Gebirge und Steppenlandschaft, so könnte man Armenien kurzgefasst beschreiben. Hohe Berge und tief eingeschnittene Täler prägen das Land. Am Berg Aragaz fahren wir bis auf eine Höhe von 3.200 Metern hinauf – der höchste Punkt, den ich jemals mit dem Motorrad erreicht habe. Von dort aus schauen wir nach Westen auf den Berg Ararat. Dieser 5.137 Meter hohe Berg wird bereits in der Bibel erwähnt. Hier sei nach der Sintflut Noahs Arche an Land gegangen. Die Taube, die
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mit einem Olivenzweig im Schnabel zur Arche zurückkam, wurde zum Symbol des Friedens. Davon ist für die Armenier mit Blick auf den Berg Ararat nichts zu spüren: Der vormals armenische Berg liegt inzwischen auf dem Staatsgebiet der Türkei, weil das damalige Osmanische Reich armenisches Land raubte. Den Berg Ararat, der für die Geschichte des christlichen Armeniens so wichtig ist, können die Armenier nur aus der Ferne bewundern, nicht aber betreten: Die Grenze zwischen Armenien und der Türkei ist unpassierbar.
Für die Armenier ist der Berg Ararat ein Teil ihrer nationalen Identität und bleibt doch nur ein Sehnsuchtsort. Schon seit dem Völkermord an den Armeniern durch die Türken im Jahr 1915 herrscht zwischen diesen Ländern Streit. Während der Sowjetzeit verlief hier ein Teil des „Eisernen Vorhangs“ zwischen dem NATO-Land Türkei und der Sowjetrepublik Armenien. Die Zeiten dieses Ost-West-Konfliktes sind vorbei, aber die Grenze zwischen Armenien und der Türkei bleibt geschlossen. Wir sind zu zweit unterwegs, Arsen und ich, beide fahren wir Enduros vom Typ Yamaha XT 660 R. Diese unverwüstlichen Ackergäule sind genau die richtigen Fahrzeuge für Armenien: Für schwieriges Gelände geeignet, aber doch nicht zu schwer. Die 48 PS reichen gut aus, denn um schnell zu fahren, reist man nicht nach Armenien. Arsen, mein Guide, ist der Inhaber der Motorradvermietung Dreamriders. Mit ihm als Einheimischen finde ich mich weit schneller zurecht, als dies allein möglich gewesen wäre. Zehn Tage lang sind wir beide in Armenien unterwegs. 1.500 Kilometer legen wir zurück, mindestens ein Drittel davon auf Schotter- oder auf Erdstraßen. Auch von den Asphaltstraßen wären viele Passagen für europäische Verhältnisse kaum passierbar.
Ein raues Pflaster
Armenien ist eine andere Welt und eine andere Kultur. Bereits die Schrift ist eine andere und führt dazu, dass ich – sofern keine englischen „Untertitel“ angebracht wurden – keine Schilder entziffern kann. Auch viele Zapfsäulen sind nur mit armenischen Buchstaben beschriftet. Arsen und ich auf unseren Motorrädern gehören zu den wenigen, die in diesem Land „zum Spaß“ unterwegs sind. Häufig kommen uns auf den Erdstraßen alte sowjetische Lastwagen entgegen und wirbeln Staubwolken auf. Herbe Gegensätze prägen dieses Land: In jedem größeren Ort sieht man die düsteren Plattenbauten aus der Sowjetära. Auf dem Land leben viele Menschen in heruntergekommenen kleinen Bauernhöfen. Prägend für die Baugeschichte des Landes sind aber viel mehr die uralten Klöster, die teilweise über 1.000 Jahre alt sind. Gerade die Klöster waren und sind in Armenien Träger der Kultur und der Bildung. Armenien hatte sich bereits im Jahr 300 als erstes Land weltweit im Ganzen zum christlichen Glauben bekannt. Den kirchlichen Würdeträgern wird von allen Armeniern Respekt entgegengebracht. Das Land ist christlich geprägt, ist aber von seiner Geografie und seinen Straßenverhältnissen her ein Teil des Orients. Gastfreundschaft ist Teil dieser Kultur und tatsächlich begegnen uns alle Einheimischen sehr wohlwollend.
Deutsche Qualität ist sehr beliebt
Etwa 70 Jahre lang war Armenien ein Teil der Sowjetunion, bis sich das Land 1991 vom „Großen Bruder“ lossagte. Die neu errungene Freiheit bedeutete auch das Ende diverser Versorgungsleistungen, zumal es nun mit dem vorher erzwungenen Frieden mit dem Nachbarland Aserbaidschan vorbei war. In den darauffolgenden Jahren ging es mit der armenischen Wirtschaft katastrophal bergab. Auch in der Hauptstadt Jerewan gab es in dieser Epoche häufig keinen elektrischen Strom. Diese Ära ist vorbei, die Grundversorgung der Bevölkerung funktioniert wieder, aber noch immer ist Armenien ein Land mit Sowjetvergangenheit und unklarer Zukunft. Viele Menschen auf dem Land sind sehr arm und können nur aufgrund ihrer kleinen Landwirtschaft überleben. Speziell in der Hauptstadt Jerewan gibt es offensichtlich auch eine gut verdienende Oberschicht: Hier sieht man öfter neue und keineswegs kleine Mercedes-Limousinen. Auch mein Guide Arsen schwärmt von deutschen Autos, er hat aber ganz spezielle Vorlieben: „Unimogs are the best trucks that have been ever build.“ Die geländegängigen Kleinlaster würden tatsächlich gut in das schwierige armenische Verkehrswesen passen. Neben einigen gut ausgebauten Asphaltpisten gibt es auch auf den Hauptrouten viele Verkehrswege, die nach wie vor nur Schotter- oder Erdstraßen sind. Mit einer Straßenmaschine durch Armenien zu fahren ist nahezu unmöglich, und zwar nicht nur, weil man dringend Stollenreifen benötigt. Auch viele Asphaltstraßen haben derartig tiefe Löcher, dass man, sofern auch Slalomfahren nichts mehr hilft, den Federweg einer Enduro sehr zu schätzen lernt. Da auch der entgegenkommende Verkehr den Schlaglöchern ausweichen muss und dafür häufig die gesamte Straßenbreite braucht, sollte man dementsprechend vorsichtig fahren. Unterwegs auf diesen Straßen sind auch viele große Fahrzeuge – uralte russische Lastwagen, Landwirte auf Traktoren russischer Bauart und auch Tanklastzüge mit arabischen Schriftzeichen, welche Benzin und Diesel aus dem Iran nach Armenien liefern. Ein Liter Diesel kostet in Armenien 70 Cent, im Iran neun Cent und einige iranische Tanklastzugfahrer würden Diesel auch „privat“ verkaufen. Kurz vor meiner Ankunft in der Hauptstadt Jerewan besuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel dieses Land. Dieser Staatsbesuch war insofern ein heißes Eisen, weil zum Programm auch eine Kranzniederlegung an der Gedenkstätte für den Völkermord an den Armeniern gehört. Im Jahr 1915 wurden vom türkischen Staat etwa 1,5 der damals etwa 2 Millionen Armenier umgebracht. Erst 2016 hat der Deutsche Bundestag dieses historische Ereignis anerkannt und bis heute bestreitet die Türkei, dass es diesen Völkermord überhaupt gegeben hätte. An der Gedenkstätte betonte sie, dass das Leid des armenischen Volkes nicht vergessen werden dürfe, aber sie vermied es, das Wort „Völkermord“ auszusprechen. Auch Arsen und ich besuchten die Gedenkstätte.
Zizernakaberd – seit 1965 ein Wahrzeichen
Eine in Räumen unter der Erde angelegte Ausstellung dokumentiert die Geschichte Armeniens bis zum Völkermord. Zwölf graue Pylonen ragen schützend über dem ewigen Feuer und bilden zusammen den „Tempel der Ewigkeit“. Ein 44 Meter hoch aufragender Obelisk symbolisiert die Wiederauferstehung des Volkes. Armenien ist ein christliches Land, das von drei Seiten von muslimischen Nachbarländern umgeben ist. Der christliche Glaube ist seit dem dritten Jahrhundert die einende Kraft, die das Land und seine Kultur prägt. Die Armenische Apostolische Kirche hat einen sehr hohen Stellenwert im Land, daran konnte weder der Völkermord durch die Türken noch die Sowjetzeit etwas ändern. Fast alle Klöster Armeniens sind auch Wehranlagen, d. h. von einer hohen Mauer umgeben. Diese dienten nicht dazu, um die Mönche von der Welt abzuschotten, sondern die Klöster waren auch Schutzburgen für die Bevölkerung im Falle eines Angriffes. Ein ideelles Bollwerk gegenüber den Feinden Armeniens sind die Klöster nach wie vor, wobei aber die Beziehung zu Russland trotz der Sowjetzeit keineswegs feindlich ist. Der Ort Sanahin in der Provinz steht symptomatisch für die zwiespältige Geschichte Armeniens: Einerseits gibt es hier ein Kloster, aus dem 10. Jahrhundert, das sogar in die Liste der UNESCO als Weltkulturerbe aufgenommen wurde.
Anderseits befindet sich etwas unterhalb dieses Klosters ein Museum, vor dem ein russisches Kampfflugzeug MiG 21 aufgestellt ist. In Sanahin wuchsen die Brüder Artjom und Anastas Mikojan auf. Anastas Mikojan (geboren 1895) bekleidete in der Ära Stalin und Chruschtschow die höchsten Staatsämter in der Sowjetunion. Sein Bruder Artjom (geboren 1905) entwickelte gemeinsam mit Michail Gurevich (daher die Abkürzung MiG) russische Kampfflugzeuge. In Sanahin ist man stolz auf die beiden erfolgreichen Brüder. Im Museum wird nicht thematisiert, dass die Sowjetunion zu Stalins Zeiten über Millionen Leichen ging. Mein Guide Arsen ist erst 25 Jahre alt und hat folglich die Sowjetzeit nicht selbst miterlebt. Er versichert mir aber mehrmals, dass es ohne die Sowjets noch weit weniger Asphaltstraßen in Armenien geben würde. Von Jerewan fahren wir erst nach Norden in Richtung Georgien, um von dort aus über den Sewansee entlang der Grenze zu Aserbaidschan in Richtung Süden zur Grenze zum Iran zu fahren. Die Region um den Sewansee gehört zu den landschaftlichen Highlights des Landes. Freilich war er schon deutlich größer. Früher lag sein Wasserspiegel 17 Meter höher. Inzwischen hat man auch in Armenien erkannt, dass der Schutz der Natur ein wirtschaftlicher Vorteil ist. Noch sind es wenige Touristen aus dem Westen, die nach Armenien kommen. Die meisten ausländischen Besucher sind nach wie vor Russen. Jedes Jahr aber würden etwa 40 Motorradfahrer aus dem Westen bei ihm Motorräder mieten oder geführte Touren buchen, erklärt mir Arsen. Problematisch sind die vielen frei laufenden Hunde, die teilweise recht aggressiv auftreten. Oftmals ist es auch so, dass sie auf fahrende Motorräder zu rennen und angriffslustig bellen. Für Motorradfahrer ist das in aller Regel kein Problem, denn schneller sind wir immer. Höchst unangenehm wäre es freilich, wenn der Hund bis vor das Vorderrad rennen würde. Dann wäre der Sturz wohl unvermeidlich. Auf einem Fahrrad aber möchte ich nicht durch Armenien unterwegs sein. Tatsächlich begegnet uns in diesen zehn Tagen kein einziger Radfahrer.
Die Tourismusbranche wird angekurbelt
Armenien arbeitet daran, seine Attraktivität als Urlaubsziel zu erhöhen. Die lebenswichtige Grundversorgung, gerade für jüngere Touristen, ist bereits gegeben: Freies Internet gibt es fast überall. Fast jeder Kiosk, auch wenn er irgendwo in der Steppe steht, wirbt mit einem Schild „Free WLAN“. Ein absolutes Highlight in der touristischen Infrastruktur ist die 2010 eröffnete Seilbahn „Wings of Tatev“. Vom Ort Sjunik führt eine Seilbahn über die 2,7 Kilometer breite und 500 Meter tiefe Worotan-Schlucht hinüber zum Kloster Tatev. Die Seilbahn ist mit 5.750 Metern die weltweit längste Seilbahn. Gebaut wurde sie von einer österreichischen Firma. Ein Hindernis für den touristischen Aufschwung bleibt das schlechte Straßennetz Armeniens.
Für Enduroliebhaber kein Problem, aber deutsche Gruppenreisende würden sich wohl schwer damit tun, im Omnibus auf Straßen unterwegs zu sein, die nach unseren Standards gesperrt werden müssten. Wenn man aber nur europäische Gewohnheiten im Kopf hat, wird man einem Land an der Grenze vom Orient zum Okzident nicht gerecht. Die herbe Schönheit eines solchen Landes erkennt man nur, wenn man sich darauf einlässt und in diese fremde Welt wirklich eintaucht.
Motorradtour Armenien - Raue Schönheit – Infos
Gebirge und Steppenlandschaft, so könnte man Armenien kurzgefasst beschreiben. Hohe Berge und tief eingeschnittene Täler prägen das Land. Wir haben die bewegende Geschichte des Landes mit dem Motorrad erkundet.
Allgemeine Infos
Armenien liegt zwischen der Türkei und Aserbaidschan. Beide Nachbarn stehen in Feindschaft zu Armenien. Die Grenzen sind geschlossen. Im Süden grenzt der Iran an Armenien. Zwischen dem Iran und Armenien gibt es keine Konflikte, aber bedingt durch unterschiedliche Sprachen, Kulturen, Schriften und andere Religionen auch wenig Kontakt. Gut ist das Verhältnis zu Armeniens nördlichem Nachbar Georgien. Enge politische und wirtschaftliche Beziehungen pflegt das Land auch zum „übernächsten“ Nachbarn im Norden, Russland.
Anreise
Direktflüge von Deutschland aus nach Armenien gibt es nicht. Üblicherweise fliegt man mit Zwischenstopp über War-schau, über Wien oder über Moskau. Die Flüge kosten hin und zurück etwa 600,-- bis 800,-- Euro. Beim Preisvergleich muss man beachten, ob man für das Gepäck extra bezahlen muss. Von der Tageszeit her sind die meisten Flüge unkomfortabel. Üblicherweise kommt man nachts um drei in Jerewan an. Auch die meisten Rückflüge starten zu ähnlichen Uhrzeiten. Der Flug mit Zwischenstopp in Warschau hat den Vorteil, dass man sich die Stadt ansehen kann. Für Russland braucht man dagegen ein Visum. Ohne dieses kann man den Flughafen nicht verlassen.
Beste Reisezeit
Armenien liegt auf denselben Breitengraden wie Griechenland. Allerdings ist das Land sehr gebirgig. Sogar die Hauptstadt Jerewan liegt etwa 1.000 Meter über Meereshöhe. Am Berg Aragaz kommt man mit dem Motorrad bis auf eine Höhe von 3.200 Metern und auch in Armenien ist es in einer solchen Höhe reichlich frisch. Deshalb kommen für eine Motorradtour nur die Sommermonate infrage.
Verpflegung
Vegetarier sind die Armenier nicht. Fleisch ist eigentlich überall dabei, häufig gegrillt. Die armenische Küche ist in ihren Grundzügen eine der ältesten Asiens und die älteste in Transkaukasien. Viele Gerichte werden mit dem aus Weizen hergestellten Bulgur zubereitet, diese werden Plov genannt und ähneln einem Pilaw. Beliebt ist die Verwendung von Mehlmischungen aus Weizen, Mais und Kartoffeln. Typisch für das Land ist das dünne Lavash-Fladenbrot, in das man beispielsweise Ziegenkäse einrollen und so essen kann.
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