Mit einem mächtigen Knall landet die Karte von Jean-Pierre auf dem Tisch. Wortfetzen wie: „Hier könnt ihr euch schwindelig fahren, Straßen ohne Verkehr, fantastische Strecken“, wecken sofort unser Interesse. Ein Wimpernschlag vergeht, und schon zieren einige Striche mehr unsere Straßenkarte. Abfahrt! Wir folgen einem sich lindwurmgleich schlängelnden Sträßchen bergan. Unsere Reifenflanken werden Schräglage für Schräglage sauber
gerubbelt. Als erste Regentropfen auf dem Auspuff zischen, stoppen wir rechtzeitig vor dem Peugeot-Museum.
Vor den Pforten des Peugeot-Museums.
Zwischenstopp im Peugeot-Museum
Noch bevor die Himmelsschleuse ihr Nass entlädt, tauchen wir in 200 Jahre Industriegeschichte ein. Dass Peugeot nicht nur Autos produziert, wird umgehend klar. In Vitrinen fein aufgestellt, präsentieren sich alte Sägeblätter, Kaffeemühlen, Gewürz- und Körnermühlen, Nähmaschinen, Werkzeuge, Fahrräder, Motorräder und Autos aus allen Zeitepochen dem interessierten Besucher.
Peugeot Motorräder aus den 30er-Jahren – der Zwischenstopp hat sich gelohnt!
Die Zeit verrinnt und Sonnenstrahlen locken zum Weiterbrausen. Weit oben über der Stadt Belfort thront die ab 1648 gebaute Zitadelle an einer damals strategisch bedeutsamen Stelle. Die Befestigung vertraute man dem damaligen Architekten Vauban an.
Auf kleinen Straßen folgen wir einem kleinen Bachlauf.
Dieser entwarf 1687 eine fünfeckige Stadtfestung mit Bastionstürmen an den Ecken. General Haxo baute dann das Schloss zu einer modernen Festung um. Unter dieser verläuft ein einzigartiges System aus Galerien. Auf den ersten Blick unüberschaubar und verwirrend. Auf der Terrasse des Forts bietet sich ein 360 Grad Panoramablick auf das weite Land.
Die Zitadelle und der steinerne Löwe Belforts.
Zu unseren Füßen liegt die Freiheitsstatue Belforts. Ein 22 Meter langer und 11 Meter hoher Löwe stützt sich auf seine Pranken. Der Colmarer Bildhauer Bartholdi, bekannt als Schöpfer der Freiheitsstatue in New York, schuf das Tier aus rotem Sandstein in den Jahren 1875 bis 1880 zum Gedenken an den Widerstand der Stadt. Der Löwe ist eine Hommage des Bildhauers an die Einwohner, die bei der Verteidigung während der Belagerung von 1870 bis 1871 ihr Leben gelassen haben.
Durch die Vororte wird das militärisch geprägte Belfort verlassen. Graue Häuser ducken sich hinter den hübsch zurechtgemachten hinab. Die große Anzahl an kleinen Ortschaften wird mit Straßen, einem Spinnennetz ähnlich, verbunden. Schmale Wege folgen dem Lauf der Landschaft, und Weidezäune schnüren das Asphaltband schmal ein. Selbst dem Mittelstreifen fehlt der Platz. Das kurvige Band endet am Doubs.
Am anderen Ufer fügt sich der Asphaltwurm harmonisch in das Landschaftshöhenprofil ein, um in das Vallée du Cusancin hineingespült zu werden, dessen ebenso würdiger Titel auch „Tal des Regenwaldes“ lauten könnte. Das Blätterdach schließt sich über unseren Köpfen. Mit Moos überwuchert, bleiben dem Weg nur zwei parallele Fahrspuren. Walderdbeeren direkt am Wegesrand bereichern unseren Speiseplan. Auf Grün folgt schlagartig Blau. Ein Hinweisschild zeigt den Weg zur Source Bleue. Schwarzblau sprudelt das glasklare, kalte Frisch unterhalb der Felswand hervor. Der Strömung folgend kurven wir in Baume-les-Dames ein. Am kleinen Hafen dümpeln Freizeitkapitäne vor sich hin und gemeinsam genießen wir die Pause mit Grand Café.
Kurven, Kurven und noch mehr Kurven!
Der Doubs windet sich orientierungslos hin und her. Die Straße folgt seinem Lauf und fügt eigene Windungen hinzu. Wohlgeordnet stehen die Häuser am Ufer Spalier. Auf der Karte adelt man diesen Fahrweg mit einem grünen Band. Nach einem ewigwährenden Kurvenrausch gewährt das kleine, knuffige Städtchen St. Ursanne durch sein altes Stadttor Porte Saint-Jean Einlass.
Die Vierbogenbrücke von St. Ursanne.
Die Altstadt ist umgeben von einem alten Mauerring und kann nur durch drei Tore betreten werden. Ein kompaktes, historisches Stadtbild, welches seit dem 18. Jahrhundert fast unverändert erhalten blieb, empfängt uns. Die Stiefel poltern über altes Kopfsteinpflaster, und das Echo wird von den mittelalterlichen Mauern der Bürgerhäuser zurückgeworfen. Die vierbogige Steinbrücke über den Doubs wurde im Jahr 1728 erbaut. Der aus Buntsandstein gefertigten Statue des Brückenheiligen Johannes von Nepomuk wird noch ein letzter Blick zugeworfen und umgehend die Motoren wieder zum Leben erweckt. Steil erhebt sich unser Fahrweg über dem geschichtsträchtigen Ort.
Wohlgeformt ordnen sich die runden Hügel aneinander. Mittendurch suchen wir gezielt kleinste, einsame Pisten, doch plötzlich versperrt ein riesiges Wohnmobil den engen Pfad. Der Versuch eines Wendemanövers fand leider im weichen Waldboden sein Ende. Festgefahren, nichts geht mehr. Ein Abschleppseil wurde sicherlich den Sparzwängen geopfert, also wird das Geschoss gemeinsam wieder auf den richtigen Weg gewuchtet. Mut und Leichtsinn liegen auf diesen entlegenen Pfaden leider dicht beieinander. Weiter geht’s! Eng geschlungen verliert der Weg nach La Goule nun stetig an Höhe. Wir tauchen in eine andere, abgelegene Welt hinein. Nur wenige Häuser in dieser Märchenlandschaft bilden ein Empfangskomitee vor malerischer Idylle direkt am Fluss. Unser Kaffee dampft in den Tassen während einer verdienten Pause. Die Ruhe und Einsamkeit saugen wir in vollen Zügen auf.
Eine atemberaubende Aussicht!
Auf in die Schweiz
Einheimische regulieren individuell den Grenzverkehr zwischen Frankreich und der Schweiz. Eine Lücke suchend, schlüpfen wir nach deren Vorbild hinterher und folgen einer Durchfahrtsstraße mit stark überhöhten Spitzkehren bergan.
An der spektakulären Corniche de Goumois knistern die Motoren bei einem Zwischenstopp. Weit reicht der Ausblick in das tiefe Tal. Anschließend spült die D 437 die Motorräder einer Rennstrecke gleich in tiefsten Schräglagen hinunter bis nach St. Hippolyte und weiter dem Hochplateau des Mont de Belvoir entgegen.
Schöner Belag und rasante Streckenführungen.
Auf prominenter Lage erhebt sich das gleichnamige Schloss hoch oberhalb des kleinen Dorfes auf einem Felssporn. Im Jahre 1958 wurde es vor dem Verfall gerettet. Durch umfassende Renovierungsarbeiten erstrahlt es heute im neuen, alten Glanz. Es befindet sich in Privatbesitz und ermöglicht den interessierten Besuchern einen Rundgang durch einen Teil des Schlosses. Auf der Landkarte werden wieder kleine, grün geadelte Striche, Straßen und Sträßchen zusammengeklöppelt. Dementsprechend befriedigen weitere unzählige Richtungswechsel unsere Gemüter. Die Fahrbahnen der Serpentinen würden sich berühren, lägen sie nicht auf unterschiedlichen Ebenen. Inmitten dieser Landschaft baut die Natur noch ein paar Wasserfälle mit ein.
„Cascade“ steht im Französischen für Wasserfall
Das Lebensmotto laissez-faire der Franzosen macht es sich auch hier einfach und benennt die Fälle einfach mit „Cascade“. Wie einfach einige Dinge doch sein können! Wir folgen südwärts der alten Handelsstraße Dijon-Lausanne. An damals strategischer Stelle befindet sich die kleine Ortschaft La Cluse et Mijoux direkt an einer Felsenge. Hoch oben steht das Château de Joux. So konnte der Handelsverkehr gut kontrolliert werden. Wir klopfen an die dicke Pforte. Fünf aufeinanderfolgende Festungsmauern müssen durchschritten werden, um auf dem Schlossplatz zu stehen. Die frühere, militärische Nutzung ist heute noch gut zu erkennen. Die Mauern aus dem 11. Jahrhundert beherbergen ein kleines Museum mit militärischen Utensilien der französischen Armee aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Nur einen kurzen, unaufgeregten Sprint weiter, klappen wir in Pontarlier den Seitenständer vor dem Absinthmuseum aus. Busseweise werden Ladungen von Umbrellagroups hergebracht. So wird nur kurz in die Absinth-Brennerei geschaut. Die Reisegäste bechern unentwegt in vollen Zügen. Wir nippen zum Geschmackstest und sind uns einig: Motorradfahren ist geschmackvoller als dieser gemeine Wermut! Ohne Zeitverzug rollen die Räder durch ein einsames Hochtal, das Défilé d'Entreroche fest im Blick. Eine Umleitung ändert unsere Route, entschädigt jedoch mit fantastischen Kurven. Nach einer Kurskorrektur erreichen wir die Schlucht. Unter Felsvorhängen windet sich die Straße am Fluss entlang und sorgt für Fahrspaß inmitten einsamer Natur. Ein Blick vom imposanten Roche du Prêtre muss genügen, um umgehend die nächste Kurvenorgie zu starten. Der Cirque de Consolation führt windungsreich durch bizarre Felsformationen. Nach unzähligen Schräglagen dümpeln wir nun langsam dahin, bevor wir mittels Boot dem Saut du Doubs, einem Wasserfall des Doubs im Grenzverlauf zwischen Frankreich und der Schweiz, näher kommen. Ein anderer Takt schlägt im Uhrenmuseum de la Montre. Unzählige Stücke aus allen Zeitepochen sind zu besichtigen.
Imposant erscheinen die kleinen Werkzeuge zur Herstellung der einzelnen Bauteile. Auf kleinen Wegen fahren wir talwärts, bis wir an der Quelle des Doubs unsere Fahrt unterbrechen, da in Fußreichweite die Source du Doubs dem stark gefalteten Jurakalk entspringt. In ein moosgrünes Becken entlässt der Fels das Nass, um anschließend mit einem kleinen Wasserfall das Wiedererscheinen zu feiern. Eine Felsenge auf der D67 öffnet den Vorhang. Schmeichelhaft könnte sie den Titel: „Route 66 von Frankreich“ tragen. Mit einem Unterschied: Im Vallée de la Loue werden alle Kurven auf einer Länge weniger Kilometer untergebracht. Von steilen Felswänden eingeschlossen rauscht die Loue tief unten im Tal. Nach einem Schräglagentanz versperrt die Rennsportveranstaltung Championnat de France Montagne unseren Weg. Eine Zwangspause auf öffentlichen Straßen ist unumgänglich. Das ohrenbetäubende Echo der Rennwagen hallt von dem alten Gemäuer zurück und schwängert die Luft mit Abgasen. Eine willkommene Rast hautnah inmitten des Gebrülls der alten Motoren.
Nachdem die Obrigkeit den Rundkurs wieder in öffentliche Straßen verwandelt, durchsausen wir das Spalier, bis wir Ornans erreichen. Liebevoll wird es auch das kleine Venedig der Comté genannt. Blumenkästen zieren bunt blühend die Brücken. Direkt aus dem Wasser des Doubs wachsen die Häuser in die Höhe und spiegeln ihre Schönheit im Fluss. Unzählige Balkone schweben farbenfroh blumenbewährt über dem kühlen Nass.
Ornans - das kleine Venedig der Comté.
Die D492 versucht zu konkurrieren. Ein Hinweisschild „Doppelkurve“ folgt dem anderen. Nun stehen die Kurven Spalier. Das Tal Drugeon lässt ein wenig Zeit zum Verschnaufen. Fantastische Schräglagen führen auf das Jurakalkplateau. Wieder auf kleinsten Wegen unterwegs genießen wir einfach das was die Natur uns bietet, bis kurz vor dem Ort Métabief eine unüberschaubare Menschenmenge unsere Aufmerksamkeit weckt. Die Bourny Stuntshow zeigt, wo die Grenzen der Fahrphysik liegen. Lange Wheelies, Stoppies und Sprünge durch brennende Ringe bringen die Menschenmassen zum Jubeln. Fanatisch werden die Fahrer angefeuert, die mit einem Sprung über einen fahrenden Dampfzug Ihre Show beenden.
Auch unsere Zeit am unentschlossenen Fluss Doubs nähert sich dem Ende. Viele Dinge gibt es hier noch zu entdecken. Unzählige Kurven können noch unter das Profil genommen werden. Die Zeit war einfach zu knapp. Aber eins wissen wir heute schon: Franche Comté, wir kommen wieder!
Mit einem mächtigen Knall landet die Karte von Jean-Pierre auf dem Tisch. Wortfetzen wie: „Hier könnt ihr euch schwindelig fahren, Straßen ohne Verkehr, fantastische Strecken“, wecken sofort unser Interesse. Ein Wimpernschlag vergeht, und schon zieren einige Striche mehr unsere Straßenkarte. Abfahrt! Wir folgen einem sich lindwurmgleich schlängelnden Sträßchen bergan - entlang des unentschlossenen Flusses.
Die Region Franche Comté befindet sich im Osten Frankreichs und besteht
aus den Départements Doubs, Jura, Haute-Saône und Territoire de Belfort. Das Department Doubs mit seinem gleichnamigen Fluss bildet an vielen Stellen die natürliche Grenze zur Schweiz. Nach dem Gebirge Jura wurde das Département
du Jura benannt und wird unter den Motorradfahrern als die bekanntere Region gehandelt. Der Fluss Saône gab dem Département Haute-Saône seinen Namen. Der Hauptort des französichen Départements Territoire de Belfort ist Belfort. Die Region France Comté umfasst 16.202 km².
Sehenswert
Die Region bietet schier unendlich erscheinende Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Von Museen über Wassersport und Natur pur sollte für jeden Geschmack etwas zu finden sein. Wir bereisten hauptsächlich die nördliche Region und Belfort gehört als Zwischenstopp einer Reise in diesen Landstrich mit dazu. In der Nähe befindet sich das Peugeot Museum und bietet dem Technikinteressierten einiges zu entdecken. Mit seinen steilen Felsen gehört das Tal der Loue mit Sicherheit zum Pflichtprogramm
eines jeden Motorradfahrers. Unzählige Natur schauspiele wie: Cirque de Consolation, die Source Bleue mit der wundervollen Strecke am Fluss Cusancin laden zum Verweilen ein und bieten grandiose Ausblicke auf die Natur.
Übernachten
Für Motorradfahrer mit französischer Sprachbarriere bietet sich die Unterkunft von Jean- Pierre an. Er spricht sehr gut Deutsch und ist aktiver Motorradfahrer. Je nach verfügbarer Zeit fährt er teilweise als Tourguide und stellt umfangreiches Kartenmaterial sowie unendlich viele Tourentipps zur Verfügung. Das Haus der Aux berges du Doubs befindet sich wunderschön direkt am Fluss Doubs und lässt die bende ganz besonders ausklingen.
Jean-Pierre Colinet, 24 Grande Rue
25260 Longevelle sur Doubs
www.chambre-hote-auxbergesdudoubs.comWeiter südlich bieten die im Sommer verlassenen Skiregionen preiswerte Unterkünfte an.
Die Zielregion befindet sich südwestlich von Deutschland. Für eine schnelle Anreise empfiehlt sich die Autobahn A5. Dann wird in Richtung Mülhausen auf die A36 gewechselt. Nach Bel-fort erreicht man die Autobahnab-fahrt 7 Audincourt und folgt nun dem Doubs bis Longevelle-sur-Doubs. Die in Frankreich auf der A36 erhobene Maut bei Belfort ist preislich zu vernachlässigen und lohnt sich nicht zu umfahren
Ideale Reisemonate sind von Anfang Mai bis in den Oktober hinein. Auch in den französischen Ferien fährt man auf den kleinen Straßen oftmals allein durch die Natur. In den vielen, wunderschönen, kleinen Dörfern tobt dann das Leben auf der Straße. Unzählige Cafés laden zum Verweilen ein und lassen den Gast am "laissez-faire" Lebensstil der Franzosen teilhaben.