Frühstart Harz - Thüringer Wald

So ist es jedes Jahr: Der März ist gekommen und die Motorradfahrer wollen raus! Aber ganz so einfach ist das nicht...
Wir kommen uns ein wenig vor, wie das tapfere Schneiderlein, das ja sieben Fliegen auf einen Streich erledigte. Nun streben wir allerdings keinen ähnlichen Rundumschlag an, sondern wollen einfach nur eine wundervolle Frühlingstour starten. Wir starten also an der Redaktion in Lerbach, allerdings hält uns eine defekte Batterie - 7 Monate alt - Hersteller wird nicht verraten - noch ein gutes Stündchen auf. Da es im März vor der Umstellung auf Sommerzeit um 18.00 Uhr dunkel wird und unser Motorradnovize seine erste richtige Tour fahren soll, bleibt die Cockpituhr stets im Blick. Zunächst kurven wir von Osterode über Düna nach Schwiegershausen. Allerdings meiden wir dabei Bundes- und auch normale Landstraßen. Uns steht mehr der Sinn nach kleinen, abgelegenen Wegen, die natürlich legal befahrbar und auch asphaltiert sein müssen.
Der nächste davon findet sich dann schon zwischen Schwiegershausen und Hattorf sowie von Bilshausen nach Wollbrandshausen. Man darf unsere Straßenauswahl nämlich als anspruchsvoll bezeichnen, zumal man im Frühling auch noch mit „Bauerneis“ - rutschige Traktorspuren - zu kämpfen hat. Dafür bleiben uns Lkws und son­stige Einbremser erspart - wir genießen das! Außerdem berappelt sich langsam aber sicher das Thermometer - von 3° Celsius um 8.00 Uhr auf 12° Celsius - kurz vor Mittag. Klingt alles nach recht kühl, aber mit der richtigen Bekleidung (Gore-Tex und Unterbekleidung nach dem berühmten Zwiebelprinzip) geht das schon. Zudem soll es laut Wetterbericht noch wärmer werden, man spricht von rund 18° Celsius! Inzwischen sausen wir am Seeburger See entlang weiter Richtung Süden und nähern uns so Böseckendorf. Dort wartet eine kleine Waldpiste mit ein paar Serpentinen, durch die wir bergab zwirbeln.
Der Lutterwasserfall bei Groß Bartloff.
Der Lutterwasserfall bei Groß Bartloff.
Übrigens: Nachdem wir in Niedersachsen gestartet waren, sind wir nun in Thüringen unterwegs. Dort kurven wir durch den Naturpark Eichsfeld-Hainich-Werratal - eine landschaftlich reizvolle Gegend, die kaum Verkehr kennt. Zudem entdecken wir kurz vor Groß Bartloff und zwar an der Spitzmühle den rund zehn Meter hohen Lutterwasserfall – schön anzuschauen! Allerdings fällt die Pause recht kurz aus, denn wir wollen ja den Staub des Winters aus den Knochen bekommen ... und einfach Motorradfahren.
Wir steuern also Wahnfried im Tal der Werra an. Wieder finden wir eine kleine Straße, kurven- und aussichtsreich. Hier passieren wir auch den alten Grenzverlauf, erkennbar an Relikten des einstigen DDR-Plattenweges. So geht es von Thüringen also nach Hessen, aber nur für ein paar Kilometer. Dann steuern wir erneut den Verlauf der Werra an, dieses Mal bei Herleshausen. Wir überqueren den Fluss und landen so direkt im Thüringer Wald. Logisch, dass da unsere Kurventräume gleich wieder wahr werden. Allerdings wird es auch deutlich kühler, wir stoßen in größere Höhen vor.
Die Werra bei Wanfried

Die Höhen ringsherum strahlen auch noch um die Wette, und zwar in Weiß. Das macht mich dann aber gar nicht nervös, denn die Straßen werden schon frei sein. So kurven wir nach Trusetal, wollen doch mal schauen, ob der Wasserfall dort nicht ein tolles Fotomotiv liefert. Tut er nicht, denn er ist abgeschaltet - das von Menschenhand inszenierte Naturschauspiel glänzt mit kompletter Trockenheit - Winterpause eben. So trollen wir uns unverrichteter Dinge und schauen, wo es andere Fotomotive gibt. Jede Jahreszeit hat doch ihre Reize!
Anstatt rauschendem Wasser treffen wir auf Osterhasen - auch das passt zum Datum. Bald dürfen wir ja wieder diverse Schokoeier suchen. Derweil suchen wir die besten Strecken. 
Und immer grüßt der Osterhase!

Um es vorwegzunehmen, bis Masserberg – dem Wendepunkt unserer Frühlingstour – gelingt das auch perfekt, wenngleich der Restschnee dieses Winters dabei den Reifen manchmal bedrohlich nahekommt. Aber kein Problem, wir kommen gut durch, zumal sich die Temperatur selbst gegen Abend noch recht warm anfühlt. So erreichen wir kurz vor dem Dunkelwerden das den Rennsteig.

Schlussspurt zum Rennsteig!

Den anschließenden, gemütlichen Abend füllen die verschiedensten Motorradgeschichten, die vom Thüringer Wald bis in die USA reichen. Man ist halt viel herumgekommen und hat auch schon viel erlebt! Dass es da noch stets eine Steigerung gibt, sollte klar sein: nachts um 1.00 Uhr klingelt also mein Handy. „Geht’s noch? Hast Du mal auf die Uhr geschaut? Schlafstörungen?“, das sind meine Fragen. „Geh zum Fenster, schau raus ...“ hächelt es völlig aufgeregt: ... „Nordlichter!“ Noch im Halbschlaf mache ich mir ernsthafte Sorgen um unseren Redakteur, aber dann bleibt mir der Mund zum Staunen offen. Er hat Recht - der Himmel leuchtet über dem Thüringer Wald. Die Sonnenaktivität ist nach Angaben von Wissenschaftlern nur selten so stark, dass die Auswirkungen über die Polarregionen hinauszusehen sind.

Beeindruckend: Polarlichter über dem Thüringer Wald!

Übrigens: Polarlichter kommen zustande, wenn elektrisch aufgeladene Teilchen des Sonnenwindes auf die Erdatmosphäre treffen. Dort beginnen sie zu fluoreszieren  und der Nachthimmel leuchtet in bunten Farben. Beeindruckend! Der nächste Tag hält dann auch einige Überraschungen bereit. Zunächst stellen wir fest, dass unsere Sitzbänke eine Raureifschicht ziert: -2° Celsius! Das Frühstück darf also ein wenig länger dauern. Dann kommt die Sonne hoch und die Temperaturen klettern Stück für Stück in den positiven Bereich. Als die Räder dann endlich rollen, passen wir gut auf, wenn schattige Passagen warten.
In den Hochlagen des Thüringer Waldes kommt der Schnee den Reifen bedrohlich nahe!

Obendrein - Masserberg liegt auf rund 840 Meter über dem aktuellen Spiegel der Meere - geht es bergab. So düsen wir in Richtung Frauenwald, wo eine Insiderstrecke wartet. Allerdings unterliegt die einer Wintersperre. Wir wollen es gar nicht glauben und versuchen es dennoch, aber bald ist Schluss! Der Schnee wurde nicht geräumt, und seine Höhe eignet sich noch bestens für „Ski & Rodel gut.“ Dann umfahren wir das eben. Allerdings treffen wir nahe Stützerbach auf die nächste Wintersperre. Dieses Mal glauben wir den Schildern.
"Wintersperre" bei Stützerbach!

Erst in der Unistadt Ilmenau treffen wir auf unsere geplante Originalroute und folgen dieser flott in Richtung Norden. Bis kurz vor Erfurt bekommen wir dabei ganz wundervolle Straßen unter die Räder. Nahe Thüringens quirliger Metropole wird es allerdings kompliziert. Wir suchen uns dort den sprichwörtlichen Wolf, um passable Motorradpisten zu finden und verfranzen uns mächtig.
Eisenbahnviadukt in Stadtilm.

Erst ein paar Kilometer nördlich können wir wieder zufrieden durch zahlreiche Kurven zirkeln, und zwar am Verlauf des Flusses Wipper. So kommen wir auch nach Bilzingsleben, wo eine große, unübersehbare Tafel unsere Aufmerksamkeit erregt.
Bilzingsleben: Heimat der Urmenschen!

Hier war offensichtlich eine Spezies des Urmenschen zu Hause und ein Fotostopp wird so zum Pflichtprogramm. Überhaupt staune ich nicht schlecht, dass es hier eine so bedeutende Ausgrabungsstätte gibt - noch nie davon gehört! Das ist erstaunlich, da der Harz - unsere Heimat also - fast schon wieder in Sichtweite kommt. Egal, machen wir das Ganze also ein wenig bekannter: Als sozusagen erster Bilzingslebener gehört der Homo erectus bilzingslebenensis zu den frühesten Menschenfunden in Europa. Schon 1818 findet sich in den Arbeiten des Paläontologen Friedrich Ernst von Schlotheim der Hinweis auf den Fund eines fossilen, men­schlichen Schädels in Bilzingsleben. Die nächsten Funde (1908), zahlreiche Steinartefakte, gehen auf Ewald Wüst vom Geologischen Institut in Halle zurück. Aber erst 1972/73 erlebte Bilzingsleben seine archäologische Sensation. Professor Dietrich Mania fand im Travertingestein des alten Steinbruchs die Überreste des vorne benannten Urmenschen. Bis heute wurden insgesamt 28 Schädelreste, ein rechter Unterkieferast und 9 einzelne Zähne gefunden. Übrigens: Auffällige Ähnlichkeiten des „alten Bilzingslebeners“ bestehen zu Homo erectus-Funden in Ostafrika, China und Java. Das Ganze werden wir uns demnächst mal viel genauer anschauen - die einmalige Ausgrabungsstätte ist mit dem Motorrad auch direkt erreichbar. Allerdings hat uns das „Straßensuchen“ bei Erfurt doch ein wenig mehr Zeit gekostet und angesichts der Tatsache, dass es Mitte März noch früh dunkel wird, kurven wir mal weiter.

Das Ziel heißt nun Bad Frankenhausen, wo wir uns unbedingt den „Schiefen Turm“ anschauen müssen. Der steht quasi direkt vorm Hotel und lässt sich von allen Seiten einfach wunderbar und störungsfrei fotografieren. Ich bin sprachlos, aber irgendwie scheint diese außergewöhnliche Sehenswürdigkeit kaum jemanden zu interessieren. Wenn ich daran denke, was täglich für ein Betrieb rund um den „Schiefen Turm“ von Pisa herrscht, dann haben die Touristiker am Fuße des Kyffhäusergebirges noch eine Menge zu tun. Und da haben wir schon wieder das nächste Stichwort: Kyffhäuser! Alle Fans von scharfen Kurven schnal­zen ganz sicher mit der Zun­ge, wenn sie an dieses kleine Mittelgebirge denken. 36 saftige Richtungs­wechsel stehen hier an - Kehren und Serpentinen inklusive. Allerdings fahren wir die alte Bergrennstrecke verkehrt herum. Macht aber auch Spaß! Außerdem sei der Hinweis an alle Kraftfahrer gestattet, dass man hier gesittet mit dem Gas umgehen sollte. Seit geraumer Zeit wird nämlich von Amts wegen immer wieder darüber diskutiert, ob man die Strecke von Kelbra nach Bad Frankenhausen und auch umgekehrt für Motorradfahrer sperren sollte. Stellt sich die Frage, warum die Mas­se immer leiden soll, nur weil einige, wenige Zeitgenossen - auch auf vier Rädern - die öffentliche Straße hier mit einer Rennstrecke verwechseln. Das wäre das Gleiche, als würde man ständig irgendwelche Bevölkerungsgruppen in ihrer Gesamtheit diskreditieren, nur weil es dort auch immer wieder ein paar Leute gibt, die geltendes Recht sozusagen mit Füßen – oder schlimmer – treten. Aber lassen wir das, wir sind zum Motorradfahren hier. Kaum hat man den Kyffhäuser hinter sich, steuern wir den nur wenige Kilometer entfernten Harz an.
Kurvenspaß am Kyffhäuser
Dort wartet noch ein kleines Sträßchen zwischen Breitungen und Uftrungen, bevor wir in Richtung Stolberg - ein wirklich hübsches Fachwerkstädtchen - rollen. Heute kommen nur noch rund 70 Kilometer auf den Tacho bis die Tour im Harz endet.

#Eichsfeld#Harz#Kyffhäuser#Thüringen#Thüringer Wald#Tour
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