dannen. Die Temperaturen fallen mit jedem Höhenmeter. Der Col de Rousset findet heute kaum noch Beachtung. Schnell lassen wir diesen hinter uns, um auf bereits bekannter Strecke nach Autrans zu gelangen. Durchgefroren, wie wir sind, öffnet uns Bruno sogleich das Garagentor, um die Motorräder unterzustellen. Er hatte sich bereits Sorgen wegen unseres späten Erscheinens gemacht. Sofort verabreicht er uns fürsorglich ein Hausmittel à la Vercors. Dazu wird 69-prozentiger Élixir Végétal auf ein Stück Würfelzucker gegossen, um es dann langsam auf der Zunge zergehen zu lassen. Zuckersüße Kräuterschnaps-Schluckimpfung zur Vorbeugung von Erkältungen versichert Bruno beschwichtigend. Während wir uns frisch machen, zaubert er in der Küche wieder ein exzellentes Abendbrot herbei. Eine Tarte mit Wirsing eröffnet die kulinarischen Gelüste, gefolgt von Fromage Bleu, Forellenfilet mit Kartoffelgratin. Zum krönenden Abschluss kredenzt er einen Schokoladenkuchen, mit flüssigem Kern und Spekulatiussahne. Gemeinsam sitzen wir bis spät in die Nacht hinein und tauschen am Wärme spendenden Kamin unzählige Motorradgeschichten aus, während draußen ein scharfer Wind um das Haus bläst. Ein Sturm in der Nacht fegt die Blätter von dannen und uns am nächsten Morgen mit schönstem Herbstwetter nach Hause. Mit diesen atemberaubenden Strecken endet für uns ein großartiger Besuch im Vercors.
Motorradtour Wilder Vercors – Infos
Allgemeine Infos
Das Motorradparadies beginnt im Südwesten von Grenoble. Ab hier erhebt sich der Gebirgsstock mit einer Ausdehnung von etwa 30 mal 50 Kilometern hoch in den Himmel. Mehrere Zweitausender zieren das Kalksteinmassiv. Dieses wird von den Flüssen Isère, Drôme, Drac und Rhone begrenzt. Der Vercors war bis Anfang des 20. Jahrhunderts nur mäßig an die Straßen des Landes angeschlossen. Zur Anbindung wurden teilweise waghalsige Trassenführungen in den Fels gesprengt. Durch die natürliche Abgrenzung wurden die Flora und Fauna größtenteils natürlich geschützt. So entstand das mit 170 Quadratkilometern Fläche größte französische Naturschutzgebiet.
Sehens- und erlebenswert Verwinkelte Bergstraßen, abseits gelegen, ohne Verkehr, sehr kurvig, aussichtsreich, hoch oben in den Fels gesprengt mit waghalsiger Trassierung. Das lässt das Herz eines jeden Motorradfahrers höherschlagen! Der Vercors wartet mit einigen spektakulären Gebirgsstraßen Frankreichs auf. Namen wie Grands Goulets, Combe Laval, Gorges du Nan, Gorges de la Bourne, Col du Rousset sind Straßen, die jeder Motorradfahrer einmal im Leben unter die Räder genommen haben muss. Natur pur wird zur Kultur! Ebenso sind Höhenangst und unsichere Fahrweise hier fehl am Platz!
An der kleinen unscheinbaren Käserei in Méaudre sollte eine kleine Rast eingelegt werden, um den Blauschimmelkäse Bleu du Vercors-Sassenage zu verkosten. Etwas südlich von der Stadt „Die“ befindet sich direkt an der D93 gelegen die Schmetterlingsfarm Le Jardin des Découvertes. Die Öffnungszeiten sind von Mai bis September.
Käserei Fermet de la Bourrière La Bourrière 38112 Méaudre
Unterkunft Wer im Vercors die gute, deftige regionale Küche erleben möchte, der sollte auf kleinere familiär geführte Unterkünfte ausweichen. Im Hotel Le-Vernay bekocht der motorradfahrende Chef jeden Abend seine Gäste. Direkt am Eingang zur Gorges de la Bourne befindet sich in Villard-de-Lans das Hotel La Roseraie. Der auf Wintersport ausgelegte Ort öffnet auch im Sommer seinen Gästen die Türen. Auf der östlichen Seite des Naturparks Vercors befindet sich das Hotel Chalet vor dem imposanten Gebirgsmassiv.
Anreise
Für eine schnelle Anreise aus der Mitte von Deutschland empfiehlt sich die Autobahn A5. Dann wird in Richtung Mulhouse auf die A36 gewechselt und weiter der A39 gefolgt. Bei Bourg-en-Bresse müssen die A40 und A42 genutzt werden. Lyon umfährt man auf der A432, um dann auf der A43 weiterzufahren. Je nach anvisiertem Ziel im Vercors ist es möglich, nach Voiron weiter auf der A48 zu verbleiben oder den westlichen Einstieg über die A49 zu wählen. Von Kassel sind es etwa 1.000 Kilometer bis zum Zielgebiet. Je nach Wohnort kann auch eine Anreise über die Schweiz sinnvoll sein.
Beste Reisezeit
Aufgrund der teilweise beträchtlichen Höhenlagen gibt es keine klare einheitliche Empfehlung. Je nach Wetterlage kann die Region von Mai bis in den Oktober hinein mit dem Motorrad bereist werden. In den Höhenlagen könnte auch in den Sommermonaten ein raues, alpines Klima regieren, um in den Tälern mit mediterranen Temperaturen zu verwöhnen.
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