M&R-PlusTraumhaftes Kreta – Motorradinsel mit zwei Gesichtern

M&R Archiv
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Mit einer ziemlich sportlichen Kurve biegt der TUI-Flieger in Hannover auf die Startbahn ein – Außentemperatur: 5° Celsius. Flott gewinnen wir an Höhe und schon knapp drei Stunden später landen wir butterweich – von einem herrlichen Sonnenaufgang begleitet – in Heraklion – Außentemperatur: 26° Celsius. Die anschließende Gepäckausgabe geht sehr zügig voran und so treffen wir schon 20 Minuten später unseren Kreta-Scout Silvio direkt am
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Flughafenausgang. Weiter geht es – erst ins Hotel – und dann zu unserem Motorradvermieter Yannis, wo auf Rudi eine Ténéré und auf mich eine V-Strom wartet. Der nächste Tag gehört Silvio, der eine Traumtour verspricht. Gleich nach dem Frühstück folgen wir – und ein paar Gäste mehr – ihm also. Im Osten von Kreta ist er mit jedem Teerband und fast jedem Kiesel per Du. Außerdem kennt er die schönsten Plätze und Badestrände der Insel, die man aber nicht immer auf normalem Weg erreicht.
Gerade bei Silvios Touren geht den Straßen und Wegen immer mal wieder der Teer aus. Dann staubt es gewaltig, Steine spritzen unter den Reifen weg und das Duschwasser am Abend wird sich im Abfluss in Richtung schwarz verfärben. Über Kasteli fahren wir also von Hersonnisos an der Nordküste der Insel aus in Richtung Süden, passieren typische kretische Orte und erreichen dann die Messaraebene, wo die meisten Olivenbäume der Insel stehen – insgesamt sollen es 30 Millionen sein. Auch Yannis, unser zuverlässiger Motorradvermitter, nennt rund 300 Bäume sein Eigen, die ihm ungefähr 300 Liter feinstes Olivenöl für den privaten Verbrauch pro Jahr bescheren. Er meint, man könnte die Menge auch steigern, aber das wäre dann viel Arbeit und man müsste obendrein auf diverse Hilfsmittel zurückgreifen. „Machen wir alles nicht“, sagt er schmunzelnd, „und so haben wir eben reinstes Bio-Olivenöl!“ Bald legt Silvio noch eine Pause ein: „Trinkt was Leute, gleich kommt Schotter!“ Und dann staubt es mächtig. Klar ist, dass ungeübte Motorradfahrer hier schnell überfordert sind. Aber selbst Zweiradfans, die weniger sportlich unterwegs sind, sollten einfach weiterlesen, denn man kann auf Kreta natürlich auch ganz anders Motorrad fahren. Dazu später mehr. Inzwischen zwirbeln wir uns auf staubtrockener Piste über reichlich steile Höhen, bevor das Libysche Meer in Sicht kommt. Der Blick allein entschädigt für Staub und Dreck, der zwischen den Zähnen und auch sonst wo knirscht. Logisch, dass wir hier einen längeren Fotostopp einlegen. Danach geht es mächtig bergab. Das blaugrüne Meer nähert sich langsam aber beständig, immer wieder spritzt ein kleiner Kiesel unter dem Reifen weg. Ein solches Geschoss schlägt bei meinem Hintermann auf der Windschutzscheibe ein.
Traumhafter, kretischer Sonnenaufgang
Traumhafter, kretischer Sonnenaufgang
Ein paar Schotterserpentinen vernichten weiter reichlich Höhe und dann taucht vor uns eine mächtige Felswand auf, durch die eine ziemlich genau einspurige Schlucht führt. „Silvio, du bist einfach klasse!“ schießt es durch meinen Kopf. Am Meer selbst gibt es erneut was zu trinken, und zwar in einer kleinen Taverne, die zig Kilometer von dem entfernt liegt, was wir als Zivilisation kennen. Das wird umso klarer, wenn man den Weg kennt, der nun am Meer entlang führt und immer wieder kleine Orte passiert. Dort finden sich auch kurze Teerpisten, allerdings gehört der Rest der ungefähr 40 Kilometer langen Strecke zu Silvios Lieblingsgeläuf und das staubt wieder mächtig. Inzwischen hat sich unsere Truppe an das sportliche Abenteuergeholper gewöhnt und so dauert es nicht mehr lange, bis wir in Sivas zum Boxenstopp kommen. An dieser Stelle muss man auch mal feststellen, dass Silvio nicht nur die spannendsten Schotterpisten kennt, sondern auch die besten Tavernen. Satt essen in leckerster Form und das Ganze auch noch preiswert. Den abschließenden Raki, den uns die supernette Wirtin kredenzen will, lehnen wir allerdings ab, denn wir müssen noch rund 80 Kilometer fahren, bis wir wieder im Hotel sind – und dabei gehen die Kurven – nun auf Teer – auch nicht aus. Silvios Programm für die weitere Woche schaut ähnlich aus, er zeigt seinen Gästen halt Strecken und Aussichtspunkte, wo die Busse der großen Reiseveranstalter definitiv nicht hinkommen. Logisch, dass es dabei immer mal wieder staubt. Im Hotel treffen Rudi und ich ein paar M&R-Leser, denen Silvios Touren etwas zu anspruchsvoll sind. Sie erkunden Kreta auf eigene Faust: „Da bleibt viel mehr Zeit, um sich alles anzuschauen – Kreta ist nämlich wunderschön!“ Die nächste Runde führt nach Mátala zum ehemaligen Hippiestrand. Diese Strecke sind wir schon einmal gefahren. Das gilt auch für die Keratakombos-Runde mit dem Boxenstopp bei Yourgus, einer der besten Tavernen auf Kreta. Zunächst steuern wir Milatos an, ein hübscher Ort direkt am Meer.
In den Bergen dahinter findet sich eine Höhle mit einer traurigen Geschichte. Folgt man der Straße nach Kounali, erreicht man nach etwa 2.500 Metern einen Parkplatz. Von dort aus führt ein 300 Meter langer Fußweg zum Höhleneingang. Eine Inschrift über dem Eingang erinnert an die grausamen Geschehnisse von 1823. Die Höhle hat eine Größe von 2.100 Quadratmetern, eine maximale Tiefe von 73 Metern und eine Höhe von bis zu drei Metern. In ihr wurde 1935 eine kleine Kirche eingeweiht. Gleich daneben befindet sich ein Schrein mit Knochen der getöteten Christen, die man hier fand. Die ältesten Funde stammen zwar aus der Jungsteinzeit, bekannt wurde die Höhle aber wegen ihrer Belagerung durch ägyptisch-türkische Truppen. 1821 formierte sich auch auf Kreta Widerstand gegen das Osmanische Reich. 1822 landete ein ägyptisch-türkisches Heer unter Führung von Hassan Pascha, um den Aufstand niederzuschlagen. Als er im Frühjahr 1823 bei Neapoli lagerte, suchten mehr als 2.000 griechische Christen in der Höhle von Milatos Zuflucht. Darunter sollen sich auch mehr als 150 bewaffnete Männer befunden haben. Alle anderen waren Frauen und Kinder. Am 3. Februar 1823 riegelten die Türken das Tal rund um die Höhle ab und sie wurde mit Artillerie beschossen. 300 Sfakioten unter Führung von Rousos Vourdoumbas und eine große Anzahl Kämpfer aus Lappa unter Georgios Souderos kamen den Eingeschlossenen zu Hilfe, fügten den Belagerern schmerzliche Verluste zu, erbeuteten Rinder und Schafe, konnten aber die Belagerung nicht beenden. Am 15. Februar mussten die Flüchtlinge aufgeben. Fast alle wurden getötet. Priester verbrannte man auf Scheiterhaufen. Die Kämpfer richtete man hin. Ältere Frauen ließ man von der Kavallerie niedertreten, jüngere Frauen und Kinder wurden in die Sklaverei verkauft. Aber lassen wir diese höchst grausame Geschichte mal ruhen. Weiter geht’s! Eine einspurige Asphaltpiste zwirbelt sich bald über die Höhe in Richtung Neapoli und eröffnet neben Fahrspaß obendrein wieder Traumblicke. Man weiß gar nicht, wohin man zuerst schauen soll. Das gilt auch für die nächste Bergpartie, die wie eine Achterbahnfahrt via Kourounes und Skinias hinunter in Richtung Meer führt.
Irgendwann stoppen wir mal wieder wegen der Aussicht, da fällt weit unten ein schmales Teerband auf, dass direkt an der unverbauten Küste entlang führt. „Ist bestimmt eine Sackgasse!“, orakelt Rudi. Aber er sollte irren, und so finden wir uns bald in einer ganz anderen und vor allem sehr einsamen Welt wieder. Türkisfarbenes Wasser, ein paar Wellen plätschern, rechts der einspurigen Straße prägen Felsen die Szenerie, wir sind begeistert. Bald wird die nächste Anhöhe erobert und das Bild ändert sich schlagartig, denn vor uns liegt die Mirabellobucht mit Elounda und der Insel Spinalonga. Das nunmehr unbewohnte Eiland war bereits in der Antike zum Schutz des alten Hafens von Olous befestigt. Auf den Ruinen bauten die Venezianer ab dem späten 16. Jahrhundert eine mächtige Festung, die 1715 von den Türken erobert wurde. Mit der Unabhängigkeit Kretas errichtete man 1903 eine Leprakolonie auf der Insel, die erst 1957 aufgelöst wurde. Während wir weiter an der Mirabellobucht entlangfahren, können wir reichlich Touristenschiffe ausmachen, die Spinalonga ansteuern. So kommen wir bald an einen Abzweig, der zur „Old Road“ und weiter in Richtung Neapoli führt. Vor Limnes biegen wir dann erneut ab und der letzte Höhenflug des Tages beginnt, und zwar hinauf zur Lassithi-Hochebene. Früher prägten hier mal tausende Windmühlen das Bild, Postkarten davon gibt es noch. Heute sind die meisten stoffbespannten Energieerzeuger am verrotten. Schade! Kurz vor der Hochebene stoppen wir und genießen einen frisch gepressten Orangensaft. Der gibt genug Power für die abschließende Abfahrt nach Hersonissos. Wie mit einem Flieger nähern wir uns dem Hotel, die Aussicht ist gigantisch und die Tour endet mit einem Bad im Meer. „Kreta ist einfach ein Traum“, meint Rudi als wir einen Tag später wieder im Flieger sitzen: Außentemperatur (Ende Oktober): 28° Celsius! In Hannover – Außentemperatur 4° Celsius – schlägt uns dann eine Ahnung vom nahen Winter ins Gesicht. Irgendwie verspüre ich wenig Lust auszusteigen, aber als mir die Flugbegleiterin sagt, dass sie nun weiter nach Stockholm fliegen, stelle ich mich dem November und dem vorwiegend miesen Wetter. Da heißt es durchhalten, denn der nächste Frühling kommt bestimmt.

Motorradtour Traumhaftes Kreta – Infos

Motorradtour Traumhaftes Kreta
Wenn der Schotter staubt, wenn sich Kurven und Serpentinen auf gutem Teer fast unendlich in den stahlblauen Himmel schrauben, wenn einsame Buchten mit smaragdgrünem Meerwas­ser vor dem Visier auftauchen, wenn in urigen Ta­­ver­nen frische Garnelen so­wie andere Köstlichkeiten serviert werden - dann muss es einfach Kreta sein!

Allgemeine Infos

Kreta ist mit etwa 8.331 km² Flä­che, sowie 1.040 km Küsten­linie die größte griechische Insel und das fünftgrößte Eiland im Mittelmeer. In Ost-West-Rich­tung dehnt sie sich auf bis zu 260 Kilometer Länge aus, ist in Nord-Süd-Richtung aber nur zwischen 12 bis 60 Kilo­meter breit. Die vor der kretischen Süd­westküste liegende Insel Gavdos markiert zudem den südlichsten bewohnten Punkt Euro­pas. Kreta wird von zahlreichen Bergketten durchzogen, die zu den Kü­­sten hin oft steil abfallen. Im Westen finden sich die Weißen Berge, griechisch Lefka Ori, die mit einer Vielzahl von Gipfeln über 2.000 Meter das größte Gebirge der Insel bilden. Der höchste Gipfel dort ist der Páchnes mit 2.453 Meter. Ziemlich zentral auf Kreta liegt das Ida-Gebirge mit dem Psiloritis-Massiv, wo auch der höchste Berg der Insel zu finden ist und zwar der 2.456 Meter hohe Timeos Stavros. Weiter im Osten findet sich das bis zu 2.148 Meter hohe Dikti-Massiv mit der Hochebene von Lasithi. Ganz im Osten finden sich dann noch die maximal 1.500 Meter hohen Thripti-Berge.

Anreise

Ist in rund drei Tagen auch mit dem Motorrad möglich und zwar via Venedig oder Brindisi per Fähre nach Patras. Von dort dann mit dem Motorrad weiter nach Piräus, wo die Fähren nach Kreta abfahren.

Beste Reisezeit

Auf Kreta ist der Sommer fast im­mer zu Hause. So kann man auch im Winterhalbjahr dort oft be­stens Motorrad fahren. Hinzu kommt, dass das Meerwasser am Strand von Matala eigentlich nie kälter als 18° Celsuis wird. Ganz ideale Motorradbedingungen findet man also in den Monaten März, April, Mai, September, Oktober und November vor. Aber man kann auf Kreta auch im Hochsommer seine Runden drehen, sollte dann aber in höher gelegene Gebiete, von denen es ja genug gibt, ausweichen.

Verpflegung

Die gebote­ne Qualität in den zahlreichen Taver­nen und Restaurants auf Kreta ge­staltet sich sehr, sehr unterschiedlich. Manche ha­ben sich auf Touristen spezialisiert und bieten simples Fast-Food an. Andere kredenzen Spezialitäten, die mitunter recht schwer in mitteleuropäischen Mägen liegen können. Und dann gibt es wieder Restaurants, wo man einfach nur ganz wunderbar speisen kann. Unser Kretamann Silvio hat da stets die besten und aktuellsten Tipps parat.

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