KTM in wirtschaftlichen Schwierigkeiten – Wie Phoenix aus der Asche?
Die KTM-Mannen versprühen bei einer Werksbesichtigung zwar Optimismus, aber noch herrschen die dunklen Wolken am Wirtschaftshimmel vor. Aktuell geht es weiter bergab.
Man kann es drehen und wenden wie man will, doch das ändert nichts daran: KTM, nach eigenen Aussagen seit einigen Jahren stückzahlengrößter Motorradhersteller Europas, ist bereits das gesamte Jahr 2024 in einer misslichen Situation. Das Geschäft mit Motorrädern – wir beschränken uns auf diesen Zweig und lassen die ebenfalls zur Pierer Mobility AG gehörenden Bereiche Fahrrad und E-Bicycles außer Betracht – leidet gegenüber dem erfolgreichen Vorjahr erheblich.
Sinkende Zahlen bei Absatz und Umsatz
Der Konzernlagebericht der Pierer Mobility Group, Hauptanteilseigner von KTM, weist für die Monate Januar bis Juni 2024 deutlich sinkende Zahlen (alle beziehen sich jeweils auf das 1. Halbjahr) für Produktion sowie Absatz und demzufolge auch für Umsatz und Ertrag der Gruppe auf. Mit Rückgängen von 27 Prozent beim Umsatz von 1.388 Millionen Euro fehlten gegenüber dem Vorjahr plötzlich 381 Millionen – so wies die Bilanz für das 1. Halbjahr 2024 einen Verlust von fast 200 Millionen Euro aus.
Fahrtests: BMW R 1300 GS ASA, Triumph Rocket 3 Storm R, Honda NT1100, Honda GL1800 Gold Wing Tour, Yamaha MT-09 Y-AMT, Kawasaki Versys 1100 Motorräder: Ducati Multistrada V2, Neuheiten der Eicma 2025 Touren/Reisen: Tourenräuberei durch Rhön und Spessart, Norwegen, Blue Ridge Parkway, von Alaska nach Feuerland Tests: Modekamehr Miako Air, Rukka Blockrace-R, Daytona AC Dry GTX G2, Spidi Allroad H2Out, Rukka Fernie, Stadler Free Sport Pro, Stadler 4All Pro Magazin & Service: Zulassungszahlen, KTM in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, Intermot Köln mit neuem Konzept
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„Motorradabsatz nach Marken, weltweit“ – Zahlen aus „Konzernlagebericht H1 2024 Pierer Mobility AG“
Marke
1. Hj. 2024
1. Hj. 2023
KTM
108.536
145.121
Husqvarna
26.120
31.832
Gas Gas
7.805
8.572
CF Moto
3.587
1.099
MV Agusta
1.448
534
Hinter der negativen Geschäftsentwicklung steckt natürlich ein Rückgang beim Verkauf und bei der Produktion, und zwar bei den Marken Husqvarna, Gas Gas und vor allem KTM; zugelegt haben alleine CFMoto (KTM tritt auf einigen Märkten als Importeur auf) und MV Agusta; die Italiener aus Varese-Schiranna sind ja erst knapp zwei Jahre Teil des Pierer’schen Marken-Portfolios (Anteil mittlerweile 50,1 Prozent). Der Gesamtabsatz ging im ersten Halbjahr 2024 gegenüber dem Vorjahreszeitraum von gut 187.000 auf rund 147.500 Motorräder zurück, die Produktion schrumpfte in ähnlicher Größenordnung, nämlich von fast 206.000 auf gut 168.000 Einheiten.
„Umsätze und Erträge“ – Zahlen aus „Konzernlagebericht H1 2024 Pierer Mobility AG“
1. Hj. 2024
1. Hj. 2023
Entwicklung
Umsatz
1.007 Mio Euro
1.388 Mio. Euro
-27 %
Ergebnis (EBIT)
- 195 Mio Euro
97 Mio Euro
-19,4 %
Produktion Motorräder
168.165
205.796
-18,3 %
davon in Mattighofen
76.386
111.940
- 31,8 %
Mitarbeiter
6.024
6.314
- 4,6 %
Absatz Motorräder
147.496
187.158
- 21,2 %
Sehr negativ entwickelt hat sich auch der Aktienkurs der Pierer Mobility AG, Hauptanteilseigner von KTM. Sein absolutes Hoch der letzten drei Jahre hatte das an der Wiener Börse notierte Aktienpapier am 11. Februar 2022 mit 89,90 Euro; nach einem zwischenzeitlichen Einbruch erreichte der Kurs am 8. März 2023 wieder einen Stand von 83,40 Euro. Insbesondere seit Juli 2023 geht es aber mehr oder minder kontinuierlich bergab; lag der Kurs Anfang Januar 2024 noch bei 53,-- Euro, so hat er sich bis 4. Oktober (Redaktionsschluss dieses Beitrags) auf 24,-- Euro mehr als halbiert. Gegenüber Februar 2022, also in gut zweieinhalb Jahren, sind also nahezu drei Viertel des Börsenwertes weggebrochen. Die meisten Aktien dürften sich freilich nicht im freien Handel, sondern in der Vermögensverwaltung von Stefan Pierer befinden.
Die Fertigungstiefe bei KTM ist extrem: Viele andere Hersteller beziehen z. B. ihre Rahmen von Zulieferern; KTM produziert Stahlrahmen in der Regel selbst. Um genügend Schweißer zu haben, läuft sogar ein firmeninternes Qualifizierungsprogramm Dass eine solche – zweifellos negative – Entwicklung in den sozialen Netzwerken einen unübersehbaren Niederschlag findet, ist klar und logisch. Dass zu jenen, die sich zur Situation von KTM und den anderen zur Pierer-Gruppe gehörenden Marken äußern, auch Stimmen gehören, die wenig Konstruktives zur weiteren Entwicklung beitragen, ist nichts Neues. Und dass während einer angespannten Situation eines finanziell angeschlagenen Unternehmens zwar nicht die positiven Zahlen wachsen, dafür aber Häme und Gerüchte stark zunehmen, ist ebenfalls keine Überraschung. Dieses mal mehr, mal weniger bösartigen – Verdächtigungen und Gerüchte wollen wir an dieser Stelle weder nachbeten noch aufgreifen; stattdessen haben wir uns dorthin bewegt, wo es fraglos momentan am meisten wehtut, nämlich in die Produktionsstätten im oberösterreichischen Mattighofen und Umgebung. Dort entsteht nach wie vor der größte Teil der Motorräder und dort befindet sich auch die konzerngrößte Entwicklungsabteilung; 780 Mitarbeiter umfasst sie. Auch hier konnten wir hinter viele Kulissen schauen und sogar eine ganze Reihe von Prototypen fahren. Und das Komponentenwerk – KTM fertigt Räder, Auspuffanlagen sowie Federelemente in eigener Regie – sowie das Motorenwerk ließen wir ebenfalls nicht aus.
Die für die Rahmenproduktion nötigen Stahlrohre stellt KTM mittlerweile zum Teil schon selbst her; sie werden im Werk gekürzt und in die nötige Form gebracht Von Riaan Neveling, dem Marketingchef von KTM, wurde der Blick ins Innere von KTM ausdrücklich unterstützt: „Es gibt zahlreiche Missverständnisse über unsere Produktion und über die Örtlichkeiten, wo was stattfindet“, sagte er. Wer aufmerksamen Auges durch die weitläufigen Areale von KTM geht, bemerkt eine anderswo in Europa nicht zu findende Fertigungstiefe; mit diesem Begriff wird der Anteil jener Komponenten an einem Motorrad bezeichnet, der von der Marke selbst hergestellt wird. Während es so mancher Hersteller dabei belässt, Motoren selbst zusammenzusetzen bzw. zu -schrauben und so gut wie alles andere – Rahmen,Bremsen, Federelemente, Auspuffanlage, Räder, Sitze, Karosserieteile etc. – von Spezialherstellern zuzukaufen, geht KTM einen anderen Weg: Es gibt ein Motorenwerk und ein Komponentenwerk (Speichenräder, Auspuffanlagen, Federelemente) südlich von Mattighofen; alles wird dann in den Produktionshallen zusammengefügt. Gleich gegenüber befindet sich die enorm große Forschungs- und Entwicklungsabteilung; ihr ist die Firma Kiska angeschlossen, ein vielfältig mit KTM verflochtenes Design- und Entwicklungsunternehmen mit Sitz in Anif bei Salzbug.
Auch Kühler kommen quasi aus dem eigenem Haus
Zum Pierer-Imperium gehört auch die 2018 gegründete Pankl AG, ein weitverzweigtes Milliardenunternehmen mit Hauptsitz in Kapfenberg/Steiermark. Bei Pankl entstehen ebenfalls zahlreiche Komponenten, die in KTMMotorrädern verbaut werden, unter anderem Öl- und Motorkühler. Pankl fertigt aber auch Schmiedeteile, Bremsscheiben, Motorkomponenten, Pumpen sowie Spezialteile für den Rennsport und widmet sich mit Pankl Aerospace auch dem Luftfahrtgeschäft. Kiska ist ein extrem wichtiger Bereich der KTM-Entwicklung; etwas weiter unten listen wir wichtige Kennzahlen von Kiska auf. Klar ist, dass Unternehmensgründer Gerald Kiska seit 1990 (Erstlingswerk war die Einzylinder-Duke) nicht nur das Aussehen der KTM-Motorräder entscheidend entwickelt und geprägt hat; seine Mitarbeiter leiste auch tatkräftige Entwicklungsarbeit, was die Funktionen einer KTM und auch ihre Position am Motorradmarkt angeht.
Die Kiska GmbH ist ein enorm voluminöser Betrieb; gegründet 1990, arbeiten heute in weltweit vier Studios 270 Kreativkräfte aus 35 Nationen; sie beschäftigen sich mit Mobilität – was keineswegs alleine Motorräder umfasst –, Sportgeräten sowie technischen Gerätschaften. Auch Mineralwasserflaschen hat Kiska schon gestaltet und die bekannten gelben Schranken einschließlich aller Kassenautomaten, die in Parkhäusern in aller Welt verwendet werden, sind ebenfalls ein Kiska-Produkt.
Auch Telegabeln fertigt KTM in seinem Komponentenwerk selbst. Die Marke WP, einst übernommen, gibt es zwar noch, doch faktisch handelt es sich um KTM-Produkte Natürlich könnten wir hier enorme „Riemen“ vor unseren Lesern ausbreiten, die vieles von dem in epischer Breite darstellen, was sich bei KTM in und um Mattighofen abspielt; wir tun es nicht, um uns aufs Wesentliche zu konzentrieren. Das ist nach unserer Ansicht die Tatsache, dass KTM – Eigentümer ist zu 50,1 Prozent die Pierer Mobility AG, 49,8 Prozent gehören der indischen Firma Bajaj Auto, vertreten durch Rajiv Bajaj – ein derzeit zwar in Turbulenzen geratenes, aber doch seriöses und berechenbares Unternehmen ist. So laufen die Produktionslinien zwar in deutlich reduziertem Umfang – es gibt beispielsweise keine dritte Schicht mehr, was natürlich Entlassungen bedingte und auch noch im September mit sich brachte–, aber dennoch läuft die Produktion in sehr geordneten Bahnen.
Den rückläufigen Absatz in Deutschland – KTM lag im August 2024 zwar nur rund 110 Stück unter seinem Zehnjahres-Durchschnittswert von 9.495 Verkäufen pro Jahr, aber immerhin um rund 2.500 Einheiten unter seinem Maximum von 11.837 Stück in 2020 – versucht man derzeit, mit großzügigen Preisnachlässen anzukurbeln: So gut wie alle Straßenmodelle, die derzeit auf Lager stehen, werden um den Mehrwertsteuersatz preisreduziert. Dass dies nicht nur 2023er-Modelle betrifft, sondern auch 2024er-Fahrzeuge, stößt vielen „Normalkäufern“ aus dem ersten Halbjahr 2024 sehr sauer auf. Aber die vollen Lager drücken eben …
Jede Menge Prototypen sind so gut wie fertig
Wie der Blick in die Entwicklungsabteilung gezeigt hat, kennt man dort keinerlei Arbeitsreduzierungen – ganz im Gegenteil: Es sind jede Menge 2025er-Modelle in den verschiedensten Entwicklungsstufen zu sehen. Die Prototypen – sie starten mit den Bezeichnungen P0 und klettern dann über P1 und P2 bis zur letzten Prototypen- Stufe P3 – durchlaufen das übliche Entwicklungsprogramm; eine ganze Reihe von P3-Prototypen mit V2-, Zweizylinder- und Einzylindermotor konnten wir auf einer Ganztages-Ausfahrt mehr oder minder gut „beschnuppern“.
Dabei waren auch verschiedene Fahrzeuge mit dem neuen AMT-Getriebe. Dieses hinterließ einen sehr guten Eindruck; es wurde von KTM ja am 8. Oktober vorgestellt. Der Autor konnte es außer in der 1390 Super Adventure EVO auch in zwei weiteren Modellen mit dem großvolumigen V2-Motor probieren, die erst später das Licht der Welt erblicken werden, eines davon ist ein 2025er Frühjahrs-, eines sogar ein 2026er-Modell.
Das AMT-System von KTM kommt, anders als die bei BMW und Yamaha entwickelten und bereits vorgestellten bzw. im Handel erhältlichen Systeme ASA (BMW) und Y-AMT (Yamaha), mit nur einem Aktuator für die Verstellung der Schaltung aus; die Kupplung ist nämlich eine Fliehkraftkupplung, wie sie auch das Rekluse-System darstellt, das die KTM-Parallelmarke MV Agusta anbietet und das KTM auch als Nachrüst-Kit für die Sportenduro- und Motocross-Modelle anbietet. Es hat den enormen Vorteil, dass es mit extrem wenigen Bauteilen auskommt und deshalb mit lediglich 210 Gramm ungewöhnlich leicht ist (das BMW-ASA bringt 2,1 Mehr-Kilo auf die Waage, das Y-AMT 2,8 Kilo). Das e-Clutch-System von Honda, das lediglich eine automatische Kupplung darstellt und nicht selbsttätig schalten kann, wiegt 2 Kilo.
Beim ATM ist KTM ganz vorn dabei
Mehr noch als durch das geringe Mehrgewicht beeindruckt das KTM-AMT durch seine ausgefeilten Regelungstechnologien; beispielsweise wird das Schalten in Schräglage unter deutlicher Last – beispielsweise bei Kurvenfahrt oder in einem Kreisverkehr – unterdrückt, um keinerlei Unruhe ins Fahrwerk zu bringen. Das kann bisher nur das BMW-ASA. Ein Vorteil im Vergleich zum aus München stammenden und auch zum Yamaha-System könnte die Wahlmöglichkeit der manuellen Gangwechsel sein: Während Yamaha alleine eine elektrische Handschaltung links am Lenker anbietet und BMW auf den Fußschalthebel setzt, mit dem der Sensor zum Gangwechsel aktiviert wird, montiert KTM serienmäßig beide Systeme. Der Fahrer kann also je nach Gusto auswählen, ob er mittels eines Fingers der linken Hand oder mithilfe des linken Fußes hinauf- oder herunterschalten will. Die Gangwechsel laufen beim manuellen wie beim automatisierten Schalten gleichermaßen geschmeidig und schnell ab, die automatisierte Schaltung ist an die jeweiligen Fahrmodi gekoppelt und modifiziert, wie auch bei BMW, die Schaltpunkte in Abhängigkeit vom vorgewählten Fahrstil.
Die KTM 990 RC R verspricht eine ganze Menge
Anhand der kommenden KTM 990 RC R – links das lackierte Clay-Modell, rechts ein später enthüllter Prototyp – wurde der gesamte Entwicklungsprozess für neue Modelle detailliert vorgestellt. Dreieinhalb bis vier Jahre gehen normalerweise ins Land … Nicht viel sagen kann der Autor zum Fahrerlebnis auf der kommenden KTM 990 RC R; die ihm gebotene 15-km-Etappe mit einem vollkommen schwarzen P3-Exemplar im Süden von Salzburg war sehr stark verkehrsbelastet, auch nur halbwegs freies Fahren war vollkommen undenkbar. Aber dennoch wurde klar, dass es sich um ein vergleichsweise leichtes, exzellent manövrierbares Sportbike handelt. Der Einliter-Motor, grundsätzlich aus der 990 Duke ja bereits bekannt, stellt auch in der RC R einen enorm dynamischen, zugleich aber auch sehr kultivierten Antrieb dar.
Zur Entwicklung von KTM-Motorrädern bleibt noch zu sagen, dass sämtliche Modelle – auch die in China bei CFMoto und die in Indien bei Bajaj gebauten 125er, 200er und 390er – ihre Entwicklung in Mattighofen absolvieren; die in Südasien und in Fernost produzierten Modelle erhalten nur insofern einen (zusätzlichen) Input aus diesen Ländern, als es um Aspekte geht, die in diesen Ländern besonders bedeutsam sind. Es ist demzufolge keinesfalls so, dass die Entwicklung einzelner Modelle anderswo als in Mattighofen erfolgt.
Einsparungen an vielen Fronten
Doch weg von den aktuellen und künftigen Bikes und hin zu den Maßnahmen, mit denen der Pierer-Konzern das Ruder herumreißen will und schon im kommenden Jahr wieder einen positiven Geschäftsabschluss – also Gewinne – erreichen will. Dass die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zumindest in Europa, aber auch in anderen Gebieten derzeit von kriegerischen Auseinandersetzungen (Ukraine, Nahost) und großen Unsicherheiten (z. B. Taiwan) überschattet sind, ist quasi der unveränderliche Rahmen, der das Unternehmenshandeln flankiert. Nichts davon beeinflusst die global aktive Motorradindustrie positiv. Spezifisch wird es neben den wohl bereits abgeschlossenen Reduzierungen der Mitarbeiterzahl auch Einschränkungen im (extrem teuren) Rennbereich geben; so werden Husqvarna und Gas Gas künftig nicht mehr im Straßenrennsport antreten, wie aus der Chefetage zu hören war. Der Straßenrennsport wird sich so bald als möglich auf KTM konzentrieren und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch auf MV Agusta ausdehnen; hier ist ab 2027 insbesondere die MotoGP im Gespräch.
Geringere Produktion bedeutet höhere Qualität
Hoch automatisiert sind viele Herstellungsprozesse im Motorenwerk wie auch im Komponentenwerk von KTM; beide liegen unweit des Produktionswerkes, das sich in Mattighofen befindet Die am Ende der Coronazeit mitunter ungenügende Qualität mancher Motorräder oder von Bauteilen will KTM bereits wieder im Griff haben, hörten wir in Mattighofen. Sie habe insbesondere 2023er-Modelle betroffen, die wegen fehlender Teile oftmals nicht fertig gebaut werden konnten. Die Lieferketten, hörten wir, liefen derzeit absolut stabil und die Produktionszahlen in Mattighofen seien jetzt so, dass es keinerlei Qualitätsprobleme gebe; angesichts von gut 217.000 im Vorjahr gebauten Motorrädern sei die Kapazität des Werks extrem ausgelastet gewesen – offenbar nicht immer zum Vorteil der Kunden. Bei nun, hochgerechnet von den Zahlen des 1. Halbjahres, etwa 140.000 Einheiten im Gesamtjahr sei das komplett anders.
Größere Nervosität in irgendeiner Abteilung war bei unserem eintägigen Rundgang durch die Werkshallen bei Mitarbeitern am Band genauso wenig zu bemerken wie beim Führungspersonal; bei letzterem war Souveränität im Umgang mit der Situation der vorherrschende Eindruck. Was die Neuentwicklungen mit 690, 990 und 1390 Kubikzentimetern Hubraum wirklich können, wird Motorrad & Reisen so bald als möglich herausfinden.
KTM-Motorradzulassungen in Deutschland incl. Seitenblick zu BMW und Honda
Kategorie
2024 (bis August)
Durchschnitt 2015-2024 (bis August)
Krafträder KTM
9.389
9.495
dazu Leichtkrafträder KTM
1.882
2.704
Krafträder BMW
21.017
19.051
Krafträder Honda
16.630
13.653
dazu Leichtkrafträder Honda
4.147
3.188
Quelle: Eigene Berechnungen auf der Basis von IVM-Zahlen
Update: Pierer Mobility in großen Schwierigkeiten.
Die aufgeführten Probleme können offenbar nicht so schnell gelöst werden, wie der Vorstand der Pierer Mobility AG, Besitzer vom KTM, sich das vorgestellt und auch veröffentlicht hat. Das wirtschaftliche Ergebnis des 3. Quartal 2024 ist deutlich schlechter ausgefallen, als es erwartet worden war. Die Folge: Die Pierer Mobility AG sah sich gezwungen, am 21. Oktober eine Gewinnwarnung herauszugeben. Aufgrund dessen kam es zu einem sehr starken Nachgeben des Börsenkurses der Pierer-Aktie.
Doch fangen wir von vorne an: am Montag, 21. Oktober, nach Kenntnisnahme der Zahlen des 3. Quartals 2024 entschloss sich die Pierer Mobility AG zu einer Ad-hoc-Mitteilung an die Aktionäre.
Marktentwicklung im zweiten Halbjahr hinter den Erwartungen; Guidance 2024 aufgehoben; Pierer Mobility AG verkleinert Vorstand auf Doppelspitze Vor dem Hintergrund „der länger als angenommen anhaltenden schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ stagniere die europäische Wirtschaft, wobei sich insbesondere der wichtige deutsche Markt in einer Rezession befände. Auch in den USA sei die Kaufkraft der Konsumenten weiterhin niedrig. Anstatt zu wachsen, sei der Gesamtmarkt in den USA von Januar bis September 2024 um 6,3 % zurückgegangen.
Schwächster Monat des Jahres
Der Monat September sei zudem mit einem Minus von 14,6 % der schwächste seit Januar dieses Jahres gewesen. Eine rasche Erholung werde es wohl nicht geben, glaubt man bei Pierer. Europa könne nicht helfen: Die Zulassungsdaten für den Motorrad-Gesamtmarkt von Januar bis September 2024 erreichten nur durch Anstiege im Niedrigreissegment wieder das Vorjahresniveau; sie zeigten jedoch eine abschwächende Dynamik. Auf Deutsch: Das Hochpreissegment, zu dem KTM zweifellos gehört, hat verloren. Und zudem zeigt der Trend momentan nach unten. Es
gebe zwar eine leichte Reduktion der KTM-Lagerbestände, doch bleibt der weitere Lagerabbau eine wichtige Zielsetzung, heißt es weiter. Das gilt auch für das Fahrradgeschäft. Diese
ungünstige Entwicklung führt dazu, dass die bisherige „Guidance“ nicht mehr gilt; das bedeutet, die Pierer-Gruppe bleibt im Geschäftsjahr 2024 hinter den bisherigen Erwartungen zurück. Das betrifft den Umsatz und das Ergebnis, aber auch das Betriebskapital und die Nettoverschuldung.
Verkleinerung des Vorstands und fallende Aktien
Als
Sofortmaßnahme wurde verkündet, dass der Vorstand der PiererMobility AG von sechs auf zwei Personen verkleinert wird: Stefan Pierer als CEO und Gottfried Neumeister als Co-CEO. Diese
Meldung hat an den europäischen Börsen unmittelbar, also gleich am Montag, kräftig eingeschlagen. In Zürich soll die Pierer-Aktie um 25 Prozent gegenüber dem Schluss vom Freitag zuvor gefallen sein, in Frankfurt wurde ein Minus von 7,6 % notiert. Tags darauf ging es erneut talwärts, und zwar sogar um 16,3 Prozent. Am heutigen Mittwoch, 23. Oktober, fiel die Aktie weiter, und zwar von 15,70 auf 14,80 Euro, also um 6,33 Prozent. Zum besseren Verständnis: Noch am 14. Oktober wurde die Pierer-Aktie mit 23,60 Euro notiert, am 20. September waren es 26,60 Euro. Dabei
hat die Aktie bereits zweimal in diesem Jahr sehr stark an Wert eingebüßt: Im Laufe des April sank ihr Wert von 44,80 auf 37,60 Euro (minus 16,1 Prozent), im Juni dann sogar von 37,50 auf 29,60 Euro (minus 21,1 Prozent). Der bisherige Oktober-Verlust lag zum Stichtag am 22. Oktober bei 38,2 Prozent. Blickt man auf die Jahresentwicklung, brachte jeder einzelne Monat ein, wenn auch manchmal nur kleines, Minus.
Neustart auf der EICMA
Schwierige
Zeiten also für die Pierer Mobility AG und damit auch für KTM. Dort hofft man, dass die neuen Modelle, die erstmals auf der EICMA (7. bis 10. November) zu sehen sein werden, einen großen Eindruck auf potenzielle Kunden (und Investoren) machen. Denn am allerwichtigsten braucht die oberösterreichische Firma einen Stimmungsumschwung in der Öffentlichkeit. Und mal wieder positive Schlagzeilen …